VADER: Interview mit Peter

01.01.1970 | 01:00

Der neue VADER-Streich "The Beast" ist mit seiner Brachialgewalt, aber auch mit seinem teils groovigeren Einschlag Grund genug, mit Frontmann Peter den Telefondraht glühen zu lassen. Dabei erweist sich der polnische Death-Metaller als ehrgeizig, nachdenklich und recht höflich. "Guten Tag, kann ich mit Carsten sprechen?" kommt auf Deutsch durch den Hörer, ehe ich dem erleichterten Peter erkläre, dass wir auch Englisch reden können.

Carsten:
Ich habe gelesen, dass euer Drummer Doc einen unglücklichen Unfall hatte. Was ist passiert?

Peter:
Es passierte in den ersten Februartagen, als wir begannen, das Album aufzunehmen. Doc hat sich ziemlich schwer verletzt, als er mit einem Glas Kaffee stürzte. Er hat sich die Hand aufgeschnitten und gebrochen. Wir wussten, dass die Heilung Monate dauern würde. Die einzige Lösung war also, einen neuen Schlagzeuger zu finden, der in der Lage ist, Doc für eine Weile zu ersetzen.

Carsten:
Was kannst du mir über euren neuen Schlagzeuger berichten?

Peter:
Wir haben verschiedene Schlagzeuger getestet. Daray war vielleicht der jüngste, aber der beste. Ich habe für jeden die selbe Setlist ausgewählt, und alle hatten die gleiche Zeit, um sich vorzubereiten. Er war zwar am jüngsten, aber am professionellsten.

Carsten:
Wie alt ist er denn?

Peter:
Er ist 23. Wir brauchten Zeit, uns kennen zu lernen, und nach ein paar Wochen gemeinsamen Spielens war ich sicher, dass er gut genug für die Aufnahmen ist und um Doc zu ersetzen. Aber das eigentliche Problem ist nicht, einen Schlagzeuger zu finden, der gut genug ist, da gibt es einige. Das größere Problem ist, dass nicht allzu viele Typen die Zeit haben, so viel zu touren. Keine Zeit für die Familie oder Freunde. Da war er auch der einzige, alles auf einer Karte. Er ist sehr professionell, ihn interessiert nichts außer in die Band zu kommen und das Album einzuspielen. Auch, wenn er nicht für immer bei VADER bleiben wird. Es war ein sehr professionelles Gespräch, Grund genug für mich, ihn zu akzeptieren.

Carsten:
Wie lang wird Daray denn bei euch bleiben und wann wird Doc zurückkehren?

Peter:
Das hängt ganz von Docs Gesundheit ab. Sicher wird Daray bis Ende des Jahres bei uns bleiben. Ich habe geplant, die neuen Songs mit Doc im Februar zu üben. Wenn er in der Lage ist, zu seiner vollen, alten Kondition zurückzukehren, dann wird er der Band vielleicht wieder beitreten. Jetzt dreht sich alles um seine Gesundheit. Er hat das Gefühl in den Fingern verloren, das muss er erst wiederfinden. Es ist also nicht gut, so schnell Schlagzeug mit nur einer guten Hand zu spielen. Aber ich weiß, dass er übt und es seiner Hand schon wieder besser geht. Also lass uns hoffen, dass alles gut wird. Wir werden nächstes Jahr weitersehen.

Carsten:
Was kannst du mir denn sonst über die Studiosession erzählen?

Peter:
Wir haben im Mai und Juni viele Stunden in den RG Studios in Gdansk verbracht, das zu einem Radiosender gehört. Vielleicht eines der modernsten, nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa. Wir waren vielleicht eine der ersten extrem spielenden Bands, die die Chance bekamen in diesem Studio aufzunehmen. Aber wir haben mit dem selben Typen zusammen gearbeitet, den wir bereits kennen, Piotr Lukaszewski. Wir haben schon auf den letzten drei Alben kooperiert und wussten, dass er der perfekte Mann dafür ist. Es gab überhaupt keine Probleme und wir konnten gerade mal die Hälfte aller gemeinsamen Ideen umsetzen. Wir sind also ziemlich sicher, mit ihm auch in Zukunft wieder zusammen zu arbeiten. Weißt du, wir haben alle Möglichkeiten genutzt, um einen kraftvollen, aber ausgewählten Sound zu kreieren. Und natürlich haben wir so eine Art Kollektion von verschiedenen Songs kreiert. Natürlich immer noch ein VADER-Album, aber ein Unterschied zu unserer bisherigen Arbeit.

Carsten:
Und was denkst du über das Gesamtresultat?

Peter:
Ich bin es nicht, der darüber entscheiden wird. Eine Woche, nachdem das Album erschien, waren 90 Prozent unserer Freunde begeistert. Die restlichen 10 Prozent hätten etwas mehr Grind erwartet. Man kann es nicht jedem recht machen. Aber 90 Prozent ist schon das, was wir erwartet haben, hehe.

Carsten:
Mir ist in der Tat aufgefallen, dass "The Beast" nicht nur schnelle Songs, sondern auch Midtempo und vor allem groovigere Songs enthält. Welche Idee steckte denn dahinter?

Peter:
Das meinte ich mit der Kollektion von verschiedenen Songs. Verschieden im Tempo, verschieden in der Atmosphäre. Das kam ganz natürlich, wir wussten zu Beginn nicht, dass es so werden würde. Wir haben einfach unsere Gefühle eingefangen und das ist das Resultat.

Carsten:
Und ihr hattet keine Angst, dass einige eurer Fans sagen könnten: "das sind nicht mehr die alten VADER"?

Peter:
Nein, denn kein Album war das Finale, also konnte nie jemand wissen, wie das nächste klingen wird. Das nächste Album wird sicher nicht wie dieses klingen. Vielleicht wieder schneller, wie "Litany" aber das kann ich noch nicht sagen. Natürlich wird es VADER sein, wir werden bestimmt nicht softer. Nur, weil wir etwas mehr Melodien in die Riffs packen oder mal eine neue Idee umsetzen, heißt das nicht, dass wir ein Album wie "Re-Load" aufnehmen. Es ist einfach nur ein anderes Album, weißt du.

Carsten:
War es eigentlich das erste Mal, dass man auch deine klare Stimme hören konnte?

Peter:
Keine klare Stimme, nicht in dieser Weise. Ich habe schon mal eine Art Sprechen auf unserem dritten Album verwendet. Aber diesmal hab ich es in einer anderen Art und Weise benutzt.

Carsten:
Meinst du, dass ihr mit diesem Album endgültig in der selben Liga wie DEICIDE oder CANNIBAL CORPSE angekommen seid?

Peter:
Das ist schwierig zu sagen, das hängt von unserer Plattenfirma ab. Wir haben über all die Jahre durch harte Arbeit ein Level erreicht, ab dem ohne den Support von einer Plattenfirma nicht mehr möglich ist. Weißt du, wir hatten immer Probleme mit Labels, denn da war kein einziges, das wirklich an das Potenzial der Band glaubte. Dasselbe war auch bei MetalBlade, und ich hoffe, dass sich etwas ändern wird und uns jemand genauso viel Aufmerksamkeit widmet wie den anderen Bands. Weißt du, natürlich sind wir nicht so populär oder verkaufen so viele Alben. Aber wir werden auch nicht so viele Platten verkaufen, wenn wir nicht die selbe Unterstützung bekommen. Aber, wie ich schon tausendmal gesagt habe, berührt das nicht die Existenz von VADER. Wir spielen immer noch und existieren als Band, daran wird sich nichts ändern, hehe. Wir brauchen wirklich niemanden, um da zu sein. Wir benötigen nur Hilfe um weiterzukommen.

Carsten:
Es gibt wahrscheinlich keine Band, die in den letzten Jahren so viele Konzerte gespielt hat, wie VADER. Meinst du, dass dieses vielen Gigs notwendig waren um eure heutige Position zu erreichen?

Peter:
Weißt du, wir sind eine der wenigen Bands, die extreme Musik spielen und professionell arbeiten. Wenn wir nicht aufnehmen, dann spielen wir live. Das ist unser Job, unser Leben. Das ist für uns bestimmt. Es ist nicht einfach, aber es ist das, was wir immer machen wollten.

Carsten:
Wie ist denn euer Status in der Heimat? Für die polnische Szene müsst ihr ja so etwas wie Götter sein.

Peter:
Ja und nein. Sicher waren wir von Anfang an dabei und wurden über die Jahre für viele zu einer Art Legende. Aber für einige Leute gehören wir zu den alten Bands. Sie denken, wir sollten mehr in Richtung Black Metal gehen. Weil wir unsere Gesichter nicht anmalen, sind wir für einige wohl nicht kraftvoll genug. Aber diese Leute sind noch zu jung um zu verstehen, worum es im Metal geht. Und, was auch immer... egal, das ist einfach nicht wichtig. (lacht) Und wir wurden nie von den Medien unterstützt. Das kam vielleicht erst etwas später, weil wir wahrscheinlich die einzige Band sind, die über so viele Jahre in so vielen Ländern rund um die Welt gespielt haben. So sind die Medien, speziell wenn ein neue Album rauskommt, etwas mehr interessiert. Aber ich denke, das ist nicht wegen der Musik. Die größte Chance für die Leute, die diese Musik spielen, ist wahrscheinlich, das die Leute, die in den Medien für die Unterstützung verantwortlich sind, nun frischer sind. Das sind junge Leute aus der jüngeren Generation, die mehr über die verschiedenen Musikrichtungen wissen, auch über Metal. Wir haben uns Europa angeschlossen und in der Europäischen Union ist diese Musik nicht so sehr verboten. Die christliche Kirche, die eine große Tradition in Polen hat, muss mit dieser dummen Sache aufhören. Und die Regierung braucht mehr Toleranz, auch was die Musik angeht. Das ist die große Sache für jedermann.

Carsten:
Apropos Kirche: Ich habe vor kurzem gelesen, dass christliche Metalcore-Bands in Polen viermal soviel Geld verdienen können wie andere Metal-Gruppen. Was sagst du dazu?

Peter:
Das ist nichts als ein Trend. Diese Typen machen das nur fürs Geld. Und die christliche Musik ist nur populär wegen dem Trend. Sie bekommen eine große Unterstützung von der Kirche, also bekommen sie Geld. Aber weißt du: Man kann diese Bands zwar oft im Radio hören oder im TV sehen. Aber wenn man sie live sieht, da hat VADER doch sehr viel mehr Leute im Vergleich zu deren Konzerten. Die Realität ist also anders.

Carsten:
Das Geld ist die eine Sache, die Leute, die die Musik wirklich hören, die andere.

Peter:
Ich denke, dass es in Deutschland nicht anders ist. Es ist der Haupttrend. Die Leute, und das ist das Hauptproblem, hören die Musik, die sie in den Magazinen sehen. Sie versuchen noch nicht einmal, nach etwas Speziellem für sich zu schauen. Jeder will einfach nur trendy sein.

Carsten:
Klar, dieser Trend existiert auch in Deutschland. Aber diese christliche Musik scheint es speziell in Polen zu geben.

Peter:
Weil die christliche Kirche hier eine große Tradition hat und sehr stark ist. Wegen der Kommunen nennt sie sich "Kirche der polnischen Nationen". Sie versuchen, eine Art Symbol zu sein, das sie einst waren. Und nach Jahren sehen die neuen Generationen, was um sie herum geschieht. All dieses Gerede von Gott und dieser Scheiße ist einfach nur Gerede für Geld. Und jeder will ein gutes Leben haben und nicht warten, bis er stirbt, um danach ein besseres Leben zu haben. Unsere nächste Generation ist die Kraft gegen die christliche Kirche, denn sie will mehr vom Leben als bis zum Tod zu warten.

Carsten:
Hast du während eurer vielen Gigs in den verschiedensten Ländern eigentlich Unterschiede zwischen den Fans bemerkt?

Peter:
Vielleicht die Modetrends, hehe. Aber eigentlich ist es das, was die ganze Sache vereint: An jedem Ort auf der Welt, wo eine VADER-Show war, bestand die Möglichkeit, extreme Leute, extreme Maniacs zu treffen. Diese Extremität macht sie gleich. Die gleichen Freaks. Das ist einfach großartig.

Carsten:
Vielleicht ist das die Chance für die wahre Europäische Union: Metal united!

Peter:
Hehehe! (Schmeißt sich weg) Warum nicht?

Carsten:
Gibt es denn noch etwas, was du all deinen Fans rund um die Welt sagen möchtest?

Peter:
Ja, haltet zusammen. Ich erinnere mich, dass die Gemeinschaft einst unsterblich war. Wir sind wie Brüder, und die Brüderlichkeit war mal der Schwerpunkt des Metal. Weißt du, nach Jahren hat sich etwas in Gang gesetzt. Endlich ist der Metal wieder Metal. Viele Leute denken jetzt anders darüber, wenn man Metal hört. Steht zusammen. Darum sind wir hier: Um die Zeit damit zu verbringen, gute Musik zu hören und Spaß zu haben. So let the metal flow! Das würde ich sagen.

Das ist es. Ich freu mich schon auf die X-Mas-Festivals mit VADER, wünsche ihrem Schlagzeuger Doc alles Gute und hoffe, dass er bald wieder einsteigen kann.

Redakteur:
Carsten Praeg

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