THERAPY?: Interview mit Andy Cairns

26.04.2009 | 10:12

Griffiger Punk Rock mit Metal-Einschlag zeichnete die Nordiren THERAPY? Mitte der Neuziger aus. Inzwischen lassen sie es düsterer angehen – und beziehen im Interview auch schon mal Stellung zu Themen wie Depressionen und der IRA.

Dabei will die depressive Ader auf "Crooked Timber" zumindest auf den ersten Blick so gar nicht zum lockeren Auftreten des Trios passen. Der charismatische sowie gut gelaunte Sänger und Gitarrist Andy Cairns schenkt sich zum vormittäglichen Interview-Termin erst mal einen Kaffee ein – und begrüßt mich dann zu meiner Überraschung auf Deutsch.

"Guten Morgen. Wie geht es dir?", tönt es fröhlich durch den Telefonhörer. Zur Schulzeit hat Andy etwas Deutsch gelernt und benutzt den Grundwortschatz heute noch gern bei Konzertansagen in unsere Breitengraden. Dabei könnten Konzerte hierzulande angesichts des neuen Albums inzwischen etwas düsterer ausfallen. "Das wird eine Herausforderung", meint Andy. "Ich kann es gar nicht erwarten, Songs wie 'Enjoy The Struggle' live zu spielen. Die Lichtshow muss natürlich etwas atmosphärischer sein." Zu gedrückt sieht er die Stimmung auf "Crooked Timber" allerdings auch nicht. "Es soll nicht depressiv sein, auch wenn es eine sehr ungewöhnliche Atmosphäre ist. Das ganze Album wirft Fragen auf. Es ist sehr surreal, wie wenn man durch ein seltsames Museum geht."

Ob das Trio inzwischen die Nase sprichwörtlich voll hat von eingängigem Punk Rock? "Es gibt da genug junge Bands, wir wollten nicht das selbe wie alle anderen machen." Eine Abkehr vom Punk Rock? Mitnichten, schließlich sind THERAPY? mit nordirischem und europäischem Punk aufgewachsen. "Aber wir sind keine Punk-Rock-Band wie GREEN DAY oder NOFX mit stachligen Haaren." Dennoch hat der 43-Jährige aus dem Punk seine Lehren gezogen: "Es geht für mich nicht darum, grüne Haare zu haben, sondern Normen zu brechen." Mit früheren Ohrwürmern wie 'Screamager' oder 'Nowhere' hat das heutige Schaffen jedoch nur noch wenig gemein. "Diese Songs gingen damals dreieinhalb Minuten und waren sehr simpel. Mit unserem neuen Material wollen wir eine Atmosphäre kreieren." Was der Frontman auch auf die mittlerweile 19-jährige und zwölf Alben umfassende Bandgeschichte zurückführt. "Da ist es natürlich, dass wir unseren Stil weiter entwickeln. Ich hab uns schon immer mehr als Rockband gesehen."

Auf ihrer Myspace-Seite bezeichnet sich die Band zudem immer noch als Metal-Band. Was vor allem an dem zweiten Gründungsmitglied und Bassisten Michael McKeegan liegen dürfte, einem bekennenden Metal-Fan. Schlagzeuger Neil Cooper spielte Anfang der Neunziger in der Metalband THE BEYOND, während Andy mit härteren Tönen wie MOTÖRHEAD, AC/DC und METALLICA aufwuchs. "Michael und ich haben uns von Anfang an gegenseitig auf verschiedene Bands angetörnt", erzählt der Sänger. "Ich habe früher z.B. eine Band namens DIE KREUZEN gehört, und als ich sie Michael vor spielte, meinte er, dann müsste ich auch VOIVOD mögen und hat mir ein Album von ihnen gegeben."

Zurück zu "Crooked Timber": Nach einer zuletzt dreijährigen Albumpause und dem Tod eines guten Freundes der Band ist das Album von den Texten her eines der persönlichsten geworden. "Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, und ich habe die Texte geschrieben, um mich besser zu fühlen. Es ist das erste THERAPY?-Album, auf dem die Texte wirklich mich widerspiegeln." Mit der Musik versucht Andy stets, deprimierende Dinge von sich fern zu halten – und gibt unumwunden zu: "Ich bin schon eine etwas morbide und depressive Person. Zu Hause bin ich glücklich, denn dort habe ich ein schönes Familienleben. Aber mein ganzes Leben über gab es depressive Dinge. Und die Band hilft mir, diese Gedanken aus meinem Kopf raus zu halten. Das ist mir wichtig."

Aussagen politischer Natur würde Mr. Cairns aber nie in seine Texte packen, höchstens über menschliche Politik im Allgemeinen und nicht gegen eine bestimmte Regierung gerichtet. Gebrandmarkt vom Jahrzehnte langen Konflikt zwischen der katholischen IRA und der protestantischen Armee war die Band stets eher eine Flucht vor der allgegenwärtigen Politik. Ein heißes Eisen wie die "Irisch Republikanische Armee" würde Andy deshalb auch nicht anfassen, zumal der Band Mitglieder beider nordirischen Konfessionen angehören. "Wir haben gesehen, wie diese Leute unser Land gespalten haben. Für alle Gräueltaten, die die IRA begangenen hat, hat auch die Britische Armee Kriegsgräuel verübt." Wann immer THERAPY? Songs anderer Bands zum Thema hörten – seien es U2 oder die CRANBERRIES – schalteten sie ab. Doch es gibt auch einen triftigeren Grund, sich nicht die Finger verbrennen zu wollen: "Nordirland ist ein sehr kleines Land mit einer Bevölkerung von nur einer Millionen Menschen", verdeutlicht Andy. "Wenn wir eine Seite angepisst hätten, hätte es gerade mal zehn Minuten gedauert, um unsere Adresse rauszufinden." Und sagt etwas, das tief aus der Seele eines Nordiren klingt: "Versteh mich nicht falsch, Carsten. Als wir aufgewachsen sind, herrschte hier wirklich Krieg."

Redakteur:
Carsten Praeg

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