U.D.O.: Interview mit Udo Dirkschneider
17.01.2015 | 07:24Durch und durch aus Stahl, doch zum alten Eisen gehört "German Tank" Udo Dirkschneider noch lange nicht. Während andere Herrschaften in seinem Alter die Gartenarbeit, Rente und Werther's Orginal bervorzugen, veröffentlicht der U.D.O.-Frontmann in schöner Regelmäßigkeit tolle Album, beackert die Bühnen und Festivals dieser Welt und steckt jeden Jungspund locker die Tasche. Nun steht mit "Decadent" eine erneut in Metall geschmiedete Riff-Dampfwalze in den Startlöchern. Nur logisch, dass wir Herrn Dirkschneider zum ausführlichen Gespräch baten, nicht wahr?
Udo, wie geht es dir während des ganzen Promostresses zur neuen U.D.O.-Scheibe?
Mir geht es gut, alles ist wunderbar und einigermaßen relaxt trotz der vielen Interviews. Aber so muss es ja auch sein.
Am 23. Januar erscheint via AFM Records die neue Scheibe "Decadent". Nach eher mächtig klingenden Titeln wie "Steelhammer", "Rev-Raptor" und "Dominator" gibt es nun mit "Decadent" vom Titel her ein eher untypisch klingendes U.D.O.-Album. Wie kam es zu dem Titel und welche Botschaft vermitteln uns Titel und das vor wenigen Tagen veröffentlichte Albumcover?
Am Anfang hatten wir das gar nicht so auf dem Schirm, das Album "Decadent" zu nennen. Wir hatten lediglich den Song 'Decadent', der darüber handelt, dass wir in einer sehr dekadenten Welt mit einer Wegwerf-Gesellschaft leben. Die Verteilung der Welt ist einfach nicht in Ordnung, auf der einen Seite purer Luxus, auf der anderen verhungernde Kinder in Afrika. Dann kam beispielsweise ein Song namens 'Rebels Of The Night', dessen Text die Krim-Situation in der Ukraine thematisiert, hinzu, genauso wie 'House Of Fake', der widerum die Regierungen Europas im Allgemeinen mit den ganzen leeren Versprechungen und einigen korrupten Geschichten behandelt. Dann gibt es noch mit 'Pain' einen Song, der, wenn du heutzutage die Nachrichten anmachst und nur noch Mord und Totschlag mitbekommst, in eine ähnliche Richtung geht. In der Schule wird geschossen, Bombenattentate am laufenden Band, etc. Etwas schönes siehst du eigentlich kaum noch und wenn doch, dann stehen diese Dinge im totalen Kontrast zu den anderen Dingen, wo wir wieder bei dem Titel "Decadent" wären. So hat sich das im Prinzip mit allen Texten fortgesetzt, die sehr kritisch sind. Und so haben wir den für ein Metalalbum zwar untypischen, hier aber passenden Titel "Decadent" genommen.
Also steckt hinter dem Titel ein Konzept?
Ja, ein entferntes Konzept, würde ich sagen.
Nach den ersten Durchgängen würde ich spontan das Titelstück, 'House Of Fake' und 'Mystery' zu meinen Lieblingen zählen, die auch sicherlich live eine gute bis sehr gute Figur machen. Würdest du mir da zustimmen? Sind diese deiner Meinung nach stellvertretend für den U.D.O.-Sound anno 2014?
Puh, das ist schwer zu sagen. Was bei diesem Album eventuell anders war, ist die Tatsache, dass wir diesmal als Band die Stücke komponiert haben. Es war mir auch wichtig, dass unsere beiden neuen Gitarristen mit vielen guten Ideen ankommen. Das war der Grundstock für dieses Album, zumal ich in der Vergangenheit viele Alben lediglich zusammen mit Stefan Kaufmann komponiert habe. Mit vielen Leuten kommen auch entsprechend mehr Ideen zusammen und das war der erste Punkt, der sich bei U.D.O. verändert hat. Ich muss lange zurücküberlegen, wann ich das letzte Mal mit einer kompletten Band ein Album komponiert habe. Ich glaube, die hieß ACCEPT oder so ähnlich, hehe. Hat Andrey (Smirnov – Amn. d. Red.) auf"“Steelhammer" noch die Gitarren alleine eingespielt, war es jetzt umso interessanter zu sehen, wie die beiden, also Andrey und Kasperi (Heikkinen – Anm. d. Red.), zusammenarbeiten würden. Und da muss ich sagen, dass es eine wunderbare Sache war. Keiner hat ein allzu großes Ego, sondern beide haben die jeweiligen Ideen des anderen respektiert und manchmal sogar auch selbst umgesetzt. Ich glaube, dass man das auch auf dem Album heraushören kann. Für mich ist da eine hervorragende Gitarrenarbeit geleistet worden, ich bin schon stolz auf die beiden Jüngchen.
War eigentlich bei der nunmehr 15. U.D.O.-Scheibe die Motivation und der Elan wie zu Beginn deiner Solokarriere oder flacht das mit der Zeit automatisch irgendwann ab?
Nunja, vorsichtig ausgedrückt setzt natürlich irgendwann eine Art Routine ein. Du gehst ab einer gewissen Zeit nicht mehr mit schlotternden Knien ins Studio, hehe. Aber die Energie ist natürlich immernoch voll vorhanden. Das war auch schon bei "Steelhammer" so, als die beiden neuen Gitarristen dann hinzugekommen sind. Du bekommst dann noch einmal einen frischen Wind, so einen Schub von hinten und das macht einfach einen Höllenspaß. Wenn ich keinen Spaß mehr hätte, hätte ich auch schon längst aufgehört. Also da ist keine "Ach du liebe Güte, jetzt schon wieder ein Album"-Einstellung bei uns. Das ist natürlich auch eine Art Herausforderung und bis jetzt sind wir noch nicht "out of Ideen" gewesen, toi toi toi.
Sind denn einige Fragmente oder Ideen aus der "Steelhammer"-Ära für das neue Album verwendet worden?
Nein, das haben wir noch nie gemacht und gab es auch während ACCEPT-Zeiten nicht. Wenn gewisse Ideen nicht verwendet oder genommen wurden, war damit auch irgendetwas faul. Da sind wir eigentlich auch nie wieder herangegangen. Neues Album, neues Glück.
Wird es eine Single-Auskopplung und einen Videoclip geben?
Ja, seit Mitte Dezember gibt es zum Titelstück ein Video. Den kann man auch nicht richtig erklären. Ich denke, wenn man den gesehen hat, versteht man auch das Album, hehe. Das ist ein bisschen heftig, was wir da gemacht haben. Ich glaube, da wird es ähnliche Diskussionen geben wie mit dem Cover. Ich liebe es ja, wenn Diskussionen aufkommen, die einen es genial, die anderen total daneben finden. Wenn man noch keine Texte kennt und nur das Cover sieht, ist das alles etwas schwer nachzuvollziehen. Wenn man jedoch genauer hinschaut, tauchen auf diesem alle dekadenten Geschichten auf, die man sich so denken kann. Der Typ mit Goldkettchen, Zigarre, Sonnenbrille, das spiegelt sich schon alles in der Thematik wieder. Entweder muss man die Texte gelesen oder den Videoclip gesehen haben, damit man versteht, warum wir uns für dieses Cover entschieden haben.
Im Zuge der "Decadent"-Veröffentlichung wird es auch eine Tour geben, die die Mannschaft im Frühjahr erneut quer durch West-Europa bringt. Neben Deutschland sind auch Spanien, Großbritannien, Schweden und Norwegen dran. Gibt es auch Pläne, noch einmal nach Ost-Europa, speziell Russland, und nach Übersee zu reisen?
Ja, also die kommende Tour wird, glaube ich, die längste in der Geschichte von U.D.O.. Die bisher veröffentlichten Pläne sind nur ein Bruchteil von dem, was da noch kommen wird. Da fehlen also noch einige Sachen, wie beispielsweise Frankreich oder Finnland, zumal der erste Part der Europatour fast drei Monate lang dauern wird. Im Sommer werden wir dann auch sehr viele Festivals spielen, so wie ich das sehe. Highlight wird sicherlich der Auftritt beim Wacken Open Air gemeinsam mit dem Bundeswehr-Orchester sein. Nach der Festivalsaison wird es einen zweiten Europa-Part geben, dann geht es für rund fünf bis sechs Wochen in die Vereinigten Staaten und nach Kanada. Südamerika und Japan kommen auch hinterher, genauso wie eine längere Russland-Tour. Das wird also eine immense Tour sein, aber dafür machen wir ja die ganze Geschichte, hehe.
Also steht dieses Jahr, so kann man sagen, im Zeichen von U.D.O.?
Ja, kann man sagen.
Du hast auch vorhin euren kommenden Auftritt beim Wacken Open Air angesprochen. Auf was kann man sich da einstellen?
Wir haben das ja schon vergangenen Februar mit dem Marine-Nordsee-Orchester gemacht. Es ist also kein Symphonie-Orchester mit Geige und Streichern. Das passt auch nicht so gut zu unserem Sound, da kann man einige Dinge auch nicht so heavy machen, wie man es eigentlich möchte. Die Idee wurde geboren, als wir die "Steelhammer"-Scheibe gemischt haben. Wir haben uns dann ein Konzert des Marinecourps in Wilhelmshafen angeguckt und irgendwie hat das recht gut zu uns gepasst. Wir haben dann ein Jahr mehr oder weniger daran gearbeitet, waren auch im Februar sehr nervös, als wir das das erste Mal gemacht haben, aber die Reaktionen waren sensationell. Ich bin mit solchen Äußerungen ja immer sehr vorsichtig, aber ich war wirklich baff, wie gut das am Ende angekommen ist. Davon wird es auch eine Live-CD und/oder DVD geben, daran arbeitet man momentan. Die kommt, soweit ich das gehört habe, im Juni oder Juli diesen Jahres dann auf den Markt. Dann hat man uns gefragt, ob wir nicht die ganze Sache auch nach Wacken bringen könnten. Eigentlich sollte die Februar-Geschichte eine exklusive sein, haben dann aber zwei, drei Sachen etwas umgebaut und kommen nun mit einem doppelt so großen Orchester nach Wacken. Ich will nicht zuviel verraten, aber das wird ganz interessant, hehe.
Die ganze Geschichte mit der Bundeswehr ist auch ein Thema bei unserer Verteidigungsministerin von der Leyen und die Bundeswehr hat, glaube ich, erkannt, das man auch mit Metallern zusammen arbeiten kann. Die war am Anfang auch äußerst zurückhaltend, aber nun gibt es überhaupt keine Berührungsängste mehr, hatten letztens auch ein gemeinsames Meeting, in dem die Bundeswehr auch eigene Ideen eingebracht hat. Da braut sich für Wacken einiges zusammen, da freue ich mich schon drauf.
Eine Show, die mir persönlich noch im Gedächtnis geblieben ist, ist der Auftritt beim Rock Hard Festival 2013, als ihr den Freitag headlinen durftet. Welche persönlichen Erinnerungen hast du an diesen durch und durch erfolgreichen Gig?
Wir waren vorher recht nervös, da die Besetzung noch nicht allzu lange zusammen war zu dem Zeitpunkt. Aber die Reaktionen waren toll, rundum war es toll. Ich meine, die Location ist sehr schön und die Atmosphäre war auch recht angenehm. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht.
Seit der "Thunderball"-Scheibe erscheinen neue Udo-Alben im sehr angenehmen 2-Jahres-Rhythmus. Und auch davor warst du bezüglich Veröffentlichungen nicht gerade der Langsamste. Wie werden in Anbetracht dessen die kommenden Jahre im Leben des Udo Dirkschneiders aussehen?
Ohne jetzt zu viel zu versprechen, aber ich schätze, dass man so ganz langsam in der zweiten Jahreshälfte von 2016 nach neuen Songs schaut, die irgendwann 2017 herauskommen könnten. Der Rhythmus wird in dieser Form schon so bleiben. Es ist nicht so, dass man sich erst zusammensetzt und dann an neuen Songs arbeitet, sondern man im Laufe der Zeit schon die einen oder anderen Sachen ausprobiert. Über die ganze Zeit sammeln sich dadurch Ideen an, wodurch wir in einem schönen Rhythmus sind, der schon beibehalten werden kann.
Also kann man sich auch noch in den kommenden Jahren auf U.D.O. freuen.
Mit Sicherheit. Ich sehe auch noch keinen Zeitpunkt, an dem ich aufhöre, obwohl ich schon öfters danach gefragt wurde. Aber solange mir das Spaß macht, was auch das wichtigste an der ganzen Sache ist, und Leute gibt, die sich das anhören und auch die Konzerte besuchen, kann ich das auch noch die nächsten zehn Jahre machen, da habe ich kein Problem mit.
Ansonsten würde man auch nicht solche Mammut-Tourneen durchziehen.
Richtig. Das macht noch Spaß, macht Laune und die Chemie innerhalb der Band ist hervorragend. Da wüsste ich nicht, warum ich aufhören sollte. Dafür hab ich noch viel zu viel im Kopf.
Dann lass dich von mir nicht aufhalten, hehe. Zumal ich auch stets gerne eure Konzerte besuche. Natürlich auch immer in der Hoffnung, den einen oder anderen Track der "Holy"-Scheibe, meiner ersten U.D.O.-Scheibe, hören zu können.
Richtig, da hatten wir ja manchmal als ersten Track der Zugabe. Auf der nächsten Tour wird es im Übrigen auch einige Sachen geben, die manche Leute von U.D.O. eventuell noch nicht in dieser Form gehört haben. Da überlegen wir noch einige Aha-Erlebnisse für die Zuschauer miteinzubauen. Wir hoffen, dass alles so funktioniert, wie wir uns das denken und dann gibt es einige Dinge, die man eventuell noch nicht kennt.
Man darf also gespannt sein. Ein Supportact ist noch nicht bekannt?
Ne, das steht noch in den Sternen. Man muss erst gewisse Bands anfragen, die können, wollen und das auch finanziell stemmen können. Ich möchte ungern eine Tour machen, in der du alle drei Tage eine neue Supportband hast. Bei solch einer Länge, die wir uns nun auferlegt haben, ist das für die Bands natürlich auch nicht so einfach, zeitlich mitzuhalten. Ich möchte das eigentlich ziemlich konstant halten, aber Genaueres weiß ich noch nicht.
Dann lassen wir uns mal überraschen. Udo, ich wäre soweit fertig, möchte mich vielmals bei dir für Zeit und Geduld bedanken und überlasse dir die letzten Worte. Viel Erfolg auch für "Decadent", die anschließenden Tour- und Festival-Termine und die kommenden Jahre im Hause U.D.O..
Ja, was soll ich sagen? Ich hoffe natürlich, dass allen das neue Album gefallen wird, wir freuen uns auf die kommende Tour und die Menschen, die uns auf dieser Tour begleiten werden. In diesem Sinne: Keep on rockin'!
- Redakteur:
- Marcel Rapp