TORTURE KILLER: Interview mit Jari Laine

24.04.2009 | 15:18

"Es ist besser, seine ganze Energie auf gute Songs zu fokussieren, anstatt Zeit für Stücke zu verschwenden, bei denen man kein so gutes Gefühl hat!" (Jari Laine)

Die finnischen Old-School-Deather TORTURE KILLER haben kürzlich mit "Sewers" eine überraschend starke Platte in die Läden gehievt, die den Ruf der Band als traditionsbewusste Genrevertreter mit Klasse weiter  festigen sollte. POWERMETAL.de klingelte bei Gitarrist Jari Laine an, um mehr über knackig kurze Studioalben, das Bandleben nach dem Ausstieg von Chris Barnes und vieles mehr zu erfahren. Von der allgemein unterstellten Wortkargheit der Finnen ist bei Jari Laine jedenfalls keine Spur zu erkennen. Lest selbst.





_Martin:_
Hallo Jari! Nach drei Jahren Wartezeit habt ihr endlich wieder ein recht starkes TORTURE KILLER-Album mit Juri Sallinen am Mikrophon am Start. Warum hat denn Chris Barnes die Band verlassen?

_Jari:_
Als Chris in die Band einstieg, konnte niemand von uns abschätzen, ob diese Zusammenarbeit über die große räumliche Distanz hinweg funktionieren würde oder nicht. Wir wussten zwar schon, dass sich manche Dinge nur schwerlich arrangieren lassen würden, aber wir entschieden uns dazu, nichtsdestotrotz zu versuchen, ob es so funktioniert. Außerdem hatten wir zum damaligen Zeitpunkt kein stabiles Line-up, mit dem wir unser zweites Studioalbum hätten einspielen können.

Wir sind gut mit Chris klargekommen und ich finde auch, dass wir ein gutes Album mit ihm veröffentlicht haben, aber am Ende war es so, dass etliche Dinge viel zu kompliziert waren. Angefangen bei Tourneen, über Studioaufnahmen und CD-Veröffentlichungen. Zudem haben wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unbedingt als Band gefühlt, sondern eher als Projekt mit vier Hauptmitgliedern, die keinen festen Sänger haben. Wir wollten, dass wir das Gefühl, eine vollwertige Band zu sein, wieder zurückgewinnen. Daher sprachen wir mit Chris und er sah das recht ähnlich, da ihm einfach die Zeit fehlte, sich stärker bei TORTURE KILLER zu involvieren. Wir entschieden uns schließlich, uns jeweils auf unsere eigenen Dinge zu konzentrieren. Das war kein Drama, denn Chris hat weder das Handtuch geworfen, noch haben wir ihn gefeuert. Chris war echt nett zu uns und er half uns sehr. Es gibt nichts Negatives, was ich über ihn sagen könnte. Er ist ein verdammt guter Sänger und eine sympathische Person. Für TORTURE KILLER war es eine ganz tolle Erfahrung, ihn als Sänger zu haben, die niemand von uns vergessen wird. Wir haben großen Respekt vor ihm. Es ist an der Zeit, dass wir voranblicken und das tun, was wir wollen und zwar so, dass wir ein gutes Gefühl dabei haben.

_Martin:_
Euer Sänger Juri Sallinen sang damals auf der TORTURE KLLER/ SOTAJUMALA-Split 7'', die 2005 erschien. Habt ihr vor dem Entstehungsprozess von "Sewers" verschiedene Sänger getestet oder wusstet ihr, dass ihr Juri wieder in der Band haben wolltet?

_Jari:_
Unser Sänger Juri ist seit Jahren schon Teil von TORTURE KILLER und er hat uns immer wieder vereinzelt bei Shows in der Vergangenheit am Mikro ausgeholfen. Für uns war er die einzige Alternative und wir haben uns sonst nicht nach anderen Sängern umgesehen oder gar Proben durchgeführt, um einen neuen Shouter zu finden.

_Martin:_
Ihr habt ja die Plattenfirma gewechselt. Euer zweites Album "Swarm!" wurde von Metal Blade veröffentlicht, wohingegen eure neue Scheibe "Sewers" bei Dynamic Art Records erscheint. Hatten euch Metal Blade nur einen Vertrag über ein Album unterbreitet oder war das Label nicht zufrieden mit den Plattenverkäufen von "Swarm!"?

_Jari:_
Aus meiner Sicht ist "Swarm!" verkaufsmäßig gut gelaufen für Metal Blade, wenn man bedenkt, dass wir von ihnen keinerlei Unterstützung erhalten haben, um das Album mit einer Tour zu promoten. Auch bei den Wertungen in den Soundchecks der Magazine hatte die Scheibe ziemlich gut abgeschnitten. Als Teil eines Neuanfangs von TORTURE KILLER wollten wir von Metal Blade loskommen und uns mit einem Label zusammentun, das etwas kleiner, aber auch bodenständiger ist - vorzugsweise eines aus unserem Heimatland Finnland. Das Label hat uns gut behandelt, aber Metal Blade ist halt eine Firma für größere Bands, die hauptberuflich Musik machen. Bei TORTURE KILLER ist dies nicht der Fall. Ich glaube, dass die Sorge der Firma eher der Frage galt, wie sich wohl das Nachfolgealbum von "Swarm!" verkaufen würde, nachdem einer der potenziellen Kaufanreize - Chris Barnes hinter dem Mikro - nicht länger vorhanden war. Deshalb denke ich, dass Metal Blade uns wahrscheinlich ohnehin gedroppt hätte. In Übereinkunft mit Chris kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir den Vertrag mit Metal Blade nicht mehr fortsetzen wollten und ich denke, dass alle Beteiligten mit dieser Entscheidung zufrieden sind. Ich kann nichts Negatives über Metal Blade sagen und besonders die Leute von MB in Europa waren arschcool.

_Martin:_
Für mich klingt "Sewers" wie eine Weiterentwicklung eures Stils, der "Swarm!" prägte. Ihr habt es geschafft, einige sehr eingängige und massive Death-Metal-Stücke zu schreiben. Wie würdest du die neue Scheibe mit "Swarm!" vergleichen?

_Jari:_
Danke, Mann! Es freut mich, dass du das so siehst. Der Hauptunterschied ist für mich natürlich der Gesang. Außerdem liegt vielleicht auch der Fokus bei der neuen Scheibe eher auf den etwas schnelleren Stücken anstelle der oft durch Double-Bass vorangetriebenen Lieder, die wir auf "Swarm!" hatten - wobei ich mit "schneller" natürlich diesen Begriff an unseren Standards messe. Ich persönlich sehe keine großartige Veränderung bei uns, aber es ist natürlich auch recht schwer, das einzuschätzen, wenn man noch mit dem Album befasst ist und infolgedessen auch etwas "betriebsblind" werden kann. Vom Stil her haben wir viele der Elemente früherer Veröffentlichungen einfließen lassen, ohne uns großartig zu verändern. So mögen wir unsere Musik und so wollen wir sie umsetzen.

_Martin:_
Das Einzige, was mich nicht so zufriedenstellt, ist der Fakt, dass die Spielzeit von "Sewers" mit nur knapp 30 Minuten verdammt kurz ist. Andere Bands hätten das Album womöglich zum Preis einer EP verkaufen lassen. Hattet ihr denn nicht weitere, kompositorisch starke Songs parat, um den Fans etwa mehr Metal zu liefern?

_Jari:_
Die starken Stücke sind alle auf dem Album gelandet. Ich bin der Auffassung, dass "erzwungen" geschriebene Bonusstücke keinen Mehrwert für das Album und den Hörer gebracht hätten. Mir persönlich sind Alben, die heutzutage erscheinen, von der Spielzeit hier viel zu lang, denn ich bevorzuge solide und kurze Alben und ich denke, dass eine Mini-CD für uns und auch andere Bands das perfekte Format darstelle würde. Ich ziehe es vor, richtig solide 20 Minuten an Songmaterial zu haben. Und heutzutage muss man diese 20 Minuten an guter Musik aus einem 55-minütigen Album herausziehen. Es hängt natürlich auch vom Stil ab, den man als Band hat, aber für diese Art von Musik, die wir machen, war es eine gute Entscheidung, ein Album mit 29 Minuten Spielzeit aufzunehmen. In Zukunft werden wir das wahrscheinlich weiterhin so handhaben. Es ist besser, seine ganze Energie auf gute Songs zu fokussieren, anstatt Zeit für Stücke zu verschwenden, bei denen man kein so gutes Gefühl hat.

_Martin:_
Kannst du uns mal bitte beschreiben, wie das Songwriting bei TORTURE KILLER vonstatten geht? Wer schreibt die Riffs? Nehmt ihr jeweils Demos auf oder arbeitet ihr gemeinsam an neuen Stücken?

_Jari:_
Ich schreibe den größten Teil der Musik und weite Teile der Texte. Diese Arbeitsweise funktioniert bei TORTURE KILLER am besten. Ich würde es sehr gerne sehen, dass meine Bandmitglieder mehr schreiben würden, aber irgendwie hat das die ganze Zeit eben so bei uns funktioniert. Als unser Bassist Kim in die Band kam und seine ersten Texte zu drei der neuen Stücke schrieb, da war mir das eine große Hilfe. Außerdem hat er einen großen Teil des Titelstücks 'Sewers' komponiert und - wie ich schon angedeutet habe - hoffe ich, dass er auch weiterhin mit guten Ideen ankommt.

Alle Bandmitgieder bei TORTURE KILLER haben eine unterschiedliche Art und Weise, wie sie Musik schreiben. Von daher ist es manchmal schwierig, diese Ideen miteinander zu kombinieren, weil einfach die Riffs teilweise recht unterschiedlich sind. Wenn jemand eine Songidee hat, dann möchten wir normalerweise, dass derjenige dann auch den Song komplett ausarbeitet. Andernfalls würde der Song wohl nicht so gut klingen. Und er muss nach TORTURE KILLER klingen. Ich selbst nehme zuhause Demos auf und ich spiele die Tapes dann den anderen Jungs vor. Sie können dann gerne Vorschläge machen und Anregungen, wenn wir das Stück üben. Meistens ist das Endergebnis recht nahe an dem dran, was wir im Demostadium, ohne den Gesang, aufgenommen haben. An den Gesangslinien versuchen wir übrigens alle mitzuarbeiten.

_Martin:_
Musikalisch seid ihr ja offensichtlich deutlich durch die Musik von OBITUARY, SIX FEET UNDER oder auch CATASTROPHIC geprägt. Welche Bands sind denn für TORTURE KILLER noch ein wichtiger Einfluss?

_Jari:_
Ich liebe alte Bands sehr, wie zum Beispiel DEICIDE, CANNIBAL CORPSE, PESTILENCE, ASPHYX, DEATH, NAPALM DEATH, MONSTROSITY - eine meiner absoluten Lieblingsbands, MISERY INDEX, DYING FETUS, MORGOTH, teilweise auch GOREFEST, die erste Scheibe von AMORPHIS, DEMIGOD, GODHATE und so weiter. Aber ich habe keine Ahnung, inwieweit man diese Einflüsse in unseren Songs wiederfinden kann. Ich denke, dass die Haupteinflüsse die drei Bands sind, die du nanntest.

_Martin:_
Sind TORTURE KILLER die am stärksten nach Death Metal amerikanischer Prägung klingende Band in Finnland? Was meinst du?

_Jari:_
Ja, vielleicht. Es gibt in Finnland eine Combo namens SOTAJUMALA, die etwa wie eine Kreuzung von MORBID ANGEL und HATE ETERNAL klingt. Von daher ist es schwierig, die am stärksten nach US-Death klingende Band in Finnland herauszupicken. Klassischer US-Death-Metal ist halt mein absolutes Lieblingsgenre, weshalb ich das überhaupt nicht als negativ ansehen würde, hehe.

_Martin:_
Hat denn Chris Barnes schon ein Exemplar von "Sewers" erhalten? Was meint er zu eurer neuen Scheibe? Steht ihr noch in Kontakt zu ihm?

_Jari:_
Ich habe ihm vor einer Woche ein Exemplar geschickt. Sollte er unser neues Album noch nicht haben, so wird er es sicher in Kürze bekommen. Ja, wir mailen ab und an miteinander, aber wir haben keinen allzu engen Kontakt zueinander, weil wir beide ziemlich beschäftigt sind mit unseren neuen Alben. Aber klar, es gibt für uns keinen Grund, nicht miteinander in Kontakt zu sein, um zu fragen, wie es ihm geht.

_Martin:_
In den letzten Jahren haben sich zunehmend Bands, die sich vor Jahren auflösten, reformiert, wie beispielsweise PESTILENCE, SUFFOCATION, IMMORTAL und viele mehr. Was hälst du im Allgemeinen von Reunions bei Bands, die teilweise vor fünfzehn Jahren aus der Szene verschwanden und nun einen Neuanfang wagen? So wie beispielsweise PESTILENCE? Wie gefallen dir die Reunion-Alben der genannten Formationen (abgesehen von IMMORTAL, die noch kein neues Studioalbum vorgelegt haben).

_Jari:_
Weißt du, ich habe mir das neue PESTILENCE-Album "Resurrection Macabre" gerade gekauft. Ich konnte dieser Verlockung nicht widerstehen, obwohl ihr letztes Album "Spheres" (1993) musikalisch ein Stück Scheiße war und ich große Zweifel hatte, ob das was wird. Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei diesem Album. Aber ich muss dir sagen, dass mir dieses Album sehr gefällt. Ich habe "Resurrection Macabre" zwar noch nicht lange, aber bei den ersten beiden Songs drücke ich immer die Repeat-Taste des CD-Spielers. Das Songwriting dieser älteren Bands hat einfach etwas besonderes. Ich mag diesen Stil sehr, denn diese Bands wissen, wie man richtig gute Songs schreibt - zum Beispiel SUFFOCATION - anstatt bloß sinnlos Riffs zu schreddern. Das aktuelle SUFFOCATION-Album klingt großartig, GOREFEST haben sich stark zurückgemeldet und auch die neue von ASPHYX wird zweifellos eine tolle Scheibe werden.

Die einzige Reunion, die zum Himmel stinkt, ist die von CARCASS. Schau dir doch nur die Videoclips an, die die bei YouTube hochgeladen haben. Du kannst dir anhand der Clips dann gut verstellen, warum niemand zu ihren Shows will. Aber wie hätten man ein Angebot von 80.000 € für eine Show auf dem Wacken Open Air ausschlagen können? Ich kenne keine Details über die Show auf dem WOA 2008, aber das ist eben die Summe, die in Gerüchten die Runde machte. Abgesehen von CARCASS finde ich, dass die Reunions, die ich erwähnt habe, alle ziemlich gut ausgefallen sind.

__Martin:_
Es gibt unglaublich viele Bands, natürlich auch im Death-Metal-Bereich, die niemals den Durchbruch geschafft haben und nie populär wurden. Hast du einige Genre-Scheiben dieser Art in deiner Sammlung, die du den Todesblei-Fans empfehlen würdest? Oder die du vielleicht persönlich als Underground-Klassiker bezeichnen würdest?

_Jari:_
Klar habe ich einige: MORDICUS - "Dances From Left", DEMIGOD - "Slumber Of Sullen Eyes", MONSTROSITY - "In Dark Purity", GODHATE - "Anguish". Ich und sicher auch du kennen wahrscheinlich diese Scheiben [bis auf MONSTROSITY muss ich passen - Anm. d. Verf.], aber keine dieser Bands hat jemals größere Aufmerksamkeit erhalten. [Da würde ich widersprechen. MONSTROSITY gehören eher zu den bekannteren Bands - Anm. d. Verf.].
Jeder kennt MORBID ANGEL, DEICIDE, CANNIBAL CORPSE und so weiter, selbst wenn man nicht Death-Metal-Fan ist. Aber die anfangs genannten Bands sind selbst etlichen Genre-Fans nicht wirklich geläufig.

_Martin:_
Ich habe nun eine Frage ganz anderer Art an dich. Die Zeit hier auf Erden ist für jeden Menschen begrenzt. Wenn die Zeit einmal soweit ist: Welches Stück soll bei deinem Begräbnis gespielt werden und weshalb?

_Jari:_
Wow, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich würde vielleicht 'Slowly We Rot' von OBITUARY nehmen. Das hätte doch etwas schwarzen Humor, oder? Hast du schon einmal die Version des NINE INCH NAILS-Stücks 'Hurt' in der Version von JOHNNY CASH gehört? Ich denke, dass dieser Song das nötige Potenzial für eine Beerdigung hätte. Ich bin mit den Sachen von JOHNNY CASH nicht allzu gut vertraut, aber dieses Stück ist echt gut. Nein, pfeif drauf: Es wäre 'Slowly We Rot'.

_Martin:_
Ihr werdet ja sehr bald mit FACEBREAKER und DEMONICAL in Europa auf Tour sein. Kennt ihr diese Bands recht gut? Was können die Fans von diesem Billing erwarten?

_Jari:_
Es ist so, dass wir die Mitglieder dieser Bands nicht so gut kennen, aber ich bin sicher, dass wir gut miteinander auskommen werden. Vor etlichen Jahren haben wir einmal eine Show mit FACEBREAKER gespielt in unserer Heimatstadt, aber ich weiß nicht mehr genau, ob wir uns damals mit ihnen unterhalten haben.
Leider werde ich auf dieser Europatour nicht mit dabei sein können, weil ab April mein Arbeitsturnus wieder beginnt, aber ich werde durch einen anderen Musiker ersetzt werden. Ich bin sicher, dass das eine schöne Tour werden wird. Schweden und Finnen sind sich hinsichtlich ihrer Mentalität recht ähnlich und von daher wird es da keine Probleme geben, miteinander gut auzukommen.

_Martin:_
Ja, das war's von meiner Seite aus. Danke für dieses Interview und ich wünsche euch alles Gute für die anstehende Tour. Willst du noch eine kurze Botschaft an die Fans und die Leser von POWERMETAL.de richten?

_Jari:_
Herzlichen Dank für dieses Interview. Ich hoffe, dass so viele wie möglich von euch eine der Shows von TORTURE KILLER in Deutschland im Mai besuchen werden!

Redakteur:
Martin Loga

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