Till Burgwächter packt aus: Last X-mas

25.01.2009 | 17:56

Till Burgwächter schreibt über die Schattenwelt des Heavy Metal. Vollmundiger als Joey DeMaio, großkotziger als Ted Nugent und so erschreckend belanglos wie die letzten Alben von ICED EARTH. Exklusiv bei POWERMETAL.de.

Vorsicht: Dieser Text könnte bei Bartträgern mit dicken Säcken auf dem Rücken für Schüttelfrost sorgen!

Die ersten Wochen eines Jahres sind grundsätzlich grau und trüb. Der Glanz der fettigen Weihnachtsgans ist erloschen, der Torso des eigenen Weihnachtsbaums liegt bei den Nachbarn im Garten und die Verbrennungen der Silvesterböllerei sind verheilt. Alles geht wieder seinen gewohnt langweiligen Gang. Und während man vergeblich versucht, die restlichen Tannennadeln aus dem Teppich zu saugen, zieht das unterforderte Hirn ganz automatisch eine Geschenkebilanz: Wie viel sauer verdiente Kohle wurde aus dem Fenster geworfen, und was hat man dafür bekommen? Oma Erna: eine Stützstrumpfhose gegen zwei Paar Socken. Onkel Wilfried (die alte Sau): ein Jahresabo der "Praline" gegen ein Jahresabo vom "Kicker". Tante Bine: eine Leselupe aus dem Discounter gegen drei Boxershorts mit Snoopy-Aufdruck usw. Natürlich ist diese Art des Aufrechnens unschicklich und zudem nicht exakt, denn mindestens genauso schlimm wie der Abfluss monetärer Mittel ist die Beschaffung des bunt umwickelten Krempels. Der gemeine Einkäufer drückt sich plötzlich in Geschäften herum, die er das Jahr über nicht einmal bemerkt, wird von Menschen angerempelt, die er niemals hatte treffen wollen, und begegnet pampigen Verkäuferinnen, deren künstliche Fingernägel so aussehen, als wäre ein dreijähriges Kind mit Uhu an den Griffeln im Liebesperlenwunderland Amok gelaufen.

Tragisch, aber nicht zu ändern. Denn auch wenn es einige Kreationisten vielleicht anders sehen mögen: Der Weihnachtsmann existiert nicht. Zumindest nicht im realen Leben, weshalb ein jeder seinen Kadaver in die Innenstadt schleppen muss. Für die gewünschten Präsente hingegen wird eine umfangreiche Liste auf dem PC erstellt, graphisch verschönert, ausgedruckt und an die buckelige Verwandtschaft verteilt. Erfahrungen zeigen, dass zu üppig dimensionierte Wünsche (Porsche Turbo, Zweifamilienhaus, Mikrowelle aus Massivgold) zu vollständigen Geschenkembargos führen. Auf der anderen Seite ist der auf der Liste in dezentem knallrot eingefügte Hinweis, bitte wirklich nur Dinge unter den Baum zu legen, die auf der Liste stehen oder ansonsten den Gegenwert in bar auszuzahlen, ebenso sinnlos. Denn wenn sich Mama in den Kopf gesetzt hat, dass der Ü30-Nachwuchs dringend neue Unterwäsche benötigt, dann interessiert es sie nicht die Bohne, wenn auf der Liste ausschließlich DVDs von AC/DC, IRON MAIDEN und SLAYER stehen. "Ach Jungchen, du hast doch genug von dem Krach im Schrank stehen. Und wenn es draußen kalt ist, wärmen dich diese ABCD auch nicht."

Das ist natürlich Ansichtssache, denn echte Wärme kommt aus dem Herzen. Und da lange Unterhosen in der Regel nicht dazu angetan sind, ein Freudenfeuer in der köpereigenen Pumpe hervorzurufen, wäre der neueste Silberling der Australier doch keine so schlechte Wahl gewesen. Noch schlimmer wird es allerdings, wenn die Altvorderen die extra angefertigte Liste zu Hause liegen lassen, in die City schleichen und vor dem entsetzten Verkäufer des Elektronikmarktes versuchen, einzelne Wunschposten zu rekonstruieren. "Also, mein Enkel wünscht sich einen Tonträger von so einer Band, die alle aussehen wie ungepflegte Mädchen. Ich glaube, die hießen MASCHIENHÄTT O' CONNAR oder so ähnlich." Da das heutige "Fachpersonal" in Musikabteilungen nicht mal Semino Rossi von Ross The Boss unterscheiden kann, endet der Einkauf zwangsläufig in einer Katastrophe, die am Weihnachtsabend ihren Höhepunkt findet. Statt in Plastik gestanzte Götterhymnen kommt eine CD-Rom mit interaktiven Bildungsprogrammen zum Vorschein. "Koreanisch für Fortgeschrittene" oder irgend so ein Gelumpe. Eigentlich müsste man kommentarlos seinen PC ins Wohnzimmer schleifen und die versammelte Sippe noch vor dem Baum dazu zwingen, das dämliche Programm komplett durchzuarbeiten. Stattdessen notiert der desillusionierte Musikfan im Hinterkopf, dass es nächstes Weihnachten für Oma keine Stützstrümpfe gibt, sondern eine neue Brille und ein Energetikum zur Vitalisierung des Geistes. Ach, am besten man macht sich gleich 'ne Liste.

Redakteur:
Till Burgwächter

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