17. Wave-Gotik-Treffen - Leipzig
27.05.2008 | 16:0209.05.2008, Diverse Veranstaltunsgorte
Samstag, 10.05.2008
Die Sonne lacht, kein Kater in Sicht, also werden die Getränke gepackt und auf zur wunderschönen Parkbühne. Bei diesem herrlichen Wetter ist es eigentlich auch völlig egal, wer da spielt. Auf der Wiese liegen und Musik lauschen, was will man mehr? Eröffnet wird der musikalische Reigen mit REPTYLE aus Bielefeld. Die Ost-Westfalen überzeugen mit duftem Goth-Rock, auch wenn mir der T-Shirt-Spruch des Gitarristen ("Real Gothics Are Old") mir länger als die Musik in Erinnerung bleiben dürfte. Besser wird er da mit ESCAPE WITH ROMEO. Ein Name, der mir schon seit ewigen Zeiten im Ohr rumschwirrt. Nur musikalisch kannte ich die Jungs bisher nicht. Das soll sich jetzt ändern. Mit 'Escape With Romeo' legen die Kölner gefühlvoll los. Soundtechnisch erinnern mich die Männer ein wenig an PLACEBO. Wenn das jemand nicht nachvollziehen kann, immer dran denken: Sonne ist heiß wie Sau und der Amaretto auch bald. END OF GREEN schließen sich nahtlos an. Die Stuttgarter Goth-Rocker, die ihren Stil als "Depressed Subcore" (!) bezeichnen, zeigen, warum sie sich bereits mit Größen wie IN EXTREMO oder auch PARADISE LOST die Bühne teilen durften. Sänger Michelle Darkness (was für ein Name!) zeigt sein hervorragendes Gesangsorgan, während vor allem Gitarrist Sad Sir für mächtig Wirbel sorgt. Dreads und Gitarren sind eben eine perfekte Mischung. Ein weniger gute Kombination sind dagegen Alkohol und wenige Toiletten. Während die Männertoilette des benachbarten Cafes einen anstrengenden, jedoch unterhaltsamen Nachmittag erlebt, leiden wie üblich die Lokalitäten des Frauenklos - die Armen.
JESUS ON EXTACY sind endlich an der Reihe. Mit ihrem neuen Album in der Tasche vermögen sie der Parkbühne ordentlich einzuheizen. Ihr an den DOPE STARS angelegter Electro-Rock bzw. Metal macht Laune. Kann aber auch an den wirklich hübsch anzusehenden Protagonisten liegen kann. Sowohl für Männlein wie auch Weiblein wird einiges für's Auge geboten. Songs a la 'Beloved Enemy' oder 'Neochrom' zünden sofort, auch wenn ich mich frage, wieso es einen echten Drummer braucht, wenn die Geräusche aus Richtung der Schießbude wie aus dem Computer klingen. Draußen führt es gerade eine bunte Schar Yogafreaks durch den Park, während JESUS ON EXTACY sich von ihren Jüngern, der "Church Of Extacy" verabschieden. Wir sagen für Heute auch erstmal Ciao und machen uns auf den Weg zur AGRA. Denn GOTHMINISTER muss man sich wirklich nicht antun. Überfüllte Straßenbahnen ahoi, und erneut wird zunächst der Walk Of Fame an der AGRA besucht. Immer wieder ein Vergnügen. Obwohl - nackte Haut ist ja schön und gut, trotzdem sollten manche Herrschaften aus Rücksicht vor ihrer Umwelt sich etwas züchtigen.
Kurz nach 9 Uhr, die Sonne hat gleich Feierabend. Alle Elektro-Liebende noch lange nicht. Zunächst erfreuen HOCICO die zappelwütigen. Ein nett anzusehendes Inka-Intro mit kostümiertem Protagonisten tanzt über die Bühne – hoffentlich kein Regen-Tanz! Dann gibt es aber kein Halten mehr. Erc Aicreg stürmt auf die Bühne und beackert in der folgende Stunde bestimmt jeden einzelnen Zentimeter von ihr. Auf und ab, links und rechts, unten und ... ähm ... oben jetzt doch nicht. Der Sound kommt fett aus dem Rechner. Dies scheint aber den anwesenden Gästen nicht weiter zu stören. Ob jedoch die Stimme ebenfalls Playback ist, bleibt fraglich, aber im Bereich des Möglichen. Denn so einen sauberen kratzigen "Gesang" kenn ich bisher nur von CD. Wenn es echt live war - Respekt! Wenn nicht, kann man nur hoffen, dass das WGT in Zukunft solche "Musiker" zu Marjike Amado schickt und nicht ein Traditionsfestival zur Kirmes macht. Mit einer sehr schicken Videoshow im Hintergrund gibt es außer Sänger Erc Aicreg noch ein weiteres Hauptaugenmerk, das für Unterhaltung sorgt. Die Stimmung ist fett, Tanzbeine wohin das Auge reicht. Nach 50 Minuten ist Feierabend für die Mexikanischen Elektro-Heroen.
Die Schweden von COVENANT haben nun die Aufgabe, die Stimmung weiter am Brodeln zu halten. Und genau das machen sie nicht. Wie doof kann man eigentlich sein? Nicht nur, dass sie erstmal zehn Minuten zu spät anfangen, nein. Man lässt ein unglaublich belangloses und nerviges Intro abfahren, dass selbst die Speed-Fraktion in kollektiven Dornröschen-Schlaf verfällt. Der Sandmann ist heut ein Schwede und macht seine Aufgabe hervorragend. Einige Harte überleben diese Zeitverschwendung nun doch und zappeln bei den ersten Songs ordentlich. Sänger Eskil Simonsson trotzt gelangweilt und grinsend über die Bühne. Diese Show hat die Raffinesse eines Holzbrettes. Belangloser Elektro-Pop für Leute ohne Taktgefühl. Wenn mich nicht alles täuscht, präsentierten uns COVENANT sogar einen neuen Song - na, wunderbar! Aber Jungs - dass der Sound Playback ist, ist ja schon schlecht genug, aber muss der Keyboarder so tun, als würde er live singen? Nach einer Stunde ist genug mit Kaspermucke. Kurz auf den Plan geschaut. Was? Zwei Stunden warten, um mich von NORTHERN LITE endgültig in den Schlaf zu wiegen? Keine Chance ... also auf zur Moritzbastei, wo die zukünftigen Elektro-Pop-Götter von GOJA MOON ROCKAH bereits die Tonne zum Beben bringen. Schon auf der letzten UNHEILIG-Tour konnten sie überzeugen. Nun der nächste Schritt zum Olymp. Leute, Leute, Leute: Früher stand die Szene für musikalische Abwechslung. Warum in Teufels Namen läuft in allen drei Floors Elektro? Ist die Szene so arm geworden, dass es sich echt nur noch um Tanzen und Verkleiden dreht? Nach einem letzten Cuba Libre ist Schluss. Prost!
- Redakteur:
- Enrico Ahlig