VISIONS OF ATLANTIS: Interview mit Clémentine Delauney

02.07.2024 | 13:40

Clémentine gibt uns ausführlich Auskunft über den Stand der Dinge der Band, das Tourleben und vor allem das neue Album "Pirates 2 – Armada".

Clémentine, ihr kommt gerade von eurer USA-Tour zurück, wie ist die Tour gelaufen?

Die Tour ist sehr gut verlaufen! Es hat viel Spaß gemacht, mit den Jungs und Mädels von KORPIKLAANI und ILLUMISHADE unterwegs zu sein. Der Headliner KORPIKLAANI ist eine sehr relaxte Truppe, keine Kontrollfreaks oder mit riesengroßen Egos ausgestattet. Das ist schon mal viel wert. Es war auch nicht unsere erste USA-Tour, es hat sich richtig gut angefühlt, dass viele Fans wiedergekommen sind, die uns schon mal gesehen haben und Shirts von den vorherigen Touren getragen oder sogar als Piraten gekleidet waren! Unsere "Armada" in den USA wächst und wir können es nicht erwarten, dort unser neues Album "Pirates 2" zu präsentieren!

Da sind wir direkt beim eigentlichen Thema: Ihr bringt ein neues Album Namens "Pirates 2 – Armada" heraus. Seht ihr das Album als eine Fortsetzung von "Pirates"?

Ein wenig schon, aber es ist eher eine Weiterführung. Der Grund, warum wir das Album "Pirates 2" und nicht einfach nur "Armada" genannt haben, ist, weil wir nach "Pirates" einfach weitergemacht haben. Es gab keine Pause zwischen den Alben. Die ersten Songs wurden bereits geschrieben, während wir "Pirates" aufgenommen haben und wir haben mit demselben Team, demselben Produzenten und den gleichen Leuten für Mix und Mastering gearbeitet wie beim Vorgänger. Und doch ist "Pirates" ebenso wie "Pirates 2" ein eigenständiges Album, dem nichts fehlt, jedes Album ist ein eigenständiges Werk, das auch ohne das andere existieren kann. Wir mögen den Klang des Wortes Piraten, es hat etwas Cineastisches an sich. Und wir haben das Gefühl, nicht einfach nur Lieder zu schreiben, wir schreiben eine ganze Saga. Das beinhaltet auch den visuellen Aspekt, nicht nur die Musik, sondern das Gesamtpaket!

Ihr werdet also das Piratenkonzept bei den nächsten Alben beibehalten? Ist das sowas wie das neue Image von VISIONS OF ATLANTIS geworden?

Ja, im Moment fühlt sich die Welt, die wir erschaffen, sehr reichhaltig und breitgefächert. So lange wie wir unsere Gefühle in diese Welt einbringen können und uns das Piratenvokabular nicht leid wird, es neue Ideen für coole Stories für die Videos gibt und uns immer wieder etwas Interessantes, Frisches dazu einfällt, solange werden wir in dieser Piratenwelt bleiben. Wir haben darin eine Wahrheit über uns selbst gefunden, darin wie wir Piraten sehen und was wir darunter verstehen, ein Pirat zu sein.
Und wer weiß, vielleicht wollen wir irgendwann mal andere Themen erforschen, aber im Moment verschwenden wir daran keinen Gedanken.

Aber nicht alle Texte auf dem Album drehen sich explizit um Piraten und Seefahrt, ich denke da an 'Monster' oder 'Collide'.

Genau, wir versuchen, uns in diesem Piraten-Universum nicht einzuschränken. Wir sehen den Piraten in erster Linie als Menschen, und als solcher schlägt er sich auch mit allen Gefühlen und Sorgen herum, die man auch in der heutigen Zeit und überall auf der Welt hat, Liebe, Angst, Wut und so weiter. In 'Monster' spreche ich darüber, wie wir uns ständig aus verschiedenen Gründen selbst limitieren, das gilt für dich, für mich und eben auch für einen Piraten. Mein Ziel ist es, über die Natur des Menschen zu schreiben, und wir verpacken das eben in dieses Piraten-Universum.

Warum ist das Wort "Armada" ein Teil des Albumtitels?

Meine erste Begegnung mit dieser Thematik war der Film "Elisabeth – Das Goldene Königreich" mit Cate Blanchett, die die Königin von England spielt und in dem die Spanische Armada sich auf den Weg macht, England zu erobern. "Armada" hat das Wort Armee in sich, vom lateinischen Ursprung her. Ich liebe einfach den Klang des Wortes, es klingt für mich nach Gefahr, Kampf, Dunkelheit, es klingt einfach kraftvoll und ich fand, es passt gut zu einer Metal-Band, ich meine... Armada... in dem Klang des Wortes kann man den Metal doch hören, (schmunzelt)

Der Begriff Armada schwirrt mir also schon lange im Kopf herum, und als ich den Jungs von VISIONS OF ATLANTIS das Wort vorgeschlagen habe, waren alle begeistert, der entsprechende Song wurde geschrieben und so kam eins zum anderen.

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Lass uns über das Songwriting bei VISIONS OF ATLANTIS sprechen. Die Musik auf den Vorgängern von "Pirates" wurde lt. den Booklets zum Großteil von eurem alten Produzenten Frank Pitters geschrieben, mit "Pirates" hat sich das geändert. Zum einen seid ihr zu Felix Heldt gewechselt und die Band schreibt nun den Großteil des Materials selbst.

Ja, das ist richtig. Michele (Guaitoli, Gesang) ist seit seinem Einstieg Herz und Seele der Musik von VISIONS OF ATLANTIS. Michele besitzt unglaubliche Fähigkeiten als Songwriter! Er ist erst zu "Wanderers" in die Band gekommen, und zu dem Zeitpunkt seines Einstiegs war das Album schon so gut wie fertig, so dass er nur zwei Songs beisteuern konnte.

Vor Beginn der Arbeiten an "Pirates" haben wir entschieden, dass wir die Dinge vermehrt selbst in die Hand nehmen und einen neuen Produzenten hinzuziehen wollen, der als externe Person aber auch den Schreibprozess begleitet und uns anleitet. Felix war mit uns auf Tour und nachdem er uns live erlebt hat, meinte er, er hätte da einen Song für uns. Das war 'Melancholy Angel', er hat verstanden, was wir mögen und wie unsere Musik funktioniert. "Pirates" war eine tolle Zusammenarbeit zwischen Felix und Michele, was das Songwriting angeht, und etwas habe ich auch dazu beitragen können. Auf jeden Fall waren wir sehr zufrieden, wie das Album entstanden ist. Und "Pirates 2 - Armada" ist musikalisch seit langem das erste Album, was zu 100% von VISIONS OF ATLANTIS stammt. Das macht das Album deutlich stärker!

Felix war aber daran beteiligt, den Songs den letzten Schliff zu geben, sie ein wenig aufpolieren und ihnen so diese letzten 10% Prozent zu geben, die die Songs zu etwas Außergewöhnlichem machen. Felix ist halt nicht nur ein Metal-Produzent, er hat auch mit Pop-Acts gearbeitet, und das passt perfekt zu unserer Musik.

Wie entscheidet ihr, welchen Part Michele singt und welchen du? Wie teilt ihr die Songs gesanglich auf?

Als Songwriter kennt Michele meine Stimme mittlerweile sehr gut. Und in der Regel hat er schon ein Bild vor Augen, wie er sich den Song vorstellt und eine klare Vorstellung davon, wie er meine Stimme einsetzten möchte. Aber wir probieren auch viel aus, tauschen die Verse untereinander und können uns da gegenseitig immer wieder überraschen.

Euere Videos sind immer sehr aufwändig und weit davon ab, simple Perfomance-Videos zu sein. Wer ist da der kreative Kopf?

Das bin ich, ich schreibe die Drehbücher für die Videos! Da ich den Großteil der Texte schreibe, habe die Bilder im Kopf, wie man den Song visualisieren könnte. Ich lege viel Wert darauf, dass VISIONS OF ATLANTIS insgesammt ein sehr konsequent durchdachtes Projekt ist. Wenn wir zu einem Song ein Video machen, muss das auch den Inhalt des Textes rüberbringen, sonst macht es für mich einfach keinen Sinn.

Wie oft habe ich in meiner Jugend Metal-Videos gesehen, wo das Video überhaupt keinen Bezug zu den Lyrics hat! Ich war da echt oft ziemlich frustriert, denn mit einem vernünftigen Video wäre der Song so viel größer und bedeutsamer geworden. Daher möchte ich gern die Inhalte unserer Songs durch die dazugehörigen Videos vermitteln, und aufgrund des Feedbacks, das wir bekommen, funktioniert das anscheinend ganz gut. Die Leute verstehen die Botschaft, die dahintersteckt. Natürlich darf sich jeder seine eigenen Gedanken machen und meinen Lyrics einen eigenen, persönlichen Inhalt geben. Aber wenn ich Videos mache, möchte ich, dass das Ergebnis möglichst den Vorstellungen entspricht, die ich im Kopf habe, daher achte ich beim Schreiben der Videodrehbücher darauf, dass da etwas mehr drin ist, als nur hübsche, Bilder zu einem Lied.

BandSiehst du die EP "Old Routes – New Waters" und das anschließende Album "The Deep And The Dark" als Neustart für VISIONS OF ATLANTIS an?

Ja, es gab es mindestens zwei "Wiedergeburten" der Band. Einmal, als ich vor gut zehn Jahren eingestiegen bin und dann nochmal eine mit "Pirates". Es kommt mir aber gar nicht wie zehn Jahre vor, wir entwickeln uns ständig weiter und wachsen als Musiker. Wir fühlen uns mit dem, was wir seit "Pirates" machen, viel mehr verbunden - auch schon mit "Wanderers", aber das war eher eine Art Übergangsalbum. Michele kam zu dem Album erst spät dazu. Seit er dabei ist, fühlt die Band sich viel mehr wie eine Einheit an, er ist der Kleber, der das ganze zusammenhält.

Könntet ihr euch denn vorstellen, in der aktuellen Besetzung nochmal ein paar Lieder der ersten fünf Alben neu aufzunehmen, zum Beispiel als Bonus CD für ein zukünftiges Album, oder hat die heutige Version der Band VISIONS OF ATLANTIS mit den alten Stücken abgeschlossen?

Du hast schon die EP "Old Routes – New Waters" erwähnt, das war ja genau sowas. Das haben wir gemacht, um mich und damals noch Siegfried (Samer, DRAGONY) den Fans vorzustellen und haben vier alte Songs neu aufgenommen. Aber wir haben aktuell tatsächlich keinen Bezug zu den alten Stücken und Alben. Wenn Michele und ich diese alten Lieder singen, fühlen wir uns, als wären wir Teil einer Cover-Band. Es gibt nur noch ein altes Mitglied, unseren Schlagzeuger und Visionär Thomas, aber auch er blickt nur in die Gegenwart und Zukunft von VISIONS OF ATLANTIS. Wir feiern auch keine runden Geburtstage von alten Alben. Wie gesagt ist VISIONS OF ATLANTIS so oft wiedergeboren worden, es würde sich nicht gut anfühlen. Zumal wir ja jetzt unser gegenwärtiges Image und Band-Universum gefunden haben, in dem wir uns sehr wohl fühlen.

Ich gestehe, dass ich mich erst seit deinem und Siegfrieds Einstieg damals für VISIONS OF ATLANTIS interessiere, ich habe deine Stimme bei SERENITY geliebt und Siegfrieds Band DRAGONY auch, das hat super gepasst. Aber Michele ist ein toller Nachfolger für Siegfried (der die Band aus Zeitgründen verlassen hat), er hat mich live mit TEMPERANCE wahnsinnig beeindruckt. Ein großartiger Performer und Sänger!

Ah, Danke für das Kompliment! Und ja, Michele ist wirklich unglaublich!

Was ist dir lieber, ein Konzert in einem kleinen Club oder Auftritt auf einem großen Festival?

Oh Gott, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe! Am liebsten sind mir unsere Headliner-Shows, da dort unsere Fans sind, quasi unsere erweiterte und ständig wachsende Familie! Diese Leute sind wegen uns da! Viele kommen immer wieder, folgen der Band. Sie lieben unsere Songs, unsere Perfomance und sind eben unseretwegen gekommen. Das gibt Dir eine gewisse Freiheit und nimmt einigen Druck. Natürlich erwarten unsere Fans eine gute Show, aber Du musst sie nicht mehr überzeugen, sie sind ja wegen UNS zu der Show gekommen. Das ist wunderbar! Und speziell bei Outdoor-Festivals ist es immer wieder spannend, wie man die Elemente in die Show einbeziehen muss, mal regnet es, dann ist es windig oder die Sonne scheint. Es ist halt immer wieder unvorhersehbar und das stellt Dich als Performer vor eine gewisse Herausforderung.

Was – vom Live-Spielen - abgesehen, ist das Beste und was das Schlechteste an einer Tour?

(lacht) Das Beste ist immer die Show (lacht) Davon abgesehen, versuche ich immer, etwas von der lokalen Kultur mitzubekommen, egal ob das ein Denkmal oder ein besonderes Restaurant ist. Fans erzählen uns von örtlichen Besonderheiten oder schenken uns beispielweise ein Bier aus der Gegend. Das ist großartig! Das war's dann aber auch schon! Wir fahren zwar durch die ganzen USA, aber wir sehen nichts, außer Walmart-Parkplätzen und der Venue, in der wir spielen, die meist mitten in einem Industriegebiet oder einem – manchmal ganz schön beängstigendem - Vorort liegt. Wir sehen kaum was von den riesigen Naturschutzgebieten oder den großartigen Innenstädten oder berühmten Denkmälern. Und da ist es egal, ob wir in den USA oder Europa oder Südamerika touren. Wenn ich etwas vom Land sehen oder erleben möchte, muss ich allein im Urlaub dahinfahren, obwohl ich mit der Band schon mehrfach da war. Nimm London, ich habe von der Stadt und all den Sehenswürdigkeiten bisher so gut wie nichts gesehen und wir haben schon mehrmals in London gespielt. Das ist schon ein wenig frustrierend und somit für mich das Schlimmste an einer Tour! Aber wir wissen ja, dass eine Tour kein Urlaub ist.

Wirst du auf der Straße oder im Supermarkt als Sängerin von VISIONS OF ATLANTIS oder EXIT EDEN erkannt?

Ja, in Lyon ist mir das schon passiert, ein Verkäufer in einem Geschäft war ein Fan von VISIONS OF ATLANTIS. Aber da, wo ich wohne, kommt das kaum vor, dass ich erkannt werde, denn das ist nicht gerade ein Metal-Hotspot. Anders als Norditalien zum Beispiel. Aber vor allem in Großstädten passiert das in letzter Zeit schon hier und da einmal.

Genießt du das dann, sozusagen ein kleines bisschen berühmt zu sein, oder ist es dir eher unangenehm, ein Selfie zu machen oder ein Autogramm zu geben?

Es überrascht mich eher, weil ich sowas niemals erwartet hätte! Bis jetzt waren es auch immer sehr nette Begegnungen, niemand ist aufdringlich geworden oder sowas. Aber wenn wir Festivals spielen und ich die Zeit habe, mir ein paar Bands aus dem Publikum anzusehen, wäre ich gern inkognito und möchte einfach meinen Spaß haben und das Festival genießen. Aber wenn man dann in der Menge erkannt wird und jeder will ein Foto machen, und immer mehr Leute drängeln sich um dich, um zu sehen, wer denn da ist - das ist schon schwierig und die Privatsphäre ist dahin.

Was steht bei VISIONS OF ATLANTIS nach dem Album-Release an?

Wir werden im Herbst auf eine große Headliner-Tour in Europa gehen! Wir spielen in einigen der wichtigsten und größten Städte. Bei einigen Shows werden die Tickets schon knapp, also seht zu, dass ihr euch die größte Headliner-Tour von VISIONS OF ATLANTIS nicht entgehen lasst und besorgt euch die Tickets, bevor es zu spät ist! Und voraussichtlich im April 2025 gehen wir wieder auf Tour durch die USA!

Ich danke dir für das nette Gespräch und wünsche dir und der Band für das Album und die Tour viel Erfolg!

Fotocredit: Robert Eikelpoth, edit by Blake Armstrong

Redakteur:
Maik Englich

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