WARRANT: Interview mit Jörg Juraschek

09.11.2014 | 10:07

WARRANT schlägt mit DEM Comeback-Album 2014 die metallische Brücke zwischen damals und heute. Doch in den 29 Jahren zwischen der WARRANT-Hochphase und dem neuen Album ist natürlich viel passiert. Darum ließen wir es uns nicht nehmen und fragten das einzig verbliebene Mitglied von damals, Jörg Juraschek, nach den Hintergründen, den vergangenen Jahren, den neuen Mitgliedern an seiner Seite und natürlich dem neuen Album "Metal Bridge". Nostalgie, dein Name ist WARRANT.

Jörg, vielen Dank, dass du Zeit und Geduld opferst, um mir einige brennende Fragen zu beantworten. Wie geht es dir denn momentan? Musstest du dich an den ganzen Promostress erst wieder gewöhnen?

Hi Marcel! Kein Problem. Momentan muss ich meine Zeit optimal nutzen. Ich habe im normalen Leben auch jede Menge zu tun. Jetzt kommt natürlich noch WARRANT dazu, wird schon eng manchmal. Die Familie steht jetzt etwas hinten an. Eigentlich geht es mir trotz des genannten Stresses sehr gut.

Auf der einen Seite freue ich mich sehr, dass wir die neue WARRANT-Scheibe endlich fertig haben, hat auch ein wenig gedauert, 29 Jahre, hehe. Klar habe ich jetzt dadurch noch mehr Zeitprobleme, aber das macht man ja sehr gerne. Vielleicht können ja meine beiden Bandmitstreiter auch mal etwas abnehmen.

Es ist ja auch mal ganz schön, wenn jemand was von mir will, endlich mal wieder, und sich an unseren Ideen und Songs erfreut. Ich werde jetzt quasi ins kalte Wasser geworfen. Aber das hätte ich ja auch 1985 haben können, habe es aber unachtsam weggeworfen. Wie dumm nur... Aber jetzt kann ich ja ein wenig davon nachholen. Also nur positiver Stress.

Auf der anderen Seite ist es aber momentan auch ein wenig traurig. Meine beiden von mir sehr geschätzten Mitstreiter Dirk (Preylowski – MR) und Thomas (Rosemann – MR) sind leider sehr krank geworden. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen aber es ist schon etwas traurig und ich hoffe intensiv, dass beide so schnell wie möglich wieder fit sind, damit wir in 2015 live viel spielen können.

Nun liegen zwischen "The Enforcer" bzw. "First Strike" und der aktuellen Scheibe "Metal Bridge", auf die ich nachher natürlich noch zu sprechen kommen möchte, knapp drei Dekaden. Was ist in diesen Jahren bei dir im Leben so passiert? Und inwiefern hast du, bis auf kleinere Compilation-Beiträge, musikalisch auf dich aufmerksam gemacht?

Um Gottes Willen.Wenn ich das alles aufarbeite, dann werden das hier 30 Seiten. Es ist so viel passiert: Familie gegründet, Ausbildung, Studium, Musik und Musik und Musik. Aber leider mit WARRANT erst wieder sporadisch seit 1999 auf diversen Festivals. 1999 hatten wir unsere "einmalige" Reunion-Show in der Eifel in Prüm. Danach kam das Wacken Open Air und dann immer wieder was.

Eigentlich haben wir das immer nur aus Spass gemacht und hatten nie vor neue Songs zu schreiben. Aber es kam eben alles ganz anders. Zwischendurch habe ich noch eine andere Band, PUNCHLINE, gestartet, anderer Sound und Style, was viel Spass gemacht hat. Auch hier war Grevenbroich ein zentraler Anlaufpunkt für mich. Der damalige Drummer Christian kommt von dort und über ihn habe ich auch den Thomas kennengelernt, worüber ich sehr froh bin.

Nun, diese Frage wirst du im Zuge der ganzen Interviews sicherlich immer hören, aber auch ich muss dich fragen, warum es letztendlich so lange gedauert hat, wieder ein Album zu veröffentlichen. Und welche Gründe gab es, wieder mit den Arbeiten an einem neuen Album zu beginnen?

Es hat einfach so lange gedauert, weil ich bis vor ca. 4 Jahren nie vor hatte, neue WARRANT-Songs zu schreiben. Es hatte uns eigentlich so gereicht, wie es war. Ab und zu ein paar schöne Shows spielen und das war es, kein Druck, einfach nur purer Spaß. 1999, nach unserer Wacken-Show, wollten viele Fans bereits, dass wir mit neuen Sachen weitermachen. Das erschien uns damals aber zu abwegig. Vielleicht war es falsch, keine Ahnung, aber dann wäre das jetzt hier auch nicht so entstanden, wie es jetzt ist. Und das wäre sehr schade, denn mit "Metal Bridge" bin ich mega zufrieden. Wie das dann so ist: Je öfter man die Band in sein Leben und sein Herz lässt, umso größer wird der Wunsch, die kreative Seite wieder rauszulassen. Der Wunsch einiger Fans kommt dann noch dazu. Ich habe eigentlich immer Songs geschrieben, das ist eigentlich meine Lieblingsbeschäftigung. Aber für WARRANT? Das Feeling musste stimmen, um wieder adäquate Songs zu schreiben. Ist ja auch nicht so einfach, nach so vielen Jahren wieder das gleiche Feeling hinzubekommen.

Das war für mich die Voraussetzung: nur wenn der Songwritingprozess so fluppt wie 1984/85, dann kann es klappen. Ich habe auch an mich hohe Ansprüche, was die Songs angeht. Wenn Du so lange wartest, muss schon was Professionelles dabei rauskommen. Irgendwie habe ich gemerkt, dass es funktioniert. Die Grundideen im WARRANT-Feeling sprudelten ohne Ende. Es war eigentlich wie damals.

Nun hast du mit Dirk Preylowski und Thomas Rosemann eine neue Mannschaft gefunden, die dich tatkräftig unterstützt. Würdest du uns schildern, wie du auf die beiden aufmerksam geworden bist und in wie weit sie sich an den neuen Songs beteiligt haben?

Dirk hat mir schon oft - auch aus der Scheiße - geholfen. Bei PUNCHLINE war er schon dabei.

Wir kennen uns schon seit vielen Jahren aus der Düsseldorfer Musikszene. Als Oliver vor drei Jahren ausstieg, hat er mir geholfen und seine Zusammenarbeit angeboten, hat super funktioniert. Außerdem finde ich, dass es super passt, wenn ein etwas thrashlastiger Gitarrist den heutigen WARRANT-Sound transportiert. Dadurch haben die Songs noch mehr Dynamik und Power trotz aller Melodiösität. Ich stand schon immer auf Kontraste.

Wie gesagt hat Dirk im Bereich Arrangement sehr viel zu WARRANT beigetragen. Er hat mit seinem Gitarrenspiel den neuen, moderneren Sound entscheidend geprägt, ganz klar. Es passt einfach und ich bin froh mit ihm spielen zu können. Ich wollte auch eine Verbindung von den Achtzigern zu heute finden und auch glaubhaft klingen lassen. Der Sound ist, wie du ihn von "Metal Bridge" kennst, absolut authentisch. Und doch hört man auch, woher wir kommen - aus den Achtzigern. Das ist die "Metal Bridge".

Der Thomas ist das absolut passende, dritte Glied in der Band. Da lebt auch wieder das Trio auf, so wie wir auch 1983 angefangen haben. Die Power ist auch wieder da. Da ich open-minded orientiert bin, finde ich es super, wie sich Thomas in dieser Band eingebracht hat, da er ja eigentlich aus einer anderen musikalischen Ecke kommt. Spieltechnisch absolut super, er ist echt ein Tier an den Drums, aber trotzdem extrem technisch. Ich bin super froh mit ihm spielen zu dürfen.

Ende des Monats, genauer gesagt an Halloween, erschien nun endlich "Metal Bridge". Wie hoch war der Druck nach all den Jahren, musikalisch wieder ein Statement abzugeben? Und wie verliefen die Aufnahmen? Magst du uns einige Einblicke geben?

Der Druck ist natürlich kein geringer, man hat ja einen Ruf zu verlieren. Deshalb war mir klar, dass ich das machen muss, was ich am besten kann: Kompakte, klare und kraftvolle Songs mit vielen Kontrasten aus mir herausquetschen.

Nur durch tolle Songs, eine sehr gute Produktion und eine der Zeit entsprechenden authentischen Band können wir einen kleinen Neuanfang wagen. Ich denke, dass ist uns Dreien ganz gut gelungen, jeder hat hier einen entscheidenden Beitrag geleistet. Über Geschmack kann man nicht streiten, das ist vollkommen klar, aber das Statement muss einfach stimmen.

Die Aufnahmen liefen eigentlich ganz gut ab, wenn man mal von der Zeit absieht. Aber wir müssen da leider unseren anderen Aktivitäten Tribut zollen. Gesungen habe ich bei Martin Buchwalther im Gernhardt Studio in Troisdorf. Er spielt ja bei PERZONAL WAR, ein absoluter Profi. Wir kennen uns auch schon etwas länger und es war super dort und hat viel Spaß gemacht. Und gelernt habe ich in meinem hohen Alter auch noch etwas, hehe. Dirk hat seine Gitarren in seinem Homestudio aufgenommen und ich auch den Bass. Thomas hat seine Drums in einem Studio in Köln eingespielt. Gemixt wurde dann alles von Martin in Troisdorf (er hat auch DESTRUCTION, SUIDAKRA und ACCUSER im Studio gehabt). Den Feinschliff hat dann noch der Michael Schwabe aus dem Monoposto in Düsseldorf übernommen. Ich bin froh, dass ich ihn kenne, wir sind quasi Lokalkollegen. Er ist ein super Typ und hat schon für viele bekannte Musiker gemastert. Da bin ich natürlich sehr froh, das er mich in sein Studio gelassen hat, hehe.

Steckt hinter einzelnen Stücken ein bestimmtes Konzept oder eine besondere Geschichte, die du uns an dieser Stelle nicht vorenthalten willst?

Eigentlich ist mein Lieblingsthema "Habt Euch alle Lieb, sonst kommt der "Enforcer", and be open-minded“. Ich bin Pazifist und das kommt auch in den Songs immer wieder durch, nur manchmal etwas radikaler, hehe.

'All The Kings Horses' wurde inspiriert durch den Befreiungskampf in Lybien und wie unser Internet uns allen die Möglichkeit gibt sich für eine gute Sache Mehrheiten zu beschaffen. Dadurch können Diktatoren in echte Schwierigkeiten kommen, die sie dann leider wieder nur mit Gewalt unterdrücken. Manchmal klappts aber auch wie das Beispiel von Ägypten gezeigt hat. Wir müssen nur diesen Weg konsequent weitergehen. Leider gibt es momentan wieder sehr viele Krisenherde auf unserer Erde.

'Come And Get It', sowie das bereits genannte 'All The Kings Horses' waren bereits im Vorfeld bekannt. Gibt es auf "Metal Bridge" noch weitere Stücke eher älteren Datums oder hat die Platte mit diesen Ausnahmen ausschließlich "WARRANT 2014" zu bieten?

Ja das ist wahr, aber was heißt bekannt? Eigentlich nicht so richtig, die beiden Songs sind ja auch nochmal komplett überarbeitet worden und klingen jetzt absolut frischer, rauer, härter, einfach besser. Für mich sind diese Songs auch neu. Über den Zeitraum von 30 Jahren betrachtet sind alle Songs brandneu, hehe.

Der erste Song, der für "Metal Bridge" entstanden ist, war 'You Keep Me In Hell'.

Also vom Gefühl her sind alle Songs "WARRANT 2014", definitiv.

Desweiteren gefallen mir der Quasi-Opener 'Asylum', 'You Keep Me In Hell' und 'Don't Get Mad Get Even' besonders gut. Speziell eure Spielfreude ist in jeder Sekunde präsent. Welche Stücke gehören zu deinen Lieblingen und welches würdest du nennen, wenn dich jemand nach einem, das euch am meisten repräsentiert, fragen würde?

Danke für das Kompliment mit der Spielfreude. Ja das finde ich auch, man merkt dem Album eine gewisse Spielfreude und Frische an, einfach zum Abgehen und Luftgitarre spielen. Der Sound ist rau, die Songs kompakt. das WARRANT-Markenzeichen. Viele fanden früher immer, dass die Songs wie aus einem Guss klingen. Das, finde ich, ist den heutigen Songs auch ganz klar anzumerken.

Ich persönlich finde natürlich alle Songs gut, hehe. Jetzt lass ich mich aber doch hinreißen und sage dir, dass meine Lieblingssongs 'Immortal' und 'Don`t Get Mad Get Even' sind. Auch 'You Keep Me In Hell' gehört als erster echter neuer WARRANT-Song dazu. Bei diesem habe ich gemerkt, dass es funktionieren kann.

Eine weitere nette Idee ist die Neuinterpretation alter Stücke. Hierbei habt ihr euch für 'Ordeal Of Death' und natürlich 'The Enforcer' entschieden. Waren auch andere Songs im Gespräch? Oder gab es sogar die Option, das gesamte "The Enforcer"-Album noch einmal aufzunehmen?

Nein, das gesamte Album würde ich auf einmal nicht aufnehmen wollen. Da hätten auch viele gesagt, dass denen nichts mehr einfallen würde. Und das ist ja nun mal absolut nicht der Fall. Aber ich würde gerne bei jedem neuen Album, so fern es denn noch welche gibt, immer zwei alte Songs neu aufnehmen. Nach ca. 6 Alben haben wir sie dann alle neu eingespielt.Aber da bin ich sicher schon neunzig, hehe.

Klar war schon 'The Enforcer' neu einzuspielen, aber wie gesagt, auch nur, wenn man ihn nicht zerstört. Das ist gar nicht so einfach. Aber ich glaube, dass es uns gelungen ist, auch hier die Achtziger nicht zu vernachlässigen und trotzdem frisch zu klingen. Der Song ist irgendwie zeitlos, so wie auch 'Ordeal Of Death', der super zu den neuen Sachen passt. Das ist Dirks persönlicher Lieblingssong und auch sein Wunsch gewesen. Er hat auch arrangementmäßig in der Bridge etwas verändert, wodurch der Song noch fetter geworden ist. Dann habe ich noch die dritte Strophe ausgemistet. Ich habe den Song früher nicht so gemacht, aber jetzt liebe ich ihn, absolut perfekt.

Wie sind die bisherigen Resonanzen? Hast du überhaupt die Zeit, dir die ganzen Reviews durchzulesen?

Doch, bis jetzt habe ich noch den Überblick. Aber es wird jeden Tag mehr und mehr. Die bisherigen Resonanzen sind sehr gut bis super, ich konnte das eigentlich gar nicht einschätzen, da ich auch nicht auf die Szene geschielt habe. Was gerade so angesagt ist, wusste ich erst recht nicht, ebenso, wie die neuen WARRANT-Platte so ankommen wird. Eigentlich muss man das machen, was gerade aus einem rauskommt, alles andere ist nicht authentisch und wird entlarvt. Auch wenn die Gefahr groß ist, dass es keinem gefällt oder alte Fans enttäuscht sein könnten. Aber ich bin bis jetzt positiv überrascht worden.

Wie wird es mit WARRANT Ende 2014/Anfang 2015 weitergehen? Sind schon Gigs oder sogar schon neue Songideen in Aussicht?

Neue Songideen sind immer da. Diese werden von mir sofort archiviert. Wir wollen natürlich 2015 so viel wie möglich live spielen. Ich hoffe, dass Dirk und Thomas schnell wieder fit sind. Es sind schon einige Anfragen aus Italien, Spanien und Österreich gekommen. Wir würden aber gerne auch hier in Deutschland vermehrt spielen.

Hast du derweil noch Kontakt zu Oliver, Lothar oder Arno, deinen ehemaligen Mitstreitern, und eine Ahnung, womit die derweil ihre Brötchen verdienen?

Du hast Thomas Klein vergessen. Eigentlich sind er und ich die eigentlichen Urväter von WARRANT. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ihn sehe ich auch ab und zu; doch leider im Ergebnis viel zu wenig, wir waren das letzte Mal auf einem Konzert. Oliver sehe ich momentan leider auch nicht so häufig. Einmal im Jahr kriegen wir es aber hin, zusammen Essen zu gehen, dort haben wir unsere Gemeinsamkeiten. Zu Lothar Wieners habe ich keinen Kontakt mehr. Auch er gehört zum Spirit von WARRANT in den frühen Achtzigern, ganz klar. Das war damals ein Lebensgefühl, was so in der Form einmalig war, zumindest für mich. "Free and easy", Thomas, Lothar und ich haben das zelebriert. Ich denke da nur an unser kultiges Arschfoto und unser Metal-Styling, was heute von vielen Bands wieder kultiviert wird. Unglaublich!

Arno Verstraten treffe ich auch leider nur selten. Auch er hat durch seinen Job kaum noch Zeit, aber er ist ein super Typ. Umso erstaunlicher, dass er uns geholfen hat, die Show auf dem "Bäääm-Festival" dieses Jahr zu spielen, da der Thomas zu dem Zeitpunkt schon krank war. Danke nochmals an ihn! Fehlt noch Thomas Franke aus der WARRANT-Familie. Er ist der eigentliche Drummer von damals, denn Lothar war leider verletzt und konnte die Alben nicht einspielen. So hatte Thomas diesen Job übernommen. Seitdem sind wir befreundet und haben auch in der Band PUNCHLINE zusammen gespielt.

Damit wäre ich auch mit meinen Fragen am Ende und verbleibe mit einem lauten "Schön, dass ihr wieder da seid!" und bedanke mich für Zeit und Geduld. Die letzten Worte gebühren dir, was möchtest du unseren Lesern und den WARRANT-Fans da draußen noch richten?

Vielen Dank für Eure Unterstützung nach so vielen Jahren und für Eure Geduld. Walk the "Metal Bridge" Alles Gute und bleibt dem Heavy Metal treu! - Jörg

Redakteur:
Marcel Rapp

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