Throatgrind Magazine: Nach 35 Jahren erschien nun Issue #2
12.09.2025 | 14:30Ralf Burkart und Jochen Böllath übergeben der Metalwelt Ausgabe 2 ihres limitierten Magazins. Mit viel Liebe zum Detail, Untergrundkenntnis und zombiebedrohtem Herzblut ergibt sich so ein toll zu lesendes und gut zu konsumierendes Szeneschätzchen.
Seit Juli 2025 lungert auf diesem Titelblatt der Aufkleber "Issue #2" oben rechts herum und neben der Ausgabennummer zerrt und zehrt ein hässlicher Untoter an irgendeinem Gewebe herum. Darunter zerfließt in einem handgezeichneten Gewirr hunderter Verästelungen und Verzweigungen ein schlechtgelauntes Metalkid im akribisch gezeichneten Coverbild von Jonathan La Mantia.
Und mittig, ganz den Regeln einer analog-medialen Welt folgend der Titel: THROATGRIND MAGAZINE. Since 1988. Und Moment mal: Issue #2? Richtig gelesen. Das ist die zweite Ausgabe eines Selfmade-Papier-Magazinchens, welches von Ralf Burkart und Jochen Böllath nach 1988/89 zum zweiten Mal im Frühsommer dieses Jahres 2025 erscheinen durfte. Die beiden Verfasser motivieren sich so: "Jetzt, 36 Jahre später, hatten wir nochmal Bock, das Magazin aufleben zu lassen. Zum einen, weil uns wieder danach war, über die Musik, die wir lieben zu schreiben, zum anderen, weil es unheimlich entschleunigt, in einer Zeit, in der sich Menschen nicht mehr als 8 Sekunden am Stück konzentrieren können."
Da haben sie recht und man nimmt es ihnen ab. Vor allem, wenn man selbst in einem Medium schreibt, dessen Veröffentlichungen nur einen kurzkleinen Druck auf die ENTER-Taste entfernt sind. Wir üben den Zusammenschluss der Szenemedien - yeah - und auch das TM verweist unter seinen Artikeln in die digitale Welt der Social Media-Kanäle und offiziellen Webseiten der Musiker und Bands.
Trotzdem: D.I.Y. Im wahrsten Sinne des Wortes. 52 Seiten in A5. Handgetippt, hervorragend layoutet und mit ruhiger Hand in unruhige Formen gestanzt, lesen sich die Artikel und Kritiken beim Vor- und Zurückblättern flüssig weg. Diese Wertvolligkeit aus den vier fachkundigen Händen zweier Freunde und Fans ist angefüllt mit Gesprächen und Interviews. Sie redeten mit den Granden und Hauptbeeinflussern der eigenen musikalischen Sozialisation, die sich ab der Mitte der achtziger Jahre sehr zu extremeren Formen des Metals hingezogen fühlten.
Viele Fragen zielen auf die Erinnerungen von Andy Classen, Dan Swanö, Martin Schirenc, Wolf J. oder Marc Grewe ab, die diese Größen der Szene hier gern preisgeben. Die Musiker geben bereitwillig Auskünfte über Bandbeginne, Zusammenhänge, erste Versuche, schweres und leichtes Berühmtwerden und auch Rückschläge. Ist man vom Zombieheft angefressen, hat es einen schnell hineingesaugt und man folgt mit steigender Lust all den Anekdötchen und Geschichten. Für Genrekenner und Beginner sind diese Gespräche von großem Wert, denn beleuchten sie neben den Anfängen in den Achtzigern und den frühen Neunzigern, wie sich die Teile dieser Musikwelt aus dem Untergrund heraus durchaus in Richtung der Majorlabels wandeln konnten und dort nicht immer spannende Wege einschlugen. Man erinnere sich nur an die Schwemme von Bands der schwedischen Death-Metal-Szene, die fast wöchentlich neue Alben herausspuckte.
Die Zeit nach 1990 bildet mehrmals Schwerpunkte in den Gesprächen, weil Ralf Burkart und Jochen Böllath selbst in ersten musikalischen Versuchen und Bandprojekten mitmischten und damit über eine große Szenekundigkeit verfügen können. Zum Teil mit erstaunlich guten Erinnerungen an Konzerte, Alben und deren Wirkungen oder auch Konflikte, die sich damals anbahnten oder bereits zeigten.
Inhaltlich vorzugreifen ist nicht Sinn dieser Vorstellung hier, aber die eine oder andere Story ist schon bemerkenswert: So beschreibt Andy Classen sehr bildhaft, wie die allererste deutsch-deutsche Metalmusiktour mit den Erfurtern von BLITZZ angebahnt und durchgeführt wurde, was HOLY MOSES aus Aachen einen sehr großen Popularitätsschub verschaffen sollte.
Martin Schirenc von PUNGENT STENCH, der heute noch immer mit den Songs der ehemals sehr einflussreichen Klagenfurter auf Tour ist, erzählt, wie desaströs die geplante Tour mit TYPE O NEGATIVE verlief, weil "'tolerant' moralists" diese zu verhindern verstanden.
35 Jahre, nachdem die TM-Macher das erste Tape der Grinder von AGATHOCLES in den noch untätowierten Händen drehten, dürfen sie Bandmitglied Jan eine seit Jahrzehten brennende Frage stellen, wie viele Veröffentlichungen eigentlich zu Buche stehen: "I don't know how many releases AGATHOCLES has done and I am not counting them. And I don't have all AGATHOCLES releases myself."
So weit, so Grind. And creativity and output and D.I.Y. Wie zu bemerken ist, ist die Sprache des THROATGRIND MAGAZINE durchgängig englisch. Die Sprache und der Stil sind sehr gut lesbar und auch spannend gehalten, was ein großer Vorteil ist, auch englischsprachiges Publikum für das Heft zu begeistern.
Laut Briefkopf-Info sind bisher 444 Exemplare in der ersten Auflage erschienen. Die teilnehmenden Bands und Musiker haben großteils selbst Bilder und Graphiken zur Bebilderung der Textstrecken beigetragen, was für die verbindende Freundschaftlichkeit und den Zusammenhalt der Szene zu werten ist.
Einen weiteren großen Anteil haben neben der Schau auf die Veteranen der Extremmusik auch die Verweise auf jüngere Bands, die zum Teil in Interviews (DESERTED FEAR) oder im Noise Check auf den Seiten 20–25 mit ihren Alben und EPs besprochen werden. Hauptsächlich haben sich die beiden Throatgrinder vor allem daran versucht, der immer noch sehr lebendigen Kultur des Death Metal, Grindcore, Doom und auch Crust Punks eine weitere Stimme und Medium zu verschaffen. Jeder Seite merkt man das Herzblut an, was hier investiert wurde, über und vor allem mit Bands zu reden, die Blut, Eingeweide, Tod, Zerstörung – kurz, den Wahnsinn und das täglich zerstörerische allzumenschliche Tun in ihren Texten und der extremen musikalischen Form des Ausdrucks gefunden haben.
Man erinnere sich an die aufwühlende Zeit Anfang der Neunziger: Der Punk selbst begann sich ständig zu wiederholen, Grunge wurde von der Musikindustrie von Anfang an vereinnahmt und fremdgenährt. Glamouröse Heavy-Metal-Bands hatten mehr mit ihrer Einkleidung als mit den Konzert-Auftritten selbst zu tun. Sie kamen mehr und mehr in überteuren Videos und Superlativen als im künstlerisch spannenden Ausdruck an, und überhaupt wurde Gitarrenmusik mal wieder vom Techno oder Hip Hop und Mechanismen des visuell mächtigen Musikfernsehens bedrängt und in den Hintergrund geschoben.
So bildete sich z.B. auch im Osten Deutschland schnell eine wachsende Szene extrem schneller und brutalerer Musik: Hardcore, Grindcore, Core Metal, Black Metal, Death Metal wurden von einer Vielzahl junger Menschen als Ausdruck von Orientierungslosigkeit, Selbstaneignung oder als Chance seelisch-körperlicher Eruptionen genutzt. Und es kam zur ständigen Weitervernetzung der Szenen: Österreicher tourten mit Slowenen und Italienern, japanische Grinder trafen auf indonesische Cruster in kleinen Provinzclubs in ganz Westeuropa, die Vielzahl an kleinen Labels und Verlagen begleitete die Verfestigung der wachsenden Szenen.
Diesem Wachsen und Sichfinden verdanken auch die beiden Autoren und Erfinder dieses kleinen Szeneschatzes all ihre Veröffentlichungen und Erinnerungen, die von beiden wie bei so vielen wie kleine Schätze gehütet werden. Wer kennt es nicht: ab und zu auf dem Dachboden, im Schrank oder im Keller in den Erinnerungen kramen, geronnene Blutstropfen und verdunkelte Schweiß- und Bierflecken von den Deckeln und Covern wischen und belächeln: sich an dem Stoff erfreuen, der damals wie heute aus den Boxen herniederprasselt.
Was liegt da näher, als all die Geschichten, diese wichtigen Stücke von Musikgeschichte freudig auf Papier festzuhalten.
Das Ganze kommt zu Euch in liebevoll gestaltetem Postbotinnenschrecklayout, beinhaltet neben dem Heft auch ein beiliegendes Miniposter des THROATGRIND MAGAZINE. Es wurde vom Posterexperten Adam Birch erschaffen, der unter dem Namen IZMA veröffentlicht. Zudem erreichen Euch diverse Sticker und Patches, um die Existenz von Issue #2 der weiteren Welt zu verkünden.
Gewünscht ist von unserer Seite ein Nachdruck. Und das mit Nachdruck!
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Und hier noch einmal in Kürze, was in Issue #2 des THROATGRIND MAGAZINE aus dem Jahre 2025 zu finden ist:
> Teilnehmende Personen und Bands: HOLY MOSES/ SCHIRENC PLAYS PUNGENT STENCH/ KONVOLTED/ TEETH OF LAMB/ MARC GREWE (ASHINHELL & MORGOTH) / MARTIN MISSY (PROTECTOR)/ DAN SWANÖ (EDGE OF SANITY) / ANIALATOR/ AGATHOCLES/ THE ACCÜSED/ DESERTED FEAR (teilweise mit Diskographien im Überblick)
Noise Check auf 6 Seiten mit Besprechungen von Alben von KILL THE LORD, MERCILESS, PERTICA, KARLA KVLT, SLEDGEHAMMER GUILLOTINE und vielen mehr.
Erreichbar unter:
https://www.facebook.com/throatgrind/
oder
https://www.instagram.com/throatgrind/
oder
https://daredevilrecords.bandcamp.com/merch/throatgrind-2-death-grind-metal-fanzine-2025
Herausgeber des THROATGRIND MAGAZINE sind Ralf Burkart und Jochen Böllath.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben