WICKED, THE: Interview mit Lucius M. K.
01.01.1970 | 01:00THE WICKED haben mit "Songs To Have Your Nightmares With" gerade ihr zweites Album herausgebracht. Dieser fulminante Schub des Wahnsinns war Grund genug, Sänger Lucius M. K. zu Musik, Filmen und von Menschenhand geschaffenem Leben zu befragen ... Doch lest selbst!
Philipp:
Ihr habt THE WICKED ja als Zwei-Mann-Projekt gegründet, habt ihr eure ersten Demos mit einem Drumcomputer aufgenommen oder haben Nectrotron und du alle Instrumente gespielt?
Lucius M. K.:
Am Anfang haben wir einen Drumcomputer benutzt, weil keiner von uns so gut Schlagzeug spielen kann, wie es für diese Band nötig wäre. Der Sound passte sehr gut zur Band, da der Drumcomputer uns einen gute Basis gab, auf die wir dann Instrumentalelemente aufbauen konnten.
Philipp:
Wolltet ihr THE WICKED zu einem kompletten Vier-Mann-Line-up erweitern oder hat sich das so ergeben?
Lucius M. K.:
Also, einen Drummer haben wir eher zufällig bekommen. Ein Freund von uns ist ein großartiger Drummer und eines Abends war ich mit ihm in 'ner Kneipe. Er hatte unser Demo gehört und versprach im Suff, bei uns Schlagzeug zu spielen, falls wir mit diesem Scheiß jemals einen Vertrag bekämen. Glücklicherweise hat er sein Versprechen gehalten und ist seitdem bei der Band geblieben.
Es gab keinen wirklichen Grund, einen Basser in die Band zu holen, da wir selbst Bass spielen können. Aber während ich einem Labelmanager von Spikefarm neues Material vorspielte, war auch ein Bekannter von mir da und er sagte, dass ihm wirklich gefallen würde, was er hörte. Ich dachte mir, dass dieser Typ bestimmt verrückte musikalische Ideen hat, da er auch ein bisschen verrückt ist – ich fragte ihn, ob er auf unserem neuen Album Bass spielen will, und da waren wir plötzlich zu viert. Es ist eine großartige Verbindung von Persönlichkeiten, wie man auch hört, jeder trägt etwas zur Musik bei.
Philipp:
Ist der Basser ein reguläres Bandmitglied oder war er nur Gastmusiker bei diesem Album?
Lucius M. K.:
Er ist inzwischen vollwertiges Bandmitglied. Er ist nach dem ersten Album, das er als Gastmusiker einspielte, eingestiegen.
Philipp:
In welchen Bands haben du und deine Kollegen denn vorher gespielt?
Lucius M. K.:
Unseren Drummer haben wir MOONSORROW weggeschnappt und unseren Basser bei FINTROLL entführt. Wir haben das beim ersten Album geheim gehalten, aber inzwischen ist es uns egal. Es geht um Musik, nicht um Leute. Wenn jemand damit ein Problem hat, okay, uns ist es egal.
Philipp:
Welche Bands würdest du als eure Haupteinflüsse nennen?
Lucius M. K.:
Das ist 'ne schwere Frage. Wir sind nicht einfach von Musik beeinflusst. Ich zum Beispiel werde von fast allem inspiriert. Ich meine, ich könnte zum Beispiel eine Songidee aus einem Film, den ich sehe, bekommen. Oder von einem einzelnen Bild. Es gibt einen Fotographen, der mir mal 'ne Songidee gegeben hat. Oder ich könnte mich gemauso gut von einem Buch inspirieren lassen ...
... was tatsächlich geschah: Das lyrische Konzept unseres neuen Albums ist an Mark Z. Danielowski's "House of Leaves" [Bisher nicht auf deutsch erschienen, Anm. Philipp] angelehnt, ein wundervolles und sehr verstörendes Buch.
Was die Musik angeht, haben wir viele Einflüsse aus Soundtracks zu verschiedenen Filmen. Der erste "Hellraiser"-Film war sehr wichtig für uns, sowohl musikalisch als auch visuell. Aber es ist echt schwer, spezifische Einflüsse aufzuführen, da unser kollektiver Musikgeschmack unermesslich ist. Wir hören sehr viel verschiedene Musik, aber wir haben alle eine Liebe zu gutem, brutalem Death Metal, was die heruntergestimmten Gitarren erklärt. Um es auf einen Nenner zu bringen, könne ich Bands wie MR. BUNGLE, FANTOMAS und so ziemlich alles von Devin Townsend nennen. Weitere bewusste Einflüsse fallen mir derzeit wirklich nicht ein.
Philipp:
Der Promozettel vergleicht eure Musik mit den Werken Danny Elfmans. Für mich ist es unmöglich, an Elfman's Soundtracks zu denken, ohne an Tim Burtons Filme zu denken, und während ich denke, dass sich Euer Album sehr burtonesk anfühlt, kann ich nicht allzu viele musikalische Anleihen an Elfman finden. Alles in allem, würdest du sagen, dass Elfmans Musik oder Burton's Bilder für euch eine größere Inspiration waren?
Lucius M. K.:
Beides. Für Necrotron geht es mehr um Elfmans Musik und für mich mehr um Tim Burton und seine liebenswerten Visionen. Ich bin von uns beiden eher der Filmtyp und er eher der Soundmensch. Ich werde von seiner Musik beeinflusst und er wird von meinen Visionen inspiriert, was uns zu einem tollen Team macht.
Philipp:
Welcher ist denn dein liebster Burton-Film? Und was ist dein Lieblingsfilm allgemein, wenn's nicht der ist?
Lucius M. K.:
Darüber habe ich schon mal nachgedacht. Ich lasse "Nightmare before Christmas" außen vor, da Burton dort keine Regie geführt hat. Obwohl er ihn nur produziert hat, hat er diese typisch burtoneske Grundstimmung.
Mein Liebster Burton-Film ist "Batman Returns". Er ist auf eine dunkle Weise wunderschön, wie die meisten seiner Filme. Und erst die Charaktere: Batman, der Pinguin und Catwoman erscheinen mir alle sehr real. Sie haben Probleme mit ihrer Identität und es ist alles sehr traurig. Ich mag Filme, in denen die Charaktere authentisch wirken und man sich mit ihnen identifizieren kann ... Bei Fernsehserien mag ich es, wenn Charaktere sich entwickeln – wie im richtigen Leben.
Philipp:
Ich hab das Gefühl, dass das Album voller Filmzitate aller Art ist, nicht nur auf das burtoneske Gesamtkonzept beschränkt. Ist das Absicht oder hab ich in letzter Zeit zu viele Filme gesehen?
Lucius M. K.:
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es tatsächlich beabsichtigt ist, da es inzwischen ein integraler Bestandteil unserer Musik geworden ist. Andererseits aber verstecke ich gern Referenzen auf Dinge, die ich mag, auf unseren Alben. Ich bin so ein großer Filmfan, dass es inzwischen von allein geschieht, aber machmal mache ich's auch mit Absicht.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass diese Band ein eigenes Leben entwickelt hat, als hätten wir einen kleinen Homunculus erschaffen, den wir jetzt nicht mehr kontrollieren können. Er wächst die ganze Zeit und verändert sich ständig.
Philipp:
Die Death-Metal-Parts und die freakigen Effekt- und Humppa-Parts sind eher als Konstraste denn als Teile einer Einheit arrangiert. Warum habt ihr diesen Ansatz gewählt?
Lucius M. K.:
Gewählt? Ich weiß nicht, aber ich würde sagen, dass das von allein passiert ist. Ich denke, das ist so ein THE WICKED-Ding. Wir haben uns keine Beschränkungen oder Richtlinien auferlegt, wie wir etwas tun wollen. Wir lassen uns in allem fast völlig von Gefühlen und Intuitionen leiten. Wir können nicht wirklich planen, weil alle Songs dazu neigen, sich sehr zu verändern, so dass am Ende etwas völlig anderes herauskommt als anfangs geplant. Aber die einzige wirkliche Richtlinie ist das Feeling der Songs. Wir wissen sofort, wenn es nicht nach THE WICKED klingt. Ich weiß nicht, ob das die Frage beantwortet, aber es ist alles sehr chaotisch – auf eine gute Art und Weise.
Philipp:
Mir scheint es, als sei dies Album ein perfekter Soundtrack, als müsse man es als ein Gesamtwerk und nicht als eine Sammlung von Songs betrachten. Wäre der nächste Schritt nicht, ein Album mit nur einem 70-Minuten-Song zu machen, wie es z. B. FANTOMAS mit ihrer letzten Single gemacht haben?
Lucius M. K.:
Dankeschön! Für mich ist dieses Album wie ein Film: Es verfolgt eine Story, die von Musik und Illustrationen unterstützt wird. Es funktioniert als ein Ganzes, nicht nur als Summe seiner Teile. Wenn wir einfach alle Elemente zusammenmixen würden, ohne das Album als Gesamtes zu betrachten, würde es schrecklich klingen. Wir müssen alle Faktoren bedenken, was teilweise echt schwierig ist. Was ein Album mit nur einem Song angeht, darüber haben wir auch schon gesprochen, aber wir können das nicht machen, weil es gerade erst gemacht wurde. Ich hoffte, wir könnten eine 20-Minuten-Single herausbringen, aber ich habe gerade gehört, dass MESHUGGAH sowas gerade gemacht haben. Soviel dazu also. Davon abgesehen, gibt es auch keine Garantie, dass wir eine Single oder EP hätten machen können. Wir sind keine so große Band, aber vielleicht wird uns irgendein nettes Label die Möglichkeit geben. Wir haben unseren Vertrag mit Spikefarm ja erfüllt und sind jetzt ohne Label – mal wieder.
Philipp:
Wie wollt ihr die Orchester und die samplelastigen Songs live umsetzen? Ich würde eure Songs gern live sehen und bin gespannt, ob ihr sie zu straighterem Metal ändern oder für die Orchester und Soundeffekte Samples nutzen werdet, wie zum Beispiel THERION es machen.
Lucius M. K.:
Das ist genau das Problem. Wir müssten extrem viele Samples benutzen, so dass wir die Songs genauso wie auf den Alben spielen müssten, ohne nur einen Ton zu ändern. Davon abgesehen müssten wir noch mehr Leute finden, um Instrumente zu spielen, wir könnten nicht einfach auf die Bühne gehen und spielen. Unser Material verlangt nach mehr als nur einer Band, die Schwarz trägt. Was wir geschaffen haben, ist unzweifelhaft visuelle Musik, weshalb wir eine richtige Bühnenshow haben müssten. Es müsste eine Art Leitmotiv geben. Schau dir RAMMSTEIN oder ALICE COOPER an, auch bei denen geht es nicht mehr nur um die Musik. Bei ALICE COOPER würde ich sagen, dass die Show unerlässlich ist. Obwohl wir in einer ganz anderen Liga spielen, ist es vom Prinzip her dasselbe: Man könnte den Songs ohne eine visuelle Show nicht gerecht werden. Und dann geht es nur noch um die Kosten. Gebt uns Geld, um eine vernünftige Show zu machen, und wir würden über das alles noch einmal nachdenken.
Macht uns ein Angebot, das wir nicht ablehnen können, haha.
Philipp:
Somit ist also an eine Tour oder Festivalauftritte nicht zu denken?
Lucius M. K.:
Wenn RAMMSTEIN uns ihre Pyrotechnik leihen und David Lynch Regie führt, machen wir gerne 'ne kleine Tour. Aber wie die Lage zur Zeit ist, gibt es kaum Hoffnung, uns live spielen zu sehen. Vielleicht machen wir eines Tages ein Musikvideo, das wäre klasse. Andererseits beschränken hier geschäftliche Faktoren die künstlerische Freiheit, anders gesagt: Wir verkaufen nicht genug Platten, um ein Video machen zu können.
Philipp:
Das war's dann so weit, danke, dass du die Frage beantwortet hast!
Lucius M. K.:
Leute! Baut Tempel zu unsere Eheren oder kauft zumindest unsere Alben, damit wir mehr Zeug für euch zum Hören aufnehmen können!
- Redakteur:
- Philipp von dem Knesebeck