WE: Interview mit Thomas Felberg

01.01.1970 | 01:00

WE kommen aus Norwegen und spielen dreckigen, aber auch recht entspannt klingenden Rock'n'Roll mit ziemlich traditionellem Flair. Auf ihrer letzten Scheibe "Lightyears Ahead" vermischen sich Blues-, Stoner- und Psychedelic-Elemente zu einer fetzigen Mixtur, die nicht unzutreffend mit dem Namen Cosmic Biker Rock umschrieben wurde. Sänger Thomas Felberg stand mir für dieses Interview mailtechnisch Rede und Antwort.
Aber beim Lesen nicht wundern, er schrieb jedesmal statt "we" (wir) den Bandnamen, was ich größtenteils einfach mal so übernommen habe.


Stephan:
Ihr scheint recht stark im Blues verwurzelt zu sein. Würdest du sagen, dass die Blues-Elemente der prägende Bestandteil in eurer Musik sind?

Thomas Felberg:
Der Blues sollte ein Element von jeder Art von Rock'n'Roll sein. Er ist überall, es ist die Art zu denken und zu leben. Es ist viel mehr als nur die Töne, die du auf der Gitarre spielst. So betrachtet ist der Blues natürlich ein grundlegender Bestandteil der Musik von WE.

Stephan:
Für mich ist "Lightyears Ahead" doch ein wenig zu kurz ausgefallen. Warum befinden sich nicht mehr Songs darauf?

Thomas:
"Lightyears Ahead" ist eigentlich eine Mini-CD bzw. eine EP. Es soll gar kein volles, zusammenhängendes Album sein. Es ist wie ein Zwischenschritt zwischen unserem letzten Werk "Dinosauric Futurobic" (bei Black Balloon Records/Cargo veröffentlicht) und dem nächsten Longplayer von WE, der irgendwann im kommenden Jahr herauskommen soll. "Lightyears Ahead" ist wie ein Space-Krug, gefüllt mit WE-Gebräu bis zum Rand. Aber es ist eben nur ein einziger Krug. Die Kiste kommt später... (lechz - d. Verf.)

Stephan:
Die Geschichte von dem Freak-Volk, die im Booklet abgedruckt ist, bricht ja ziemlich abrupt ab. Wird sie auf dem nächsten Album weitererzählt und kannst du schon mal einen kleinen Ausblick auf den weiteren Verlauf der Story geben?

Thomas:
Es freut mich zu hören, dass du dich mit der dubiosen Erzählung von Todd Monsoon vergnügt hast. Ja, sie endet sehr abrupt. Aber es wird eine Fortsetzung der Story geben. Und laut Todd Monsoon (Freund von WE, spiritueller Führer und Autor der Story) wird die Geschichte mehr beinhalten als das, was er uns für "Lightyears Ahead" zur Verfügung stellte. Sie wird aber nicht auf unserem nächsten Studioalbum fortgesetzt, eher mal als ein Siderelease irgendwann in der Zukunft. Vielleicht als Rockoper mit Schauspielern, das wäre großartig. Was weiter passieren wird, hat Todd Monsoon bis jetzt noch niemanden aus der Band offenbart. Aber es wird sich auf jeden Fall wieder viel um Charaktere wie Duke Dizzy und Prince Valium drehen und Todd hat irgendwas gemurmelt von neuen Charakteren, die auf so komische Namen wie Lord & Lady Kronkuken oder Miss Soggybottoms hören und die Sleazefreakplanets werden wichtigster Kampfplatz für die Schlacht gegen The Grey Synthetic Force Of Straighto. (Der erste Teil der Geschichte kann im Booklet von "Lightyears Ahead" nachgelesen werden und sie ist, kurz gesagt, sehr amüsant... - Anm. d. Verf.)
Aber bevor das passiert, werden WE mit dem nächsten Album erstmal wieder auf den Boden der Realität zurückkommen, WE wissen nur noch nicht, welche Realität das sein wird...

Stephan:
Gibt es eine bestimmte Botschaft hinter dieser Geschichte, so etwas wie, dass es wichtig ist, eine individuelle Persönlichkeit zu sein?

Thomas:
Wenn du es so willst. Das ist eine berechtigte Annahme. Aber es ist überhaupt nicht klar, was die Story bedeuten soll. Sie ist sehr offen für den Leser/Hörer. Er kann sie interpretieren, wie er es möchte. Das hat auch viel damit zu tun, was du als Grundlage ansetzt. Für einige ist die Freak Capital Of The Universe ein realer Ort und für andere ist es totaler Blödsinn. Beides ist okay, denn das sind alles nur verschiedene Farben auf einer Leinwand, du entscheidest selbst, wie du sie bemalen willst.
Ich persönlich mag deine Sichtweise. Ja, ich denke, dass die Leute individueller sein sollten. Individualität ist mittlerweile etwas, das man kaufen kann... Vergiss die Rockarmy und den bestimmten Look, den du meinst haben zu müssen. Lebe dein eigenes Leben.
Rock'n'Roll ist Bestimmung, Antrieb und Energie - alles ist möglich und alles ist erlaubt. Fühl dich frei...

Stephan:
Welche Drogen muss man nehmen um auf eine solche Geschichte zu kommen?

Thomas:
Die Drogen deines Geistes. Du entscheidest...

Stephan:
Wie kann man sich eine Liveshow von WE vorstellen?

Thomas:
WE gehen einfach raus und fangen an zu jammen. Natürlich wollen WE auch strukturiert zu Werke gehen, aber es sind halt diese beiden Elemente zusammen. Organisiert und locker zugleich, sodass WE sich gut fühlen.
Wir ziehen uns gern irgendwie besonders an um es etwas fantastischer aussehen zu lassen. Ich persönlich mag meinen braunen, brustfreien Katzenanzug mit Fransen, eine Krone auf dem Kopf, Adidas-Schuhe an den Füßen und ein Tamburin in den Händen. Rock'n'Roll muss man fühlen, man kann nur alles geben oder gar nichts. Eine WE-Show ist entweder Top oder Flop. Entweder denkst du, dass WE scheiße sind oder dass sie deinen Rock'n'Roll-Arsch rot und wund getreten haben. Komm und finde es selbst heraus!

Stephan:
Habt ihr schon Gigs in Deutschland gehabt und werdet ihr in absehbarer Zukunft hier auftreten?

Thomas:
WE haben seit den späten Neunzigern immer wieder in Deutschland gespielt. WE hatten immer eine großartige Zeit. WE haben 1999 die Chris Goss-Band MASTERS OF REALITY supported. Zuletzt waren WE im Januar/Februar 2003 in Deutschland und haben in Hamburg, Berlin, Bielefeld und noch ein paar anderen Städten gespielt. Es war eine großartige Tour mit unseren Black Balloon-Labelkollegen EL CACO. WE sind momentan im Studio und schreiben an einem neuen Album. Aber wir hoffen, Anfang 2004 wieder nach Deutschland zu kommen. Ich glaube, der Terminplan wird gerade gemacht. Schaut einfach auf unsere Website http://www.werock.org nach neuesten Infos.

Stephan:
Kannst du ein Liveerlebnis mit WE beschreiben, dass für dich etwas sehr Besonderes war?

Thomas:
Eine unserer schönsten Erinnerungen an Auftritte in Deutschland stammt aus dem Winter 1998. WE waren auf unserer ersten Headlinertour in Deutschland. Es gab etwas Interesse aus einem kleinen Ort mit Namen Enger, wo es diesen legendären Club "Forum" gibt. Der Booker des "Forum" hatte sich eine unserer Shows in Bochum angeschaut und dann kamen wir nach Enger. Es war Tourende und es war ein Samstag. WE sollten nach zwei lokalen Supportbands headlinen. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwarten würde, denn wir waren noch eine ziemlich frische Band. Es wurde schließlich eine ausverkaufte Show und WE spielten eines der besten Konzerte unserer Karriere. Es war umwerfend! Die Crew und das Personal in Enger waren sehr nett.
Jedes Mal, wenn WE danach nach Deutschland kamen, haben wir uns immer mit den Leuten vom "Forum" getroffen und sind Freunde geworden. Auch als sie nach Bielefeld umziehen mussten und ein größeres und besseres "Forum" aufbauten, sind wir in Kontakt geblieben. Es war Freundschaft, die auf der gemeinsamen Liebe zur Musik aufgebaut wurde. WE wollen allen, die am alten und neuen "Forum" beteiligt waren, dafür danken, dass wir immer so willkommen waren. Es ist eine zweite Heimat für uns geworden. Ihr Typen rockt!
Zurück zum Jahr 1998, WE und alle anderen hatten eine große Party nach der Show, welche bis zum nächsten Morgen ging. Fürchterlich verkatert kämpften wir uns bis in ein graues und verregnetes München durch, für unseren Gig am darauf folgenden Sonntag. Wir sind sechs Stunden gefahren um vor einer Handvoll nicht besonders interessierter Bayern zu spielen. WE hatten viele gute Shows in Bayern, aber diese war keine davon. Am nächsten Tag fuhren WE acht Stunden bis nach Travemünde um mit der Fähre nach Schweden und dann nach Hause nach Norwegen zu fahren. Mit den "Cheers" aus Enger, die immer noch in unseren Ohren klingelten...

Stephan:
Würdest du sagen, dass ihr mit eurem Cosmic Biker Rock oder Space Rock oder wie auch immer man das nun nennen mag, ein ganz eigenes Feld beackert, wo sich niemand sonst tummelt?

Thomas:
Die Frage ist, glaube ich, was zuerst kam - das Huhn oder das Ei? Aber wir fühlen uns schon wie in einem eigenen Feld. WE mögen es zu tun, was wir wollen und nicht auf Trends oder Regeln zu achten. Aber WE spielen eine Musik, die auf verschiedenen Traditionen des Rock'n'Roll basiert. WE nehmen etwas Wohlbekanntes und vermischen es mit anderen Dingen. Wenn du also denkst, dass du dieses Gericht noch nie vorher gekostet hast, dann mag das vielleicht stimmen, aber es besteht aus bekannten Zutaten.

Stephan:
Dreckiger Rock'n'Roll scheint ja gerade in Skandinavien wieder sehr aufzublühen. Wie hast du die Entwicklung dieser Musikrichtung in den letzten Jahren erlebt und empfunden?

Thomas:
Rock'n'Roll ist tatsächlich sehr lebendig hier in Skandinavien. Aber er kam nicht plötzlich wieder zurück in den letzten Jahren. Er hat sich langsam weiterentwickelt von Mitte der neunziger Jahre bis jetzt. Keine der skandinavischen Bands, die du kennst, hat erst kürzlich angefangen. Sie alle haben über viele Jahre hinweg gearbeitet und sich entwickelt. Das kam nicht über Nacht, das ist die wahre Liebe für kick-ass-Rock'n'Roll. Ich glaube, darum kommen so viele tolle Rockbands aus Skandinavien. Letztes Jahr war eines der besseren mit der Wiederauferstehung von TURBONEGRO (gute Freunde und Fans von WE, unser Schlagzeuger Krisvaag spielt auf dem Intro von "Skandinavian Leather" die Drums) und anderen Sachen. WE bewegen sich in die höheren Regionen des Underground und 2004 sind WE bereit für den Durchbruch. Haltet euch auf http://www.werock.org über Touren und Neuigkeiten zum Album auf dem Laufenden. Es wird ein paar tolle Neuigkeiten geben, die ich aber im Moment noch nicht verraten kann.

Stephan:
Ihr habt schon eine Reihe von Alben gemacht, kannst du beschreiben, wir ihr euch musikalisch und als Band weiterentwickelt habt?

Thomas:
WE haben sich jedes Jahr entwickelt, in dem wir zusammen waren. Nichts bringt dich so sehr voran wie live zu spielen. Mit jeder Tour sind WE besser geworden. Außerdem reift man als Mensch und sammelt verschiedene Erfahrungen im Leben. Auch das beeinflusst die Musik. Aber am wichtigsten ist wahrscheinlich, dass WE das Gefühl haben, dass wir das Beste noch vor uns haben. Also werden WE weiter Gas geben...
Die nächste Scheibe wird sehr massiv werden, glaube ich. WE haben schon etwas Material geschrieben und WE sind sehr aufgeregt es aufzunehmen. Übung, Livegigs und ein open mind sind die besten Werkzeuge um als Band und auch als Mensch zu wachsen. Entweder man fühlt es oder nicht...

Stephan:
Hattet ihr in der Vergangenheit Lineup-Probleme und habt ihr im Moment ein festes Lineup?

Thomas:
Wir sind mit dem Glück gesegnet, dass wir seit zehn Jahren das selbe Lineup haben. Der Drummer und der Gitarrist sind Brüder (wie VAN HALEN oder SCREAMING TREES) und ich bin mit ihnen aufgewachsen. Wir hatten unsere erste Band mit 14 Jahren und sie hieß PARANOID. 1994 haben WE ihr Debüt "In A Field Of Moose" mit Goshie am Bass herausgebracht. Aber wir schauen nicht zurück...
WE sind genau diese vier Leute, niemand anderes. Da stimmt die Chemie und die Magie des Rock'n'Roll. WE haben zu viel gemeinsam erlebt um das alles aufzugeben.

Stephan:
Seid ihr mit den TURBONEGRO-Jungs gut bekannt, die ja sagen, dass WE die einzige Band sind, die sie live fürchten? Und kannst du das Kompliment zurückgeben?

Thomas:
WE sind gute Freunde mit TURBONEGRO, die Szene in Oslo ist klein, aber lebendig. Alle Bands kennen sich und sind befreundet. Ich persönlich habe mit Euroboy und Chris Summers in einer Band namens COBRA JAMMERS gespielt. Wir haben nur aus Spaß an der Freude 60er und 70er Jahre Musik gemacht. WE's Gitarrist Don hat verschiedene Bands zusammen mit Euroboy in WE's Studio Hangaroundsounds produziert, u.a. SILVER und LOVE THUGS.
WE fürchten TURBONEGRO nicht. WE lieben es immer mit ihnen aufzutreten und WE sind bereits ihren Ass zu kicken, wenn wir können.
WE waren im letzten Jahr für ein paar Shows Support von den QUEENS OF THE STONE AGE. Sehr nette Kerle und obwohl jede Show allein durch QOTSA ausverkauft war, haben WE das nicht gefürchtet. Wir sind einfach rausgegangen und haben unser Ding durchgezogen. Wichtig ist, dass man auf der Bühne versucht ordentlich Arsch zu treten. Aber außerhalb der Bühne sind wir alle vereint. Wir versuchen einfach eine gute Zeit miteinander zu haben. So war es früher und so sollte es auch bleiben, wenn du mich fragst.
It's rockers against the straights you know!

Stephan:
Magst du moderne Rockmusik oder stehst du mehr auf die alten Helden, die frühen Rockbands?

Thomas:
WE mögen jede Musik, die gut gemacht ist und einen gewissen Kick hat. WE lieben alte Musik, aber es gibt auch heutzutage eine Menge exzellenter Bands. Manchmal ist es gut zurückzugehen und sich anzuhören, was die ersten Rocker gemacht haben, damit das Bild nicht verschwimmt. Es ist wie eine Xeroxmaschine, je mehr Kopien du von einem Bild machst, um so verschwommener wird es. Dann muss man manchmal zum Original zurückkehren um zu sehen, wie es eigentlich aussieht...

Stephan:
Als ihr Mitte der Neunziger angefangen habt, was hat es da für dich bedeutet ein Teil von WE zu sein und hat sich daran im Laufe der Zeit etwas geändert?

Thomas:
WE fühlen sich immer noch so frisch und glücklich wie zu Beginn. Das liegt daran, dass dir die Musik einfach ein gutes Gefühl gibt. Es hält dich jung. WE sind bereit rauszugehen und abzurocken, wie als wenn es das erste Mal wäre. Die einzige Sache, die sich geändert hat, ist, dass WE hoffentlich bessere Songwriter und Instrumentalisten geworden sind, weil WE ja auf mehr Erfahrung zurückgreifen können. Rock'n'Roll ist ein Lebensweg, entweder man ist dabei oder nicht. Aber jeder ist willkommen im Rock'n'Roll. Er kommt von den Leuten und ist für die Leute. Das unterscheidet es von klassischer Musik, es ist kein Snob-Genre, oder sollte es zumindest nicht sein.

Stephan:
Werden WE eines Tages die Welt retten? :-)

Thomas:
Ich glaube nicht, dass Musik allein die Welt verändern kann. Aber die Musik kann helfen Schmerzen zu lindern und hoffentlich die Menschen zum Nachdenken anregen. Aber WE sind in der Unterhaltungsbranche. WE offerieren eine Zuflucht vor der tristen Realität. Es ist eine Fantasie, wo du für ein paar Stunden sein kannst, wer immer du möchtest. Wenn das helfen kann, dass jemand innehält und etwas Gutes tut, dann wäre das großartig. WE wollen allerdings auch uns selbst helfen... Also, kauft unsere Alben und unterstützt WE!

Stephan:
Gibt es zum Schluss noch etwas, dass du euren Fans und den Lesern dieses Interviews mit auf den Weg geben möchtest?

Thomas:
Danke für das Interview. Keep on rockin'! Kommt und schaut euch WE an, wenn wir in eurer Stadt spielen. WE werden ihr Bestes geben um euch für euer hartverdientes Geld etwas zurückzugeben. WE lieben, was wir tun und ihr hoffentlich auch.
Und wie Frank Zappa es einmal, leicht inspiriert von Aleister Crowley, in dem Song 'You Are What You Is' ausdrückte: "Do what you wanna, do what you will, just don't mess up your neighbours thrill...". Keep the flame alive! Cheers...

Stephan:
Hab vielen Dank und hoffentlich bis bald auf Tour.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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