WINTERSUN: Im Interview mit Jari Mäenpää

12.10.2012 | 11:14

Ziemlich genau acht Jahre ist es nun her, seit das Debütalbum der finnischen Epic-Metaller WINTERSUN in der Szene einschlug wie eine Bombe. Jetzt legen die Mannen um Mastermind Jari Mäenpää endlich mit "Time I" nach. Höchste Zeit also für POWERMETAL.de mit dem Bandchef über sein ganz persönliches "Battle Against Time" zu sprechen.

Hallo Jari. Wie geht es dir und wie fühlt es sich an, endlich wieder ein neues Album im Gepäck zu haben?

Mir geht es großartig. Es fühlt sich einfach toll an und es ist für uns eine große Erleichterung ein neues Album am Start zu haben. Es war ein wirklicher Kampf beide "Time"-Alben zu komponieren, vor allem was die Orchestrierungen angeht.

Die Fans haben nun acht lange Jahre auf dieses Album gewartet. Was ist in dieser Zeit alles passiert?

Nun ja, ich habe was das Produzieren und Aufnehmen eines Albums angeht schon immer mein eigenes Ding gemacht, weil ich diesen ganzen Prozess einfach liebe und auch dafür verantwortlich sein will. Ich bin nämlich - besonders beim Mixen des Albums - sehr eigentümlich, wenn es um meine eigenen Songs und all die ganzen Effekte geht. Es fing also alles 2006 an, als wir die wesentlichen Schlagzeug-, Bass- und Rhythmusgitarren-Spuren aufnahmen. Danach kümmerte ich mich in meinem Heimstudio um die Overdubs, sprich die Lead- und Akustikgitarren sowie die Soli. Die Vocals nahm ich in unserem Proberaum auf. Bis hierhin lief noch alles gut, aber ich habe nicht realisiert, wie viel Computerleistung diese gewaltigen Orchestrierungen für sich beanspruchen würden. Ich wollte etwas wirklich Überwältigendes erschaffen und war deshalb einfach ein bisschen naiv. 2008 bekamen wir Unterstützung von unserer Plattenfirma und ich konnte endlich mit den Orchester-Arrangements beginnen. Letztlich war es aber immer noch ein Abmühen, da ich nur einen Computer mit begrenztem Arbeitsspeicher zur Verfügung hatte. Unter diesen Umständen konnte ich immer nur an einem bestimmten Riff arbeiten, was nur schleppend voran ging und einfach nur grauenhaft war.

Würdest du uns verraten, wie viele Aufnahmespuren du für Songs wie 'Sons Of Winter And Stars' verwendet hast? Nur um einen Einblick zu bekommen, was es heißt, solche epischen Songs zu produzieren.

'Sons Of Winter And Stars' ist der aufwendigste Song beider "Time"-Alben. Das finale Mixing-Project mit sämtlichen Gesangs- und Orchesterspuren bestand aus mehr als 1.600 Spuren. Das lag aber zum großen Teil daran, dass ich eben immer nur an einem Riff zur gleichen Zeit arbeiten konnte. So hat jedes Riff seine ganz eigene Sound-Palette und beinhaltet 30 bis 100 Spuren. 'Sons Of Winter And Stars' besteht aus 23 solchen Teilen. Den Rest kannst du dir selbst ausrechnen (lacht).

Wie behält man denn da überhaupt den Überblick?

Es benötigt viel Planung und Organisation. Manchmal war es echt schwer, wenn ich gerade am Komponieren war und schnell gearbeitet habe. Da konnte es schon mal ziemlich chaotisch zugehen. Deshalb war es sehr wichtig zu jeder Zeit einen Plan zu haben, da ja jeder Song aus vielen verschiedenen Projektphasen bestand. Sämtliche Akustik- und Rhythmusgitarren sowie den Gesang und die Orchestrierungen verarbeitete ich erst in einzelnen Projekten, um sie dann am Ende alle in das finale Mixing-Project zu importieren.

Fällt es dabei nicht schwer zu sagen "Ok, das wars. Ich bin fertig."?

Ja, das ist auf jeden Fall hart. Im Endeffekt ist man ja nie wirklich fertig, man gibt einfach nur irgendwann auf. Und genau so ging es mir am Ende auch. Ein oder zwei Wochen lang war ich fast schon depressiv, weil ich mir einfach unsicher war und nicht abschalten konnte. Aber wenn ich jetzt, mit etwas Abstand, das neue Album anhöre, bin ich sehr zufrieden mit dem Resultat.

Hatten diese technischen Probleme denn einen Einfluss auf die Songs selbst?

Nicht wirklich, denn ich hatte immer eine klare Vision vor Augen was ich erreichen wollte. Jedes Mal wenn ich an einem Riff feilte, habe ich Soundeffekte und neue Instrumente hinzugefügt, bis ich glücklich damit war. ich wusste immer, wann ein solcher Teil fertig war, also so klang wie er klingen sollte. Und so arbeitete ich mich von Riff zu Riff.

Müssen wir uns denn Sorgen machen wieder acht Jahre zu warten, nachdem beide "Time"-Alben erschienen sind?

Naja, wenn ihr die Alben kauft, dann nicht (lacht). Ich werde auf jedenfall mein Bestes geben und habe auch schon wieder eine Menge neues Material geschrieben. Musik komponieren fällt mir leicht, der schwierige Teil kommt immer erst danach.

Lass uns nun über das lyrische Konzept hinter "Time I" reden. Welchen Bezug hast du denn persönlich zu solchen Themen wie dem Universum, den Sternen und dem irdischen Leben?

Das hat mich schon als Kind immer fasziniert. Vielleicht habe ich auch einfach nur zu viele Science-Fiction Filme gesehen, aber ich war schon immer besessen von dem Universum und den ganzen Fragen "Wer wir sind?", "Wo wir herkommen?" und "Warum wir hier sind?". Ich raff das einfach nicht (lacht).

Ich habe gelesen, dass euer Debütalbum dir persönlich sehr viel bedeutet hat. Verbindest du mit "Time I" oder "Time II" ebenfalls persönliche Erfahrungen?

Ja, ich verarbeite in diesen Alben eine Menge persönlicher Erfahrungen, aber das möchte ich nicht wirklich preisgeben. Ich will, dass die Leute sich mit den Lyrics selbst identifizieren und eigene Erfahrungen damit verbinden. Aber natürlich bestehen die Texte auch aus fiktionalen Dingen und vielen Metaphern, die aber teilweise auch für persönliche Erfahrungen stehen.

Steckt hinter "Time I" und "Time II" ein übergreifendes Konzept, dass beide Alben verbindet oder erzählt jeder Song seine eigene Geschichte?

Jeder Song kann als ein individuelles Stück aufgefasst werden, aber alle drehen sich um die Zeit, die uns als Menschen im Leben bleibt und all die Gefühle und Emotionen, die wir in dieser kurzen Periode durchleben. Dabei geht es vor allem um Gefühle wie Trauer und Schmerz, wenn die Zeit dahin schwindet und wir älter werden, auf der anderen Seite aber auch um Lebensphasen, in denen man sich lebendiger denn je fühlt und nur so vor Energie strotzt, wie es in dem Song 'The Way Of The Fire' thematisiert wird.

Wenn man euer aktuelles Album Cover, das Photoshooting und die Musik selbst betrachtet, fällt auf, dass alles perfekt zueinander passt. Ist dir solch eine Einheit in eurem Auftreten, die über die eigentliche Musik hinausgeht, wichtig?

Ja, ich bin, was das angeht, sehr perfektionistisch. Ich möchte, dass das optische Drumherum meine musikalische Vision unterstützt. Speziell bei den "Time"-Alben haben wir viele orientalische Melodien und Instrumente, also wollten wir solche Elemente auch in unsere Fotos und Artworks mit einfließen lassen.

Ok, kommen wir nun auf die Musik selbst zu sprechen. Ich denke, man kann "Time I" nicht wirklich mit eurem Debütalbum vergleichen, da es so viel komplexer und epischer ausfällt. War das ein dynamischer und natürlicher Prozess des Songwritings oder war es für dich von Anfang an das Ziel ein solch opulentes Werk zu schaffen?

Es war von Anfang an meine Vision eine wirklich überwältigende Hörerfahrung zu kreieren. Eigentlich wollte ich diese Art von Musik schon auf dem ersten Album machen, aber zu dieser Zeit hatte ich einfach nicht die nötigen Mittel zur Verfügung. Ich glaube es fing alles mit DEVIN TOWNSENDs "Infinity" an. Als ich das Album zum ersten Mal hörte, hat es mich einfach umgehauen. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass ich ebenfalls ein solches Album machen wollte, dass die Leute und mich selbst in den Bann zieht. Und für mich war jetzt einfach der richtige Zeitpunkt gekommen dieses Album zu produzieren, da uns ein recht großes Budget zur Verfügung stand, mit dem ich mir all die Synthie-Software und Sample-Libraries besorgen konnte, um ein solch vielschichtiges Album zu erschaffen.

Wenn du "Time I" nun mit dem ersten Album vergleichst, wie würdest du es in deinen eigenen Worten beschreiben?

Das ist extrem schwer, weil das neue Album so viele verschiedene Elemente beinhaltet. Es ist auf jeden Fall ziemlich anders: Es gibt viel mehr Orchester- und Soundtrack-Elemente, es ist viel dynamischer und atmosphärischer, die Musik hat insgesamt einfach viel mehr Tiefe. Besser produziert ist es auch, ich habe mich gesangstechnisch enorm verbessert. Daneben gibt es noch einige Chor-Parts, die ich, bis auf den letzten Refrain von 'Sons Of Winter And Stars', auch alle selbst eingesungen habe. Für diesen letzten Refrain haben wir hingegen eine verrückte Chor-Session mit den Jungs von TURISAS, ENSIFERUM, TYR und KIUAS gestartet. Da standen dann neun Typen um ein Mikro herum und haben sich die Seele aus dem Leib gesungen, während ich das Ganze aufgenommen habe. Das war echt eine tolle Erfahrung und danach hatten wir auch eine verdammt gute Party zusammen (grinst).

In welche Metal-Schublade würdest du persönlich "Time I" stecken?

Wir haben uns dafür entschieden es schlicht Epic Metal zu nennen, um es einfach zu halten. Es stand zwar irgendwann mal noch "Universal Metal" zur Debatte, aber ich denke Epic Metal reicht fürs Erste (lacht).

Wie gehst du denn generell an solche vielschichtigen Songs heran? Hast du immer schon von Anfang an ein Bild im Kopf wie der Song am Ende klingen soll oder tastest du dich Schritt für Schritt heran?

Es fängt meistens mit einer grundlegenden Melodie an. Dabei nehme ich eigentlich immer erst die Gitarre zur Hand spiele ein paar Chords oder gleich ein komplettes Riff. Erst danach arbeite ich mit dem Computer und füge ein paar zusätzliche Melodien und Harmonien hinzu und kreiere ein paar erste Bass- und Drum-Arrangements. Da macht Kai aber natürlich auch einiges, weil er einer der besten und für mich sogar der beste Drummer überhaupt ist. Er kommt immer mit einer Menge Ideen an, wobei ich aber meist schon selbst eine Vision habe, wie das eigentliche Endprodukt klingen soll. Allein wenn ich ein simples Riff spiele, weiß ich schon welche Instrumente noch dazu passen.

Vorher hast du es ja schon selbst angedeutet, dass in dem Album viele orientalische Elemente stecken. Ich denke vor allem bei 'When Time Fades Away' kommen diese japanischen Melodien klar zur Geltung. Woher kommen diese Einflüsse?

Das fing an, als ich als kleines Kind auf dem Commodore 64 "Last Ninja 1&2" gespielt habe. Ich habe diese Spiele geliebt und die Soundtracks waren damals schon verblüffend. Auch heute höre ich sie mir noch ab und zu an. Von Filmen wie "Memoirs Of A Geisha" und "Crouching Tiger, Hidden Dragon" wurde ich ebenfalls stark beeinflusst. Ich mag solche Filme, sie haben wirklich Tiefgang und kreieren eine wunderbar magische Atmosphäre. Deshalb habe ich angefangen immer mal wieder mit solchen Melodien herumzuexperimentieren. Auf dem ersten Album gab es auch schon kleine Anhaltspunkte, aber jetzt war die Zeit einfach reif, solche Elemente für sich zu entdecken, weil auch eine ziemlich coole Sample-Library rauskam.

Gab es daneben auch noch weitere musikalische Einflüsse, die dich bei der Arbeit zu "Time I" geprägt haben?

Nein, ich denke wirklich andere Einflüsse gab es bei diesem Album sogar noch weniger als beim ersten. Ich wollte einfach ein Album machen, dass nach einem Original klingt und dabei versuche ich auch wirklich meinen eigenen Stil zu finden. Natürlich verneine ich meine frühen Einflüsse wie DISSECTION oder METALLICA nicht, aber ich bin überzeugt, dass ich gerade mit diesen zwei "Time"-Alben meinen eigenen Weg, Musik zu schreiben, gefunden habe.

Gibt es denn aus musikalischer Sicht Unterschiede zwischen "Time I" und "Time II"?

Ja, beide Alben unterscheiden sich sogar sehr. Natürlich ist der Gitarrensound der gleiche, aber die Orchestrierungen fallen sehr unterschiedlich aus. Die Songs von "Time II" sind noch vielfältiger und kontrastreicher. Vor allem die zwei letzten Lieder 'Storm' und 'Silver Leaves' sind wie zwei Gegensätze, wie Yin und Yang.

Die Orchestrierung nimmt nun eine viel größere Rolle für den gesamten WINTERSUN-Sound ein. Können wir das auch in Zukunft von euch erwarten?

Ja auf jeden Fall, aber ich habe auch noch ein paar andere Asse im Ärmel. Ich denke, was das Arrangieren der Orchesterparts angeht, verbessere ich mich mehr und mehr und im Laufe der Zeit werde ich mir noch bessere Sound-Libraries anschaffen, also wird dies auch definitiv ein wichtiger Bestandteil der nächsten Alben sein.

Wenn wir schon über die ganzen Orchestrierungen reden, könntest du dir denn vorstellen deine Songs einmal mit einem kompletten Orchester live zu spielen?

Ja, auch unser Management hat das mal zur Sprache gebracht. Je nachdem wie sich unsere "Time"-Alben verkaufen, könnte das durchaus passieren, dass wir mal mit einem Orchester auftreten werden. Das wären dann aber nur ein paar ausgewählte Shows oder vielleicht sogar auch nur eine einzige. Wir werden sehen, es hängt aber natürlich hauptsächlich von unserem Budget ab und benötigt viel Planung.

Ok, lass uns nun auf die anstehende Heidenfest-Tour zu sprechen kommen. Steckt ihr denn schon in den Vorbereitungen?

Ja wir hatten schon ein paar gemeinsame Proben, aber es gibt noch einiges zu tun für mich. Die neuen Songs erfordern viel Ausdauer und ich muss bei guter Gesundheit sein, um sie spielen zu können. Letztes Jahr habe ich mich dann auch dafür entschieden, auf Tour nicht mehr zu trinken, weil der Kater danach immer schlimmer wird, je älter ich werde (lacht). Das macht es für mich unmöglich, aber ich bevorzuge es sowieso Shows zu spielen, wenn ich hundertprozentig fit bin.

Was dürfen wir von euch auf Tour erwarten?

Ich bin sicher, wir werden tolle Shows spielen. Wir haben ein paar neue Back- und Sidedrops, die wir zuvor noch nie benutzt haben. Vielleicht wird es sogar die ein oder andere Überraschung geben, aber ich will nicht zu viel verraten. Natürlich werden wir das neue Album vorstellen, aber auch altes Material spielen. Ich denke, es wird einfach eine großartige Metal-Show.

Wie sehen eure Pläne nach der Heidenfest-Tour aus?

Direkt nach den Heidenfest-Shows steht eine US-Tour mit ELUVEITIE an. Wir haben keine Ahnung, wie bekannt wir dort sind, das werden wir erst noch herausfinden. Danach werde ich anfangen "Time II" zu mixen. Im April nächsten Jahres besteht eine gute Chance, dass wir eine Headliner-Tour in den USA machen werden. Nächsten Sommer werden wir dann versuchen, so viele Festival-Shows wie möglich zu spielen. Ende 2013 wollen wir einige andere Länder wie Japan oder Australien bereisen und "Time II" veröffentlichen. Danach geht alles wieder von vorne los.

Ein letztes Statement an eure Fans...

Nun, hoffentlich werdet ihr euch das neue Album holen. Ich hoffe ihr werdet es lieben und uns weiterhin unterstützen. Es wäre toll, wenn ihr zu unseren Shows kommt. Wir sehen uns auf Tour!

Redakteur:
Marco Götz

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