1. Dark Dance Festival - Lahr

24.12.2002 | 03:11

21.12.2002, Universal D.O.G.

Bereits Ende 2000 hatte ich im Universal D.O.G. in Lahr (zwischen Freiburg und Offenburg) einer Veranstaltung beigewohnt, deren Namen dem aktuellen Event stark glich: Damals nannte sich die Sache noch "Süddeutsches Dark Dance Treffen", war bereits das Dritte seiner Art und beschränkte sich - neben einem angekündigten Auftritt der Österreicher SANGUIS ET CINIS, welcher dann aber doch ausfiel und den holperigen Live-Versuchen einer unbekannten Underground-Band - hauptsächlich auf das Bereitstellen von drei Clubräumen mit unterschiedlichen Musikstilen wie Dark Wave, Elektro und Gothic, dem Verkauf von Schmuck und Klamotten sowie diversen Bondage- und SM-Showeinlagen, die meistens aber eher zum Wegschauen denn zum Genießen einluden.
Die nächsten zwei Jahre verschwand die Veranstaltung, warum auch immer, fürs erste von der Bildfläche, um erst jetzt unter leicht geändertem Namen und einer stattlichen Liste an teilnehmenden Bands wieder aufzutauchen: Neben bekannten Vertretern aus der Elektro- und EBM-Szene wie DAS ICH, APOPTYGMA BERZERK und IN STRICT CONFIDENCE hatten sich auch die Mittelalter-Rocker SUBWAY TO SALLY angekündigt - für mich neben DAS ICH der Hauptgrund, spontan gen Lahr aufzubrechen.

Das komplette Billing - welches ich hier aus Gründen der Vollständigkeit aufführen möchte - setzte sich wie folgt zusammen: Es spielten APOPTYGMA BERZERK, SUBWAY TO SALLY, MESH, IN STRICT CONFIDENCE, DAS ICH, NAMNAMBULU, ACCESS_DENIED, Wayne Hussey (THE MISSION), BLOODFLOWERZ, IN MY ROSARY, NUUK, METALLSPÜRHUNDE und SWALLOWED, verteilt auf zwei Auftrittsmöglichkeiten - nämlich die zentrale Halle des Universal D.O.G. mit gut 500-700 Personen Fassungsvermögen und dem hinteren, wesentlich kleineren Club. Da mich und Begleitung ein Großteil der unbekannteren Bands nicht interessierte, wurde beschlossen, nicht zu Festivalbeginn um 19 Uhr in Lahr einzutreffen, sondern erst um 21 Uhr - was sich als Fehler herausstellen sollte: Nachdem erstmal die heruntergefallene Kinnlade angesichts der 32 Euro (!!!) Eintritt wieder an seinen angestammten Platz zurückbeordert werden musste, zeigte ein Blick auf die aushängende Running Order, dass DAS ICH ihren Auftritt bereits vor gut 20 Minuten beendet hatten. Arg!!! Dumm gelaufen - so kann's halt kommen, wenn man die Bandspielzeiten nicht kennt - aber wenigstens SUBWAY TO SALLY waren uns sicher. Und bis die Berliner sich auf der Bühne zeigten, galt es, noch zwei andere Bands abzuwarten, also Bierchen an der Bar organisiert (welches mit unglaublichen 3 Euro für grade mal 0,3 l ein noch größeres Loch in den Geldbeutel riss) und ab in die Halle... .


IN STRICT CONFIDENCE

Die Elektroniker von IN STRICT CONFIDENCE waren gerade dabei, ihren ersten Song anzustimmen, als wir uns unseren Weg vom Foyer in die Halle bahnten. Das Publikum drängte sich, wohin man auch sah, sowohl vor der Bühne als auch oben auf den Balkonen zu beiden Seiten des Saales und reagierte äußerst positiv auf die vorgetragenen Tanzkracher. Gemeinsam mit Keyboarder, unterstützendem Gitarristen und Drummer feuerte der Sänger seine heiseren Vocals zu den treibenden Rhythmen ab und erntete eine Menge Jubel und Applaus. Gut, man muss der Combo lassen, dass sie recht gute EBM-Stücke wie "Herzattacke" oder Bandevergreen und Clubhit "Zauberschloss" zustande bringen bzw. gebracht haben, aber großartige Unterschiede oder Besonderheiten zu anderen Bands des gleichen Genres kann ich bis heute nicht feststellen. Aber was soll's, die Zauberschlosserbauer brachten an diesem Abend viel Stimmung und Kurzweile unters anwesende Volk, und das ist ja die Hauptsache. Den Einsatz der blonden Sängerin, die etwa ab der Mitte des Auftritts hinzugezogen wurde, hätte man jedoch getrost lassen können, denn die hübsche Dame erwies sich als Tänzerin viel effizienter denn als Goldkehlchen.

MESH

Die Synth Pop/Elektro-Truppe MESH aus dem englischen Bristol sagte mir eigentlich nur vom Namen her was, deswegen war ich recht gespannt auf das Können der Inselbewohner. Irgendwie hatte ich vorher nämlich vermutet, etwas in Richtung Industrial oder Crossover geboten zu bekommen, warum auch immer..., das wiederlegte die Band aber gleich mit ihren ersten Songs, die oft Parallelen zu Kollegen wie DEPECHE MODE aufwiesen. Allerdings biss sich das Outfit der Truppe ein wenig mit ihrer Musik, denn auf den ersten Blick konnte man doch tatsächlich vermuten, eine HipHop- oder NuMetal-Formation vor sich zu haben - dass der Sänger mit seiner schwarzen Wollmütze von weitem dann auch noch verdächtig nach Fred Durst von LIMP BIZKIT aussah und sich auch entsprechend cool zu geben suchte, machte das Ganze noch einen Tick komischer. Aber nun weg von Äußerlichkeiten, die stehen hier ja weniger zur Debatte als vielmehr die gebotene Mucke: Melodisch-melancholische Synthiestücke mit leichtem EBM-Einschlag bestimmten das Konzert, wobei die Stimme des Sängers etwas weniger Weichspüleranteil gut vertragen hätte. Das meiste dargebotene Liedgut wie "Trust You" oder "The Purest People" konnte auch nicht wirklich vom Hocker reißen, allein "Leave You Nothing" kam mit seiner Ohrwurm-Melodie und dem klasse Refrain richtig gut rüber. Was das Publikum angeht, so schien da eine ganze Armada an MESH-Fans dabeigewesen zu sein, denn die Briten wurden vor Allem in den vorderen Reihen wild abgefeiert. Und für diejenigen, die die Band noch nicht kannten, war mitgehen und -singen auch kein Problem, wurden doch neben kleinen Videosequenzen auch viele der Songtexte im Verlauf des Auftritts auf die Bühnenwand projeziert.
Alles in Allem eine ganz nette Show, bei der MESH-Fans sicher auf ihre Kosten gekommen sind, mir für meinen Teil war's aber streckenweise etwas zu viel des Herz-Schmerz-ElektroPops.

SUBWAY TO SALLY

Spätestens beim Auftritt der Berliner merkte man doch stark, dass sich eine Menge an "normalem" Discovolk ins Universal D.O.G. verirrt hatte - die können zwar mit den Elektrobands noch was anfangen, aber Gitarren und Konsorten, das ist für deren armen Gemüter wohl doch etwas zu viel. Zumindest habe ich vorher noch nie ein so lahmes und zurückhaltendes Publikum bei einem SUBWAY TO SALLY-Konzert gesehen, geschweige denn aufgetakelte Mädels in Nadelstreifen und Stöckelschuhen sowie geltriefende Muskelprotze in der ersten Reihe - die dann auch noch 1 1/2 Stunden stoisch dastehen, dümmlich glotzend Kaugummi kauen und weder ein noch so winziges Kopfnicken geschweige denn Applaus nach den Songs zustande bekommen. Meine Güte... . Dabei waren die Potsdamer gewohnt gut in Form und spielten routiniert ihr Repertoire an Klassikern und aktuellem Material wie "Sag dem Teufel" (leider immer noch in der gewöhnungsbedürftigen Live-Version), "Henkersbraut", "Ohne Liebe", "Mephisto", "Kleid aus Rosen", "Die Schlacht" oder den "Veitstanz". Optisch gab's auch nichts zu beanstanden, das neue, martialische Leder- und Synthetikoutfit schmeichelte besonders der in schwarzem Mini und Mantel auftretenden Frau Schmitt, die Pyroeffekte und Feuerspuckeinlagen zu "Die Hexe" saßen genauso wie Erics Kommentare, Sprüche und bekannten kleinen Showeinlagen zwischen und während den Songs. Und trotzdem, das reichte nicht wirklich, um die Leute anzuheizen. Was nun aber nicht komplett falsch verstanden werden soll: Applaus, Haarewirbeln, Hüpfen, Mitklatschen und -singen gab es wohl (juhu, ich war also doch nicht ganz allein :-)), jedoch nicht annähernd in dem Maße, wie man es ansonsten von SUBWAY TO SALLY-Konzerten gewohnt ist. Aber auch ohne überkochende Stimmung kam man zumindest musikalisch auf seine Kosten, und die Zugabe "Falscher Heiland" machte schonmal Appetit auf das im kommenden Jahr anstehende neue STS-Album "Engelskrieger". Einziger Faux-Pas: Trotz "Blut, Blut,..."-Chören zum Abschluss wurde kein "Julia und die Räuber" mehr angestimmt. Schade. Trotzdem: Der bisher mit Abstand überzeugendste Auftritt des Abends.


Im Anschluss ließen zwar noch die als EBM-Könige gefeierten APOPTYGMA BERZERK zu stampfenden Beats in die Halle bitten, nach deren ersten zwei bis drei Songs und einem kurzen Abstecher zu den im Elektro-Rock-Bereich agierenden NUUK im hinteren Club beschlossen wir aber, die Segel zu streichen, zumal noch eine einstündige Heimfahrt auf uns wartete. Außerdem klang die Aussicht, den BLOODFLOWERZ von 3.00 bis 4.00 Uhr beim "Räumungskonzert" des Universal D.O.G.s beizuwohnen, nicht wirklich verlockend - ohne die 'Blutblumen' angreifen zu wollen.

Resümmierend kann ich über das 1. Dark Dance Festival folgendes sagen: Das Event mag gutgemeint sein, zumal der Süden der Republik noch Entwicklungsland bzgl. Gothic und Metal ist, aber trotz des recht anständigen Billings waren die 32 Euro Eintritt mehr als unverschämt - für fast den gleichen Betrag bekommt man beispielsweise beim Summer Breeze drei Tage lang Musik en masse geboten. Und warum man mit fortschreitendem Abend nicht etwas mit dem Preis runtergeht, wie es bei anderen Veranstaltungen normalerweise der Fall ist, will mir auch nicht so ganz einleuchten - ebenso wie die Tatsache, dass man eine seit über zehn Jahren führende und innovative Band wie DAS ICH vor relativen Neulingen wie IN STRICT CONFIDENCE spielen lässt.
Zumindest konnte man sich in den Umbaupausen nett über manch' seltsame Personen auf der in der Nähe des kleinen Clubs gelegenen Tanzfläche amüsieren, von passionierten GoGo-Tänzern in Cowboystiefeln und Strickpulli über beleibte junge Damen im engen Leopardenmuster-Kleid bis hin zu NeoFolk-Mädels im Wednesday Addams-Outfit herrschte der pure Karneval.

Für das 2. Dark Dance Festival würde ich den Veranstaltern empfehlen, etwas mehr an die Liquidität der Besucher zu denken sowie beim Verpflichten der Bands nachzudenken, denn SUBWAY TO SALLY oder die BLOODFLOWERZ mögen rocktechnisch noch so gut sein, zwischen primär Elektro- und EBM-Bands und einem Publikum, das hauptsächlich auch nur sowas hören und sehen will, haben E-Gitarren schlechte Karten.

Redakteur:
Kathy Schütte

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