UMBRA ET IMAGO: Interview mit Mozart

07.07.2010 | 21:03

Mit "Opus Magnus" erschien dieser Tage das neue Studioalbum von UMBRA ET IMAGO. Schon eine ganze Weile vorher hatte die Band angekündigt, dass es das letzte Album werden soll. Warum sie sich so kurz vor dem 20-jährigen Bestehen dazu entschlossen haben und was das neue Werk so alles parat hält, das verrät uns Sänger und Bandchef MOZART.

Swen Reuter:
Mittlerweile dürfte es der Szene-Gänger ja mitbekommen haben, dass "Opus Magnus" das letzte Studioalbum von UMBRA ET IMAGO sein wird und sich die Band NICHT auflöst. Vielleicht kannst du ja anfangs ein paar Worte sagen, wieso ihr euch zu diesem Schritt entschlossen habt - so kurz vor dem 20-jährigen Jubiläum?

Mozart:
Da wir ja Label und Band im Verbund sind, müssen wir unsere Arbeit auch selbst finanzieren. Das ist nun ein sehr teures Hobby geworden. Wir wissen schon jetzt, wenn kein Wunder passiert - wir glauben aber nicht an Wunder -, dass wir, auch wenn im fünfstelligen Bereich verkauft wird, "OPUS MAGNUS" bereits jetzt ein Verlustgeschäft sein wird. Deshalb wollen wir in Zukunft neue Wege beschreiten, um uns eine Veröffentlichung auch leisten zu können. Wir wissen derzeit noch nicht, was wir in Zukunft machen werden. Für unser 20-jähriges Bestehen planen wir eine Live-DVD mit neuem Material, das hilft uns und auch unseren Hörern die Zeit der Ratlosigkeit zu überbrücken. Wir machen das nicht gerne, denn ein Album ist in unseren Augen auch ein Gesamtkunstwerk, aber da wir in einem kapitalistischen System leben, sind wir von kapitalistischen Mechanismen abhängig. Derzeit plagen uns aber veraltete Strukturen (ohne neues Album keine Tour), die sich mit den neuen Mechanismen (die Problematik des Werteverfalls der Musik in den neuen Medien) verbinden. Das muss eine Band, die an der Peripherie der Gesellschaft existieren muss, erst einmal verkraften.

Swen:
Wenn ich richtig liege, bedeutet der Albumname soviel wie das bedeutendste Werk eines Künstlers. Ist das korrekt und wieso habt ihr euch dafür entschieden?

Mozart:
Ja, es bedeutet "Großes Werk". Also eigentlich müsste es korrekterweise "Opus Magnum" heißen, aber das war uns zu "langneselastig". Deshalb haben wir uns entschlossen, es "OPUS MAGNUS" zu nennen. Grammatikalisch nicht richtig, aber in unseren Ohren klingt das viel schöner…

Swen:
Wenn du das neue Album in ein paar Worten beschreiben müsstest: Wie würdest du es jemandem erklären?

Mozart:
Gesellschaftskritisch, inhaltlich hochwertig. Das Saturn Magazin hat es sinngemäß so ausgedrückt: "Wem UNHEILIG zu kitschig ist und RAMMSTEIN zu martialisch, für den ist UMBRA ET IMAGO genau das Richtige." Das kann man so stehen lassen finde ich.

Swen:
Im Vergleich zu den Vorgängeralben - in welchen Bereichen siehst du eine direkte Weiterentwicklung oder innovative Veränderung? Oder seid ihr euch einfach treu geblieben?

Mozart:
Wir haben den roten Faden, der UMBRA ET IMAGO ausmacht, beibehalten und uns musikalisch weiterentwickelt. Wir haben das Album nach allen Regeln der uns zur Verfügung stehenden Kunst produziert. Wir haben uns Mühe gegeben, dass wir dem Titel auch gerecht werden. Das scheint uns gelungen zu sein, was die Beurteilung der Rezensenten betrifft.

Swen:
Im Mai erschien vorab als Single 'Ohne Dich'. Wie waren die Reaktionen bislang darauf?

Mozart:
Dieser Song scheint viele Menschen zu berühren. Ich glaube, es gibt eine Sehnsucht nach Werten in der Gesellschaft und die Keimzelle der Gesellschaft ist das Verhältnis zum Partner im Leben. Eine zufriedenstellende Partnerschaft gibt uns Mut und Glück in diesem oberflächlichen Leben, das uns glauben lassen will, dass Wachstum und Shopping alles ist, was man erstreben kann. Das ist aber ein falscher Ansatz, ein falsches Heilsversprechen, wie nun schon die Dümmsten mitbekommen haben. Dagegen haben wir einen Song gesetzt, der etwas anderes verkündet. Gerade UMBRA ET IMAGO hat man so etwas nicht zugetraut. Das Lied besticht dadurch, finde ich persönlich, dass es am Kitsch vorbeirauscht und trotzdem Emotionen beinhaltet. Das ist eine kleine Erklärung, warum die Single so erfolgreich ist. Also erfolgreich in den Grenzen, in denen wir uns als Gothic-Künstler, die keinen Major im Rücken haben, bewegen.

Swen:
Das Stück hat eine gewisse Affinität zu 'Ohne Dich' von RAMMSTEIN. Auch 'Perfect Baby' anfangs inhaltlich an deren Song 'Mutter'. Zufall oder Absicht?

Mozart:
Also, ersteres kann ich nicht sehen, bei zweiterem würde ich sagen, dass wir natürlich in diesem Genre arbeiten, aber textlich weit weg von RAMMSTEIN sind. Diese RAMMSTEIN-Variante wird uns oft vor die Füße gelegt, aber wir dürfen darauf verweisen, dass wir seit 1991 diese Art von Musik kreieren, RAMMSTEIN sehr erfolgreich ist, aber meines Wissens seit 1995 bestehen. Wir haben vor RAMMSTEIN schon Songs wie 'Kein Gott und keine Liebe', als auch 'Sex statt Krieg' aufgenommen, da kann man sich natürlich auch mal fragen, klingt RAMMSTEIN eigentlich nicht auch wie UMBRA ET IMAGO und wenn ja, warum?

Swen:
Vergleicht man die Texte des Albums mit früheren Werken so finden sich nicht wirklich schockende oder provokante Passagen. Ist das absichtlich so gewählt oder wie kommt das?

Mozart:
Wir wollten einmal etwas machen, was wir noch nicht gemacht haben. Ich bin aber überzeugt, dass wir genug Potenzial haben, das anecken lässt. Vielleicht ist es diesmal "genehmer" verpackt …
Bewusst etwas ausgelassen haben wir nichts, denn wir sind ja nicht bei einem Major-Label, das alles nochmal glattbügelt, wie bei manchen Kollegen von uns…

Swen:
Was hat es denn mit der Coverversion von 'Is This Love' auf sich? Ich dachte du magst solche Geschichten nicht so sehr und dann noch von BOB MARLEY?

Mozart:
Ich habe einige Biographien von BOB MARLEY gelesen. Außer der Musik hat mich sein Leben sehr überzeugt. Es ist ein sehr ereignisreiches Leben und das drückt sich in seiner Musik aus. Das wollte ich schon immer einmal reflektieren, aber ich bin bisher immer an der gegenteiligen Meinung meiner Kollegen gescheitert. Diesmal aber konnte ich alle meine Mitstreiter überzeugen und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Swen:
'Gebet Nr. 1' klingt wie eine Danksagung von dir an Gott. Ich dachte du hast es nicht so mit der Kirche? Zumindest macht es bei ' Sonntagsandacht' den Anschein.

Mozart:
Ich glaube an Gott, bin aber ein überzeugter Agnostiker (laut Duden: das begrenzte menschliche Wissen). Also wenn eine Kuh zum Himmel sieht, glaubt man ja auch nicht, dass es da philosophische Gedanken hagelt…
Der Mensch aber denkt in seinem umfassenden Größenwahn, dass er Gott erkannt hat - nein mehr noch- das er WEISS, was Gott will und er hat die himmlische Lizenz, dies seinen Mitmenschen durch Terror und Gewalt einzuimpfen. Das ist Faschistoid. Ich habe da ein ganz anderes Gottesbild. Die 'Sonntagsandacht' würde ich gerne einmal in einer aufgeschlossenen Gemeinde halten… da kann ich aber lange warten… deshalb ist sie auf dem Album verewigt!

Swen:
Ist 'Ode an die Musik' dein persönliches Statement zur Musik und zur Kunst? Ich empfinde es zumindest so und als das persönlichste Stück auf der Scheibe.

Mozart:
Außer vielen persönlichen Stücken auf dem Album ist es eines davon. Ja da hast du vollkommen Recht!

Swen:
Die Intensionen zu 'Wanderers Nachtlied' kann ich nicht direkt nachvollziehen… Den leichten punkigen Einschlag nach dem ruhigen Beginn finde ich gut, aber wollt ihr damit etwa die alte Dichtkunst veralbern?

Mozart:

Nein, ganz im Gegenteil! Franz Schubert, der dieses Stück vertonte, war ja auch so ein armes unerkanntes, mit Verlaub gesagt, "Schwein", das leider erst posthum erkannt wurde. Goethe mit seinem Werther zumindest in jungen Jahren ein "junger Wilder", also ein Punk. Ergo, da haben wir zwei Künstler, mit verschiedenen Schicksalen, aber gemeinsamen Ansätzen. Deshalb ist das nun so geworden. Ich weiß, das kann nicht jeder nachvollziehen, aber so sind unsere Gedankengänge bei der Arbeit an einem unserer Alben.

Swen:
Im September geht es dann auf Tour. Wird es da wieder spektakulär und provokant oder seid ihr auch da mit dem Thema SM durch?

Mozart:
Wir haben ja einen Paradigmenwechsel vollzogen, so machen wir das auch live. Wir wollen aber weiterhin unterhalten. Also denken wir uns gerade etwas Neues aus. Ich denke, wir arbeiten weiterhin mit Hingabe, Spontanität und Kreativität. Die Show wird etwas zwischen Zirkus und Theater werden. Mehr kann ich im Moment noch nicht sagen, weil wir erst ab August an unserem Konzept feilen werden.

Swen:
Wie geht es nach der Tour im September weiter? Was werdet ihr dann machen und was erwartet uns nächstes Jahr zum 20. Bandbestehen?

Mozart:
Wir planen für 2011 zu unserem 20-jährigen Bestehen, viel zu touren und wie bereits erwähnt soll es eine neue DVD geben. Darauf wird dann auch neues Songmaterial veröffentlicht. Ich glaube, da haben wir uns wieder was aufgehalst. So ist das, wenn man Künstler sein will!

Swen:
Nun sind wir schon am Ende. Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Mozart:
Wir würden uns sehr freuen, wenn auch die Menschen zu unseren stattfindenden Konzerten erscheinen würden, die bisher immer etwas skeptisch waren. Ich bin überzeugt, dass wir viele Menschen mit unserer Arbeit auf der Bühne überzeugen können, nämlich damit, dass wir unabhängig aller Klischees authentisch arbeiten und es schaffen, aus einem Gig ein Ereignis zu machen, das alle Anwesenden mitnimmt! Nur was man erlebt hat, das vermag man zu beurteilen. In diesem Sinne freuen wir uns auf die Tour!

Redakteur:
Swen Reuter

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