VAN HALEN: Diskografie-Check Teil 1 | Platz 12 - 7

26.07.2025 | 23:44

Geht es um Legenden der Gitarrenmusik, dann kommt niemand an Eddie Van Halen und VAN HALEN vorbei. Als die amerikanischen Rocker 1978 mit dem Erstwerk "Van Halen" den Hard Rock erschütterten, veränderten sie auch den Lauf der Geschichte. Plötzlich wollten zahlreiche Gitarristen so einmalig spielen können wie Eddie und verknoteten sich beim Üben des Klassikers 'Eruption' die Finger. Doch die Karriere von VAN HALEN war trotz des initialen Erfolgs nicht immer geradlinig, sondern auch von vielen Wechseln am Mikrofon geprägt. Für euch haben wir die Story der Band anhand der einzelnen Alben im Rahmen unseres Diskografie-Checks aufbereitet, wobei wir euch an dieser Stelle nun die ersten sechs Plätze des Rankings präsentieren wollen:

12. Van Halen III

Ist irgendjemand überrascht davon, dass unser Rückblick auf die VAN HALEN-Diskografie mit "Van Halen III" beginnt? Innerhalb unserer Redaktion wohl nicht, denn selten wurde ein Silberling so abgestraft wie das erste und einzige Album der legendären Rocker mit EXTREME-Fronter Gary Cherone. Ganze sechs letzte Plätze hagelte es, wobei sich zumindest Marcel mit einem drittletzten Rang und Rüdiger mit der vorletzten Platzierung dazu erbarmen konnten, den Silberling vor dem komplett vernichtenden Urteil zu bewahren. Die Voraussetzungen für einen Erfolg des Silberlings standen 1998 aber auch denkbar schlecht. Sammy Hagar war ausgestiegen, die temporäre Reunion mit David Lee Roth war nur von kurzer Dauer und auch das Verhältnis zu Basser Michael Anthony war mehr als zerrüttet, sodass selbiger am Ende nur für drei Songs in die tiefen Saiten griff. Da Eddie Van Halen schlussendlich seine Rolle übernahm und auch sonst extrem federführend am gesamten Projekt beteiligt war, betrachtet man den Silberling in Fankreisen auch gerne als EVH-Solowerk, das schlussendlich nur aus Marketingzwecken unter dem VAN HALEN-Banner veröffentlicht wurde. Und vielleicht hätte sich "Van Halen III" als Soloalbum sogar besser geschlagen, denn trotz durchaus ansehnlicher Verkaufszahlen verpasste die Scheibe erstmalig seit Jahren den Platz an der Chartspitze und gilt gemeinhin als kommerzieller Rohrkrepierer. Auf den Besetzungswechsel kann man die mangelnden Erfolge allerdings nicht zurückführen, denn auch handwerklich und kompositorisch ist das gesamte Material gelinde gesagt seltsam. Eddies Brillanz an der Sechssaitigen scheint viel zu selten einmal durch und oft verlieren sich die vier Musiker in seltsamen Alternative-Rock-Gefilden, in denen die Songs dann recht planlos und ohne Durchschlagskraft dahinplätschern. Prägnante Hooklines lassen sich praktisch nicht finden, sodass am Ende die Single 'Without You' der einzige verhaltene Lichtblick bleibt, der "Van Halen III" vor der kompletten Belanglosigkeit bewahrt. Ja, auch hier wabert der Song im Mittelteil irgendwie ziellos dahin und hat sogar ein paar leicht windschiefe Gitarrenleads im Gepäck, aber immerhin hat der Refrain im entferntesten so etwas wie Popappeal. Retten kann ein Song ein ganzes Album aber natürlich nicht und so bleibt die Veröffentlichung aus dem Jahr 1998 wohl ein Kapitel, über das selbst die Beteiligten den Mantel des Schweigens hüllen möchten. Und wir tun das an dieser Stelle nun auch und wenden uns stattdessen spannenderen Scheiben zu.

[Tobias Dahs]

 

10. Diver Down

Eins steht auf jeden Fall fest, auch wenn VAN HALEN in der langen Historie selten großartige Cover geschaffen hat, dieses hier ist auf jeden Fall das Schlimmste. Ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, dass es sich um eine Flagge handelt, die an Stränden oder auf Booten gehisst wird, an denen Taucher operieren. Was das mit VAN HALEN zu tun hat? Ja, eigentlich nichts. Als Begründung führt Roth an, es sollte symbolisieren, dass unter der Oberfläche noch Dinge geschehen würden, die man von oben nicht sehen würde[1].

Nach "Fair Warning", dem brillanten Album, das leider aufgrund der fehlenden Hitsingle hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, tourte die Band durch Nordamerika. Die Produktion der Shows war mittlerweile zu groß geworden, um die Band in Europa auf eine simple Tournee zu schicken, so blieb man in Nordamerika, wo die Band Starstatus hatte[2]. Bilder der Tour sind auf dem Backcover und der Innenhülle der Vinyl-Ausgabe von "Diver Down" zu sehen.

Eigentlich war vorgesehen, dass VAN HALEN eine kleine Pause einlegen würde, die Spannungen in der Band waren natürlich nach "Fair Warning" und der Tatsache, dass das Label enttäuscht war ob der fehlenden Hitsingle[2], nicht verflogen. Es ging sogar so weit, behauptet zumindest KISS-Bandleader Gene Simmons, dass Eddie bei der Band anklopfte, um als zweiter Gitarrist anzuheuern[3], dieser widersprach dem allerdings später[4]. Um die Band weiterhin bekannt zu halten, ging VAN HALEN auf Roths Vorschlag hin ins Studio, um eine Single einzuspielen. Es sollte eine Coverversion sein, etwas, das die Band schließlich jahrelang erfolgreich praktiziert hatte, aber es gab Diskussionen über das Stück. Roth schlug 'Dancing In The Street' vor, Eddie '(Oh) Pretty Woman'[5,6,7]. Letzteres wurde innerhalb eines Tages aufgenommen, am 6. Februar 1982 mit 'Happy Trails' als B-Seite veröffentlicht und wurde ein Hit, der bis auf Platz 12 der Charts stieg[5].

Natürlich verlangte die Plattenfirma umgehend ein neues Album[6]. Genauso natürlich hatte VAN HALEN aber kein Material für ein ganzes Album herumliegen, man musste also kreativ werden. Das Resultat sind vier echte VAN HALEN-Songs, vier Coverversionen und drei Instrumentals. Sicherlich nicht, was der Fan der Band erwartete, aber retrospektiv ein sehr erfolgreiches Album, bei dem Eddie die Zügel für die Aufnahmen wieder an Roth und Templeman zurückgab. Vorbei war der rohe, harte Gitarrensound, der Gitarrist trat einen Schritt zurück und zeigte sich in späteren Jahren enttäuscht von "Diver Down"[2], da es gar nicht seiner musikalischen Idee entsprach[8], hatte er doch einmal gesagt, er hätte lieber einen wenig erfolgreichen eigenen Song als einen Hit mit einer Coverversion[6].

Das schnell eingespielte Album beginnt mit der Coverversion 'Where Have All The Good Times Gone' von den KINKS, das die Band früher bereits in ihren Clubtagen gespielt hatte[7] und leitet dann in einen der großartigsten VAN HALEN-Song aller Zeiten über, 'Hang 'em High', das auf ein Demostück namens 'Last Night' aus Frühzeit zurückgeht, ein schnelles Lied mit einem wilden, spaßigen Gitarrensolo. Auch das Instrumental 'Cathedral' ist nicht neu, aber noch nie auf einem Album erschienen, sodass die Band es nun verewigte[7].

Mit 'Secrets' folgt wieder ein echter VAN HALEN-Song, der mit lustigen Lyrics ausgestattet ist, wenn man weiß, dass Dave Teile davon verschiedenen Grußkarten entnommen hat, die er auf der letzten Tour gekauft hatte[2]. Das Solo des Liedes, das noch von den Aufnahmen von "Fair Warning" übrig war[2], soll in einem einzigen Take entstanden sein[7]. Das Instrumental 'Intruder' klingt wie der kleine Bruder von 'Sunday Afternoon In The Park' vom Vorgänger-Album und wurde als Intro für den Albumhit '(Oh) Pretty Woman' genutzt, das weltweit als Single veröffentlicht wurde, auch, weil das Video zu dem Lied deutlich länger ist als der Song selbst. Das Video ist übrigens sehenswert und enthält Kleinwüchsige, eine Jungfrau in Not, gespielt von der Transgender-Künstlerin International Chrysis, einen Buckligen, einen Samurai, Tarzan und Napoleon. Wegen der Szene zu Beginn wurde das Video anfangs von MTV abgelehnt.


Die Vinyl-B-Seite beginnt mit dem von Edward zuvor abgelehnten 'Dancing In The Street', im Original von MARTHA AND THE VANDELAS, das sich tatsächlich als das schwächste Lied des Albums entpuppt, auch wenn es weltweit als zweite Single mit 'Where Have All The Good Times Gone' als Rückseite veröffentlicht wurde. Dafür folgt mit 'Little Guitars' der dritte echte VAN HALEN-Song, der sich wiederum als Volltreffer entpuppt und wirklich typisch nach der Band klingt. Mit 'Big Bad Bill (Is Sweet William Now)' begibt man sich dann jedoch auf völlig anderes Terrain, denn das Lied wurde 1924 von Milton Ager und Jack Yellen geschrieben und enthält eine Klarinette, die von Alex' und Eddies Vater gespielt wird. Ich war damals durchaus geschockt von dem Stück, als ich die Scheibe direkt bei Erscheinen nach Hause trug, über die Jahre habe ich allerdings meinen Frieden mit dem Lied gemacht und betrachte es als das, was es auch sein sollte, denn der Schaffensprozess enthielt "viel Humor und sehr viel Bier"[7].

Mit 'The Full Bug' gibt es nun den letzten der vier VAN HALEN-Songs, der für mich auf Augenhöhe mit 'Hang 'em High' rangiert und eine Mundharmonika enthält, bevor der Westernklassiker 'Happy Trails' zeigt, wie gut die vier Musiker gesanglich waren. Dieses Stück sollte in der Folgezeit ihre Live-Auftritte beschließen.

Trotz des Zeitdrucks und der kurzen Aufnahmezeit von nur zwölf Tagen ist "Diver Down" ein äußerst kreatives Album. Natürlich wollten die Fans nicht vier, sondern zehn neue Songs aus der Feder der Band hören, aber im Rückblick ist das Album weniger schwach als sein Ruf. Immerhin verkaufte es ein Vielfaches des Vorgängers "Fair Warning", obwohl oder vielleicht gerade weil es ein so komplett anders klingendes Album ist, als das 1981er Werk, wie Eddie zugibt?[9] In jedem Fall erreichte es Platz drei der US-Charts und Platz fünf in Kanada, in Deutschland immerhin Platz fünfundsechzig.

VAN HALEN konnte den musikalischen Siegeszug aufgrund der starken Verkaufszahlen von "Diver Down" fortsetzen und spielte in noch größeren Hallen und Stadien und unternahm eine erfolgreiche Südamerika-Tour, aber die Schwierigkeiten innerhalb der Band zwischen den Instrumentalisten auf der einen Seite, die es gern auch mal ruhiger angehen lassen wollten, immerhin waren zwei verheiratet und Alex sollte 1983 folgen, und dem unersättlichen David Lee Roth auf der anderen Seite, der jeden Abend eine große Party veranstaltete, blieben, ja, die Gräben wurden immer größer. Doch noch vor dem Bruch sollte die kommerzielle Klimax kommen.

[1] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/2022/04/14/diver-down-40th-anniversary-tribute/
[2] Christie, Ian (2007): Everybody Wants Some The Van Halen Saga; John Wiley & Sons, Inc, Hoboken, N.J.
[3] Simmons, Gene (2002): KISS and make-up; Three Rivers Press, New York 
[4] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/2014/03/14/eddie-responds-to-kiss-rumor/ 
[5] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/oh-pretty-woman/
[6] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/2021/10/30/the-story-of-van-halens-diver-down-video/ 
[7] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/2016/04/14/happy-birthday-diver-down-david-eddie-discuss-the-classic-album/ 
[8] unbekannt (?); Fair warning; www.vhnd.com; abgerufen am 13.7.2025; https://www.vhnd.com/2022/04/14/diver-down-40th-anniversary-tribute/ 
[9] Tolinski, Brad (Hrsg.) (2010): Guitar World Presents VAN HALEN; Backbeat Books, New York

[Frank Jaeger]

 

10. A Different Kind Of Truth

Nun gut, ich gebe zu, dass auch "A Different Kind Of Truth" nicht unbedingt in die Annalen der Rockgeschichte eingegangen ist. Aber immerhin belegt das Comeback aus dem Jahr 2012 mit deutlichem Vorsprung vor "Van Halen III" den geteilten zehnten Rang unseres Diskografie-Checks, wobei sich mit Chris zumindest ein Kollege für das Album erwärmen kann und einen fünften Rang vergibt. Ansonsten gibt es auch hier Plätze im hinteren Teil des Feldes, wobei Rüdiger und Marcel sogar die rote Laterne vergeben. Dabei sollten wir eigentlich alle glücklich sein, dass wir diesen halbwegs soliden Schwanengesang von VAN HALEN überhaupt zu hören bekommen haben, denn nach dem desolaten Vorgänger war es lange Jahre ruhig um die einstige Rock-Sensation. Erst im Jahr 2007 rührte sich wieder etwas, als überraschend Ur-Fronter David Lee Roth zurückkehrte und gemeinsam mit Alex Van Halen, Eddie und seinem Sohn Wolfgang, der inzwischen den in Ungnade gefallenen Michael Anthony ersetzte, auf Tour ging. Doch auch die erfolgreichste Konzertreise der Bandgeschichte konnte erst einmal gerade bei Roth die Lust auf ein neues Studioalbum nicht wecken. Und so musste erst Wolfgang auf den Plan treten, der tief in den Archiven der Band wühlte und zahlreiche bisher unveröffentlichte Demos entdeckte, in denen er und Produzent John Shanks extrem viel Potential sahen. Mit diesen teils aus den Siebzigern stammenden Songs konnte schließlich auch Mr. Roth überzeugt werden und so wurde aus einer Aufarbeitung von Archivmaterial, die ursprünglich mit ein paar B-Seiten angereichert als Compilation erscheinen sollte, gemeinsam mit ein paar frisch geschriebenen Songs schlussendlich das Album, das wir heute als "A Different Kind Of Truth" kennen. Und was soll ich sagen, teilweise ist der klassische VAN HALEN-Funke hier wirklich hörbar. Gerade der Opener 'Tattoo' und das schmissige 'She's The Woman' drängen sich dabei als Höhepunkte auf, bei denen gerade Eddie sämtliche Register an der Gitarre zieht. Ebenso klingt David Lee Roth überraschend frisch und mitreißend, was dem Silberling schlussendlich einen richtig starken Beginn beschert. Gänzlich gehalten werden kann dieses Niveau danach nicht, denn auch wenn wir uns meilenweit entfernt von den Schwächen des dritten selbstbetitelten Silberlings befinden, zünden auch Tracks wie 'China Town' oder 'Blood And Fire' nicht gänzlich. Trotzdem gibt es gerade mit härter rockenden Nummern wie 'Bullethead' und 'Outta Space' noch weitere Höhepunkte zu entdecken, die "A Different Kind Of Truth" insgesamt zu einem soliden Spätwerk machen, das zwar nicht gänzlich an die eigenen Großtaten anknüpfen kann, andererseits einen versöhnlichen Schlusspunkt unter eine großteils einmalige Karriere setzt. Wenn ihr die Scheibe also günstig erstehen könnt beim Händler eures Vertrauens, lohnt sich die Komplettierung der Sammlung hier in jedem Fall.

[Tobias Dahs]

 

9. Balance

Es sollte das letzte Album mit Sammy Hagar am Mikrophon sein. Niemanden, der damals mit der Band zu tun hatte oder sogar in der Band war, überraschte das wirklich, es passierte einfach zu viel, während die Band durch unermüdliches Arbeiten trotz des musikalischen Umbruchs der frühen Neunziger weiterhin eine der größten Rockbands des Planeten war. Seit dem Erscheinen von "For Unlawful Carnal Knowledge" war die Band auf zwei ausgedehnte Tourneen gegangen, die erste betitelt nach dem 1991er Album, dann eine zu dem Live-Release "Right Here, Right Now" und Ende 1993 befasste man sich bereits wieder mit einem neuen Album[1]. Spannungen in der Band nahmen zu, Interessen verschoben sich[2,3].

Zudem verstarb Ed Leffler, langjähriger Manager der Band, der speziell für Sammy Hagar eine wichtige Person war, während der neue Manager Ray Danniels, Alex' Schwager und ehemaliger Manager von RUSH, die Band immer mehr in zwei Lager spaltete[4]. Parallel dazu forderte das Investment in Cabo San Lucas Aufmerksamkeit. Die Van Halen-Brüder hatten sich, nachdem sie initial 1990 mit investiert hatten, aus dem Geschäft zurückgezogen, aber Hagar führte es weiter. Darüber waren die Brüder nicht glücklich, genauso wie über den Solo-Erfolg ihres Sängers, der 1994 mit einer Best-Of-Scheibe mit zwei neuen Songs namens "Unboxed" auch außerhalb der Band im Rampenlicht stand, es kam zu Missstimmung in der Band[3,4].

Für das neue, zehnte VAN HALEN-Album entschied man sich für den Kanadier Bruce Fairbairn als Produzenten, der den besten Eindruck auf Eddie machte[5]. Das sollte sich als Glücksfall erweisen, Fairbairn schaffte es, aus den zwanzig Liedern, die als Demo vorhanden waren, innerhalb von nur fünf Monaten zwischen dem 25. Mai und 2. September 1994 mit der Band ein Album fertig zu stellen. Der Produzent kam dazu montags ins 5150 Studio und flog freitags wieder nach Kanada, arbeitete in der Woche aber sehr intensiv und vor allem strukturiert und kürzte die Produktionszeit gegenüber dem Vorgänger um mehr als die Hälfte[6]. Es gibt widersprüchliche Aussagen, weswegen einige Gesangsaufnahmen in Vancouver stattfanden, aber in allen Rückblicken auf das Album sind die Differenzen der Musiker nicht zu überhören[3,4,6].

Musikalisch kann man dagegen eigentlich nicht behaupten, das Album wäre schwach. Der Opener 'The Seventh Seal' ist ein cooler Stampfer, der trotz seiner über fünf Minuten kein echtes Solo enthält, das folgende 'Can't Stop Lovin' You' war ein Hit, der Platz dreißig in den USA erreichte und zwanzig Wochen in den Charts verweilte, nachdem es als zweite Single mit dem merkwürdigen Stück 'Crossing Over', das sich nicht auf dem Album befindet, als Rückseite veröffentlicht worden war. Dies ist die einzige Single-B-Seite, die nicht auf einem regulären Album zu finden ist, es sei denn, man besitzt die japanische Ausgabe, wo es als Bonussong enthalten war. Dabei gäbe es sicher einige schwächere Stücke, die man für dieses interessante Lied vom Album werfen könnte.

Der eigentliche Singlesong ist ein seichtes Popliedchen, das ein eigentlich ebenso seichtes Video bekommen hat. Allerdings ist es interessant, dass dieses Video und das zum folgenden Song zusammenhängen, ein Bezug, der im aktuellen "offiziellen" Video nicht mehr zu sehen ist. Hier ist das Video mit dem ersetzten Teil zwischen 0:15 und 0:20 mit zwei Personen, die am Ende des Videos ab 3:53 erneut auftauchen, letzteres ist übrigens auch im veränderten Video weiterhin zu sehen:


Zwischen diesen beiden Passagen passiert nämlich die Geschichte aus dem Video zu 'Don’t Tell Me (What Love Can Do)':


Das düstere Stück passt gut zum Video der Single, für die das Lied übrigens geschnitten wurde, was ihm durchaus gut tut, und ist definitiv ein Highlight auf "Balance". Über dieses Lied gibt es Berichte, dass Edward und Sammy Differenzen über den Text gehabt hätten[3,4], die wiederum mit widersprüchlichen Aussagen zusammenhängen, ob Edward Van Halen zu diesem Zeitpunkt nach einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik nüchtern[3,6] gewesen sei oder unter Alkoholeinfluss gestanden hätte[4]. Genauso ist es mit 'Amsterdam', das Lied über die Heimat der Brüder, das Sammy erbarmungslos auf Frauen und Drogen reduzierte[1]. An sich ein ordentlicher Rocker, aber dann doch kein Singlematerial, wie man nach der Veröffentlichung mit zwei Live-Stücken als Rückseite und dem Verpassen der Charts merkte. Das Video zu dem Lied wurde auf MTV wegen des Drogeninhalts nicht gesendet[3,4].

Mit dem zügigen, musikalisch witzigen 'Big Fat Money' mit dem albern-jazzigen Solo nimmt "Balance" eine unerwartete Wendung von düster zu locker. Hier darf man sich glücklich schätzen, wenn man den zeitweiligen Nonsens, den Hagar Lyrics nennt, nicht versteht, aber als großer Poet galt der Frontmann noch nie. Trotzdem ein ordentlicher Song, der zwar nicht gerade locker groovt, aber immer noch erträglich ist. Dann folgt der erste Totalausfall mit 'Strung Out'. Erinnerst du dich an die kleinen, coolen Instrumentals der Roth-Ära? Das hier ist das Gegenteil davon und völlig überflüssig.

Single Nummer vier von "Balance" war 'Not Enough', 'Amsterdam' war der zweite Song auf der Single. Diese Ballade konnte immerhin kurz die Top 100 in den USA erreichen, aber der fünfminütige Gospel-Tränendrücker ist völlig unspannend und noch seichter als 'Can't Stop Lovin' You'. Das folgende 'Aftershock' ist wieder besser, auch wenn man sich von den vorherigen beinahe sieben vergessenswerten Minuten erst erholen muss. Abgesehen von der Länge, von der man gut ein, ja sogar zwei Minuten hätte weglassen können, ist es okay, ohne spektakulär zu sein. VH-Mittelmaß, wie leider so einige Kompositionen auf Album Nummer zehn. Aber gerade, wenn man sich wieder auf Kurs zu befinden scheint, folgt mit 'Doin' Time' das nächste schreckliche Instrumental, das sicher auf keinem Album zuvor jemals in die Rillen gepresst worden wäre.

Ein sehr origineller Songtitel ist 'Baluchiterium', benannt nach einem Dinosaurier. Eddie berichtet, dass man viele Lieder hatte und der Red Rocker nicht mit dem Texten hinterherkam, sodass man beschloss, diesen Vierminüter als Instrumental zu belassen. Schade, daraus hätte ein echtes Lied werden können, so ist der vordringliche Eindruck der von Langeweile. Dabei geht beinahe unter, dass mit 'Take Me Back' noch eine gute Ballade folgt, die etwas Lagerfeuerromantik verbreitet und dann in Arenarock mündet. Das Album schließt dann mit einer weiteren Ballade namens 'Feelin'', die ebenfalls gut wäre, hätte man sie nicht auf sechseinhalb Minuten ausgewalzt. Eventuell wäre ein Schluss nach dem fetzigen Soloteil das optimale Ende für diesen eigentlich doch recht netten Song gewesen.

Natürlich folgte auf die Albumveröffentlichung eine ausgedehnte Tournee durch die USA, die gut zwei Monate danach begann. Die sarkastisch "Ambulance"-Tour genannte Konzertreise sah Edward mit gravierenden Problemen mit der Hüfte. Er fand heraus, dass er eine Operation und eine künstliche Hüfte benötigte, dies aber aufschob und die Tour mit zunehmenden Schmerzen absolvierte, sich sogar bei manchen Shows zeitweise hinsetzen musste. Dazu trug Alex eine Nackenstütze, da er sich an der Halswirbelsäule verletzt hatte und Sammy startete die Tour so erkältet, dass mehrere Shows abgesagt werden mussten[3,4]. Im Anschluss daran ging es für VAN HALEN nach Europa, wo man für BON JOVI eröffnete, was sich als keine optimale Kombination herausstellte[3,4], was mich verwundert, so weit entfernt von Jon und seinem Gitarristen Richie Sambora sind die Hits seit "1984" musikalisch nicht.

Obwohl die Spannungen auch während der Tour anhielten, konnte die Crowd und das Adrenalin die Musiker zusammenhalten. Erst anschließend, als alle ihrer Wege gingen, sollte ein kleines Projekt, das normalerweise nicht für solchen Ärger hätte sorgen können, dieses Line-up zum Auseinanderbrechen bringen. Es handelt sich um den Soundtrack zu dem Film "Twister". Naturgemäß gibt es auch hier zwei verschiedene Ansichten, die beide Seiten zu Protokoll gegeben haben, Sammy Hagar[4] auf der einen und die Van Halen-Brüder auf der anderen Seite[3,6]. Auf jeden Fall gab es Spannungen, dann offenen Streit und als Resultat den Ausstieg beziehungsweise die Entlassung des Sängers, auch hier kommt es darauf an, wen man fragt, um herauszufinden, wer den endgültigen Schritt tat[3,4,6]. Das Lied 'Humans Being' erschien dennoch auf dem Soundtrack, ein Video wurde ebenfalls gedreht, aber danach war Schluss und die ehemaligen Kollegen begannen die Arbeit, in der Presse übereinander herzuziehen. "Twister" wurde übrigens sehr erfolgreich, ist aber dennoch ein ziemlich schrecklicher Film mit unterirdischen Dialogen, aber guten Effekten.

Aber das war nicht das Ende von VAN HALEN. Unerwartet kam Originalsänger David Lee Roth wieder in den Fokus und für 'Best Of Volume 1' nahm man zwei Lieder zusammen auf. Nur um sich danach wieder zu verkrachen. 2003 vertrugen sich die Streithähne wieder für eine Tour und ein Best-Of-Album namens "Best Of Both Worlds", das immerhin mit drei neuen Liedern mit Sammy Hagar aufwarten kann, nur um danach erneut getrennte Wege zu gehen[3]. Während Hagar solo weitermachte, seine Cabo Wabo-Bar und seine Tequila-Marken, die er später für $80 Millionen verkaufen sollte, pflegte, wurde es ruhig um VAN HALEN. Bis mal wieder David Lee Roth auf der Bildfläche erschien, eine Tour mit den Brüdern und jetzt Wolfgang Van Halen am Bass absolvierte und das Unerwartete geschah: Ein letztes Album wurde angekündigt, auf das natürlich eine weitere Tournee folgte.

[1] Nelson, Jim (1995): "Teaching An Old Dog New Tricks"; Album Network Magazine; abgerufen von vhlinks.com am 19.7.2025; https://www.vhlinks.com/pages/interviews/avh/an012095.php 
[2] Hume, Ashley; Fink, Larry (2023): Van Halen's Sammy Hagar recalls keeping up with band's success while juggling 'dark' times at home; Foxnews; abgerufen am 19.7.2025; https://www.foxnews.com/entertainment/van-halens-sammy-hagar-recalls-keeping-up-with-bands-success-while-juggling-dark-times-at-home 
[3] Christie, Ian (2007): Everybody Wants Some The Van Halen Saga; John Wiley & Sons, Inc, Hoboken, N.J.
[4] Hagar, Sammy, Selvin, Joel (2011): Red My Uncensored Life In Rock; Itbooks, New York
[5] Corgan, Billy (1996): "Best Of Both Worlds"; Album Network Magazine; abgerufen von vhlinks.com am 19.7.2025; https://www.vhlinks.com/pages/interviews/evh/gw0496.php
[6] Tolinski, Brad (Hrsg.) (2010): Guitar World Presents VAN HALEN; Backbeat Books, New York

[Frank Jaeger]

 

8. OU812

Nennt mich altmodisch, aber ich mag es, wenn Albumtitel eine Bedeutung haben und nicht nur aus einer simplen Laune heraus entstanden sind. In diesem Punkt kann "OU812" nicht mit viel Inhalt dienen, denn die Inspiration zum Titel, der ausgeschrieben so viel bedeutet wie "Oh you ate one too" bekam Eddie Van Halen, als er die Aussage auf dem Auto eines Essenslieferanten erspähte. Ja, in Insiderkreisen wird durchaus auch gemunkelt, dass der Titel als versteckte Anspielung auf das zuvor erschienene Solowerk "Eat 'Em And Smile" von Ex-Fronter DAVID LEE ROTH gemeint war, doch ob das wirklich wahr ist, könnte nur der inzwischen leider viel zu früh verstorbene Eddie endgültig klären. Musikalisch haben wir es beim zweiten Langspieler mit Sammy Hagar am Mikrofon, der den 1985 ausgestiegenen Roth ersetzt hatte, mit einem klassischen "middle of the road"-Album zu tun. Soll heißen: Es gibt keine echten Ausfälle, ein paar Hits und eben auch nur mittelklassiges Material der gerne als "Van Hagar" betitelten Ära der Bandgeschichte zu hören. Über allem thront natürlich der Hit 'Finish What Ya Started', den Eddie und Sammy in einer Nacht gemeinsam auf der Terasse von Mr. Hagars Haus schrieben. Mit seinem funkigen Gitarrenriff und einer tollen Gesangsvorstellung ist die Nummer aber auch wirklich einprägsam. Aber auch das ungewohnt sperrige und dennoch flotte 'Mine All Mine', das von coolen Keyboards garniert wird, hat sich langfristig in meinen Playlisten festgesetzt, was ebenso für den bluesigen Rocker 'Black And Blue' und das ausladende 'Cabo Wabo' gilt, bei dem Eddie wieder einmal alle Register an der Gitarre zieht. Und ja, auch das sehr spontan entstandene und eher als Witz gemeinte 'Source Of Infection' hat irgendwie einen ganz eigenen Charme. Anders sieht das schon bei der typischen Achtziger-Ballade 'When It's Love' und dem etwas zahnlosen 'Feel So Good' aus, die ich beide als klare Schwachpunkte der Scheibe ausmachen würde. Und so überrascht es dann auch nicht, dass sich "OU812" am Ende bei den meisten Kollegen recht solide und ohne größere Ausreißer im Mittelfeld der Diskografie tummelt. Am meisten mögen noch Jonathan und Tommy den Silberling und vergeben den sechstens, respektive fünften Platz, während Chris den Schnitt mit einem vorletzten Rang ein wenig nach unten zieht. Am Ende geht damit der achte Rang in unserer Endabrechnung mit Sicherheit in Ordnung, auch weil gerade das Frühwerk eben doch in Sachen Hits noch ein paar deutlich potentere Alben im Angebot hat.

[Tobias Dahs]

 

7. Van Halen II

Die brennende Frage 1979 lautete: Wie sollte es VAN HALEN nur 13 Monate nach diesem bahnbrechenden Debüt bloß schaffen, selbigem Paroli zu bieten oder es gar zu übertreffen? Nun, ob nun "Van Halen I" oder "Van Halen II" wirklich besser war, sollte jeder für sich entscheiden. Fest steht jedoch, dass es die Rocker geschafft haben, ein Album in nur zehn Tagen aufzunehmen, das in einem Atemzug mit dem Erstlingswerk genannt werden kann. Die Songs kommen per se noch partytauglicher, schmissiger rüber, die Refrains brennen sich schlichtweg fest und auch wenn die Unbeschwertheit und der Überraschungseffekt klar auf der Seite der 1978er Platte waren, braucht sich "II" definitiv nicht verstecken. Mit Roth haben die Van Halen-Brüder den Inbegriff einer Frontsau (positiv gemeint!) von Beginn an an Bord und so mancher Track lässt schon früh erahnen, dass hinter der frohsinnigen und leichtfüßigen Fassade auch ernsthafte, ambitionierte Musiker stecken. Nichtsdestotrotz sind es überwiegend luftig leichte Ohrwürmer, die den zweiten Rundling bestimmen: 'Dance The Night Away', 'Bottoms Up!', 'Outta Love Again' oder 'Women In Love...' machen wie auch das finale 'Beautiful Girls' klar, wohin die Reise geht. Dass diese jedoch mit einem Cover - in diesem Fall von DEE DEE WARWICK - beginnt, mag zwar ungewöhnlich sein, fügt sich aber äußerst gelungen ins gesamte Erscheinungsbild von "Van Halen II". Für mich persönlich haben Vorgänger sowie auch Nachfolger zwar die Nase vorn, was jedoch nicht heißt, dass ich nicht auch an "Van Halen II" meine Freude habe.

[Marcel Rapp]

 

Und damit sind wir am Ende des ersten Teils angekommen. Ob zum Schluss nun ein Album mit Sammy Hagar oder Diamond Dave am Mikrofon die Krone einheimsen wird, verraten wir euch im zweiten Teil in wenigen Tagen!

Redakteur:
Tobias Dahs

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