TYR: Interview mit Heri Joensen
06.11.2006 | 22:58Viking Metal erfreut sich großer Beliebtheit. Da trifft es sich sehr gut, dass es TYR von den Faröer Inseln nach zwei grandiosen Scheiben in Eigenregie nun endlich gelungen ist, für "Ragnarök" mit Napalm Records einen vernünftigen Partner zu finden. Die Tourneen mit den APOKALYPTISCHEN REITERn und AMON AMARTH werden ihr nötiges dazu tun, um TYR populärer zu machen. Und genau das freut mich für die sympathische Truppe, die schon anno 2004 auf dem gemütlichen Headbangers Open Air mächtig für Stimmung gesorgt hat. Die logische Schlussfolgerung aus dieser Euphorie: genau, ein Interview mit Sänger/Gitarrist Heri Joensen.
Holger:
Nachdem ihr "How Far To Asgaard" und "Eric The Red" zuerst über kleinste Regionalvertriebe verkauft habt, seid ihr nun bei Napalm Records gelandet. Wie ist der Kontakt entstanden?
Heri:
Ich denke, sie haben von uns über das Intromental Management in Kopenhagen gehört. Ursprünglich hatten wir versucht einen direkten Vertrag mit den Dänen zu bekommen, was aber nicht klappte. Da Intromental nicht direkt mit uns zusammen arbeiten wollten, stellten sie den Kontakt zu Napalm Records her. Wir können Claus Jensen gar nicht oft genug danken, da er uns obendrein noch die Verbindung zum Jacob Hansen-Studio ermöglichte.
Holger:
Gab es denn auch noch Angebote von anderen Labels?
Heri:
Es gab ein paar Angebote, aber nachdem uns Napalm Records einen Deal anboten, den wir nicht ablehnen konnten...
Holger:
Verstehe. Wie kam es zu der Entscheidung "Eric The Red" als Re-Release zu bringen und wer hat die darauf enthaltenen Bonustracks ausgewählt?
Heri:
Diese Entscheidung kam von Napalm. Sie wollten auch die beiden Bonusnummern, um das Ganze attraktiver zu gestalten. Diese Titel stammen von einem Demo aus dem Jahr 2000, welches bisher nicht offiziell erhältlich war. Somit ist dies die einzige Möglichkeit für unsere Fans diese Versionen zu hören.
Holger:
Lass uns mal ein bisschen in die Vergangenheit schweifen. Was waren deine Ziele und Träume, die du mit TYR erreichen wolltest?
Heri:
Ich persönlich hatte damals schon die Entscheidung gefällt, professioneller Musiker zu werden. Also wollten wir von Beginn nichts anderes als ein international anerkannter Name zu werden und an der Spitze des Heavy Metals zu stehen. Es gab Momente, in denen es nicht ganz leicht war, den Glauben daran zu behalten, aber nun stehen die Zeichen für uns auf Sturm.
Holger:
Es sieht zumindest zurzeit ganz danach aus. Habt ihr in der Vergangenheit gespürt, dass es aufgrund eurer Herkunft einen "Exoten-Bonus" für euch gab?
Heri:
Ja. Viele Leute hatten vorher noch nie etwas von den Faröer Inseln gehört. Außerdem gibt es momentan einen Trend für skandinavischen Metal und Wikinger-Themen, was natürlich ebenfalls gut für uns ist.
Holger:
Darauf wollte ich nachher noch zu sprechen kommen. Ihr werdet von Napalm Records gerne in die Viking-Metal-Schublade verfrachtet, obwohl ihr doch komplett anders als AMON AMARTH, FINNTROLL oder KORPIKLAANI klingt. Fühlt ihr euch wohl mit dieser Beschreibung?
Heri:
Für mich ist das völlig in Ordnung. Wenn man an unseren Ursprung denkt, ist das wohl auch die Definition, die uns am ehesten gerecht wird. Außerdem hat Viking Metal sehr viel mit der Einstellung und den daraus resultierenden Texten und Idealen zu tun. Wenn also AMON AMARTH mit uns leben können, wir können es bestimmt. ;)
Holger:
Gut zu hören, immerhin seid ihr ja bald zusammen auf Tour. Zurück zu den Alben. Ich besitze eine russische Version von "How Far To Asgaard", die als Bonus noch den Videoclip von 'Hail To The Hammer' beinhaltet. Kannst du unseren Lesern ein bisschen mehr zu dem Video erzählen?
Heri:
Nanu? Diese Version ist mir gar nicht bekannt. Wo hast du die denn her? Egal. Das Video wurde im Sommer 2002 auf den Faröer Inseln gedreht, wo es einige sehr spezielle Orte wie die St. Magnus Kathedrale gibt. Die ist über 900 Jahre alt und ist natürlich wie geschaffen für einen Clip von uns. Mir gefallen vor allem die schönen Aufnahmen vom Helikopter aus sehr gut. Übrigens war das das letzte Mal, dass unser alter Sänger Pól Arni mit uns aufgetreten ist. Wenn man das weiß, ist es umso amüsanter, dass man im allerletzten Teil des Videos bereits die aktuelle Besetzung sehen kann.
Holger:
Nach "How Far To Asgaard" erschien dann "Eric The Red", mit dem ihr erstmals etwas Aufsehen außerhalb eurer Heimat erregen konntet. Erinnerst du dich an das Gefühl, plötzlich überregional positive Resonanzen zu erhalten?
Heri:
Klar, erinnere ich mich daran! Es war ein tolles Gefühl! Nachdem wir uns fünf Jahre lang den Arsch aufgerissen hatten, kam nun endlich etwas zurück. Wir erhielten eine gewisse Popularität im Underground und der erste Kontakt zu Napalm Records entstand. Obendrein gewannen wir den Preis "bestverkauftes einheimisches Album" auf den Inseln.
Holger:
Gutes Stichwort: Wie viele Alben muss man denn bei euch für diese Auszeichnung verkaufen und wie muss man sich die Musikszene bei euch vorstellen?
Heri:
Ich habe keine exakten Verkaufszahlen, aber es sind ca. 10.000 Einheiten. Du wirst es kaum glauben, aber es gibt bei uns eine sehr aktive Szene, in der wir allerdings die einzige Viking-Band sind. Hinzu kommt, dass außer TYR keine andere Kapelle einen internationalen Plattendeal hat. Wer Interesse hat, sollt folgende Bands antesten:
MAKREL
SIDE EFFEKT
SYNARCHY
Holger:
Kommen wir einmal auf das Headbangers Open Air zu sprechen, auf dem ihr im Jahr 2004 aufgetreten seid. Wie ist denn der Kontakt zustande gekommen?
Heri:
Jürgen Hegewald von Hellion Records hatte uns nach den erfolgreichen Verkäufen von "Eric The Red" kontaktiert. Wir hatten vorher selbst schon diverse Festivals angeschrieben und versucht, sogar noch eine Tour hinten dran zu hängen, was aber alles nicht so recht klappen wollte. Ich bin so froh, dass wir jetzt L!sten Up Management haben, die uns solche Aufgaben erfolgreich abnehmen.
Holger:
Kann ich mir vorstellen. War das überhaupt euer erster Auftritt in Deutschland? Was hattet ihr erwartet? Wurden diese Erwartungen erfüllt?
Heri:
Ja, das war unser allererster Auftritt in Deutschland. Ich hatte ein streng durchorganisiertes Festival erwartet, da die Deutschen bekannt sind für ihre Effizienz und ihre Professionalität und genau das haben wir auch vorgefunden. Was uns hingegen völlig überrascht hat, war diese immense Ansammlung von Metalfans (ich glaube, die Jungs müssen mal in Wacken spielen - d. Verf.). Bei uns kommt immer eine bunte Mischung an Leuten zu unseren Konzerten. So viele Metalfans wie auf dem HOA leben auf den gesamten Faröer Inseln nicht.
Holger:
Nicht wenige waren von eurem sehr unmetallischen Outfit bei dem Auftritt überrascht. Steckte dahinter vielleicht sogar eine Absicht?
Heri:
Nein, das war völlig unbeabsichtigt. Damals hatten wir unsere Identität noch nicht so ganz gefunden und testeten noch mit Image und Outfit herum. In letzter Zeit hat sich das aber krass geändert, da wir sehr viel an unserer Livepräsentation gearbeitet haben.
Holger:
Kann ich nach dem Eindruck als Support von den REITERN sofort unterschreiben. Aber zurück zur Musik: Wusstet ihr, dass es eine deutsche Version von 'The Wild Rover' namens 'An der Nordseeküste' gibt, die als Schunkel-Mitsing-Hymne gilt?
Heri:
Ja, davon hatten wir gehört. Allerdings scheinen diese Version die jungen Leute in Deutschland nicht so gut zu kennen wie die älteren. Das war natürlich sehr zu unserem Vorteil, da so alle unsere Version sofort mitsingen konnten und wollten.
Holger:
Wir hatten eben schon über die Viking-Schublade gesprochen. Da ich kein großer Freund von Schubladen bin, frage ich mal, wie du denn selbst eure Musik jemandem beschreiben würdest, der noch keinen Ton von TYR gehört hat?
Heri:
Progressiver Folk-Viking-Metal, der von den faröerischen und skandinavischen Traditionen beeinflusst ist, mit Dramatik und in klassischer Art arrangiert wird und von spannenden, nordischen Texten begleitet wird. (lacht) Häufig hören wir aber, dass wir einen ziemlich eigenen Stil kreiert haben und dass es kaum eine vergleichbare Band gibt. So etwas freut uns natürlich, heißt für den unwissenden Hörer aber leider, dass er sich ein Album von uns kaufen muss, um zu erfahren, wie wir klingen.
Holger:
Auch ich muss nun mal in dieses Horn tuten und kann euch nur bestätigen, dass ihr sehr eigenständig klingt. Wie habt ich diesen individuellen, sehr dynamischen Sound erschaffen, der mich immer wieder an ein Orchester erinnert?
Heri:
Darüber habe ich noch nie nachgedacht, da wir immer aus dem Bauch heraus komponieren. Es ist halt unsere Art des Arrangierens, die diesen Sound entstehen lässt.
Holger:
Ich mag es sehr, dass ihr neben Englisch auch noch in Dänisch und Faröer singt. Werdet ihr mit dieser Tradition fortfahren oder habt ihr Angst, dass zu viele Hörer die Texte dann nicht verstehen?
Heri:
Ich bin mir sicher, dass es viele Fans abschrecken würde, wenn wir nur noch in unserer Landessprache singen würden. Auf der anderen Seite würden wir deutlich an Authentizität verlieren, wenn wir plötzlich nur noch in Englisch singen würden. Also wird es wohl auch in Zukunft mehrsprachig bleiben.
Holger:
Sehr schön. Ihr wart auf Tour mit den APOKALYPTISCHEN REITERN und HÄMATOM. Erzähl doch mal davon.
Heri:
Es war eine tolle Erfahrung für uns. Alles nette Leute und ein denkwürdiger Monat für uns alle. Es war ja unsere erste richtige Tour überhaupt und es war total großartig. Mehr Spaß kann man sich gar nicht wünschen.
Holger:
Ich habe euch in Hamburg gesehen und war total begeistert. Aber beim nächsten Mal bitte die Jungs von HÄMATOM von der Bühne schmeißen, wenn sie wieder in Hasen-Kostümen zu 'The Wild Rover' herum kasperln.
Heri:
Vielen Dank. Es ist aber weder meine Art, noch bin ich in der Position jemanden von der Bühne zu schmeißen. Aber glaube mir, die Jungs von HÄMATOM sind total nette Jungs.
Holger:
Lass uns aber mal über das neue Album sprechen. Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich bei dem, in acht Kapitel unterteilten Album, um ein Konzeptwerk handelt?
Heri:
Es gibt eine Art Konzept mit dem offensichtlichen Hauptthema Ragnarök. Ich habe dabei mein besonderes Augenmerk auf den Konflikt zwischen Odin und Loki gerichtet. Die kurzen Instrumentalsongs zwischendurch gehörten übrigens ursprünglich zu den Gesangsnummern, mit denen sie ein Chapter bilden. Um die Nummern zu straffen, habe ich diese Passagen als Extras heraus extrahiert. Wem diese instrumentalen Teile zu langatmig sind, kann sie so einfach überspringen und direkt zum Hauptsong gelangen. Das macht unser Album ja auch so benutzerfreundlich. (lacht) Allerdings rate ich davon ab, "Ragnarök" mit dem Zufalls-Generator zu hören, da so der inhaltliche rote Faden zerrissen wird.
Holger:
Vielleicht magst du noch etwas detaillierter auf die Story eingehen?
Heri:
Die Geschichte wird damit eingeleitet, dass Thor seinen Hammer Mjølnir erhält. Baldur wird durch den Verrat von Loki von seinem Bruder Høður ermordet. Frigg, Baldurs Mutter, versucht ihn erneut zum Leben zu erwecken, was aber von Loki verhindert wird. Die Götter decken Lokis Verrat auf, woraufhin er in die Berge flüchtet. Dort wird er aber von den Göttern gestellt und in einer Höhle angekettet. Allerdings gelingt ihm die Flucht und er verbündet sich mit den Mächten des Chaos und setzt der Welt ein Ende.
Holger:
Anderes Thema: Da drei von euch Gesangspassagen übernehmen, wird es doppelt hart für euch, falls einmal Wechsel in der Besetzung anstehen würden, oder?
Heri:
Völlig richtig. Deshalb wird es so etwas auch niemals nicht geben. (lacht)
Holger:
Sehr schön. Welche Art von Musik inspiriert dich eigentlich?
Heri:
Britischer und progressiver Metal, sowie heimatliche Folklore, Klassik und sogar etwas Jazz.
Holger:
Jetzt knalle ich dir ein paar Alben an den Kopf, die mir beim Hören eurer Musik in den Sinn gekommen sind: THIN LIZZY – "Black Rose", MANOWAR – "Into Glory Ride", DOOMSWORD - "Resound The Horn", ANGEL WITCH – "Angel Witch", CANDLEMASS – "Epicus Doomicus Metalicus", MANILLA ROAD – "The Delugue" und CULPRIT – "Guilty As Charged".
Heri:
THIN LIZZY und MANOWAR kann ich klar als Einfluss abnicken, aber die anderen Bands kenne ich nicht (??? - d. Verf.)
Holger:
Was erwartet uns in Zukunft von TYR?
Heri:
Wir werden im nächsten Sommer auf diversen Festivals in Europa spielen. Außerdem planen wir innerhalb eines Jahres ein weiteres großartiges Album einzuspielen.
Holger:
Konkrete Aussichten also. Anyway, ich bedanke mich für deine Zeit und die Musik, mit der du uns erfreust.
Heri:
Das mache ich doch gerne!
- Redakteur:
- Holger Andrae