ALESTORM, ENSIFERUM, TYR, HEIDEVOLK und ELVENKING - Bremen
26.01.2025 | 16:4914.01.2025, Aladin
Eine weitgehend schöne Folk-Metal-Sause!
Das "Paganfest" ist wieder da - und wie! Zehn Jahre herrschte absolutes Schweigen im Heidenwalde. Doch gleich zu Beginn des neuen Jahres kehrt die beliebte Konzertreihe wieder zurück auf die Bildfläche. Mit einigen alten Bekannten. Grund genug, uns Dienstag direkt nach Feierabend (Einlass war schon um 17 Uhr) in den Zug Richtung Bremen-Sebaldsbrück zu setzen. Der Einlass geht schnell, auch ein kaltes Bier findet ohne Umwege in unsere Hände und nach dem ersten Schreck bezüglich der Shirtpreise (allesamt jenseits der 35 Euro und damit auch jenseits meiner Schmerzgrenze) geht die Show auch schon los. Das noch eher luftig gefüllte Aladin steht bereit für den ersten Act des langen Abends.
Diesen Slot besetzt ELVENKING aus dem Norden Italiens. Obwohl dort schon das ENSIFERUM-Backdrop hängt. Die ersten drei Bands müssen also ohne eigenes Bild auskommen, wahrscheinlich um die Umbauzeiten zu minimieren. Die Grenzgänger zwischen europäischem Melodic Metal und Folk Metal jedenfalls veröffentlichen in ein paar Monaten ihr inzwischen schon zwölftes Album und gehen entsprechend motiviert zu Werke. Das überträgt sich leider nicht so ganz auf das Publikum. Problem: natürlich der Sound. Das Thema begleitet uns noch den ganzen Abend, wobei es so schlimm wie jetzt zu Anfang nicht mehr wieder wird. Man hört nämlich vor allem das Schlagzeug vom zurückgekehrten Symohn. Auch die Fidel ist noch ganz gut zu hören, was mir zumindest dabei hilft, die Songs zu erkennen. Es wird zwar nach und nach besser, aber die Saiteninstrumente lassen sich bis zum Schluss nur erahnen.
Auch Damnas Gesang geht immer mal wieder unter. Wobei dieser heute auch ganz schön sleazig ans Werk geht, um es mal positiv auszudrücken. Das gefällt mir aus dem Studio viel besser. Die Stimmung ist trotzdem gut, vor und auf der Bühne, die durch die ALESTORM-Aufbauten schon ganz schön eingeschränkt ist. Gespielt werden gleich zwei Songs vom kommenden dritten Teil der "Reader Of The Runes"-Trilogie. Darüber hinaus gibt's mit 'Silverseal', 'Pagan Revolution' (wann, wenn nicht hier?) und natürlich 'Elvenlegions' einen ganz netten Querschnitt aus dem jüngeren Schaffen der Band aus dem kleinen Sacile. Als einziger etwas älterer Song hat es 'The Divided Heart' in die Setliste geschafft. Auch gut. Nach 40 Minuten erklingt auch schon das Outro, anders ist das straffe Programm wahrscheinlich auch nicht einzuhalten.
Setliste: Throes Of Atonement; Pagan Revolution; Silverseal; Moonbeam Stone Circle; The Horned Ghost And The Sorcerer; Luna; The Divided Heart; Elvenlegions
Kaum eine Verschnaufpause bleibt, bis es schon weiter geht. Tatsächlich steht nach 20 Minuten schon die nächste Truppe bereit. Dabei handelt es sich um gelderländische Formation HEIDEVOLK. Die Lücken auf dem metallverstärkten Boden vor der Bühne füllen sich langsam, als eine ziemlich Black-Metal-Walze einsetzt. Wow! Deutlich härter als auf dem letzten Album wird 'Hagalaz' angestimmt. Der neue Sänger Daniël Wansink beherrscht nicht nur das Duett mit Jacco de Wijs perfekt, sondern kann auch ordentlich kreischen. Und der Rest der Band hat wohl auch ordentlich Lust auf Lärm. Das gefällt mir sehr gut, halte ich doch das 2023er Album "Wederkeer" aufgrund seiner Gleichförmigkeit für das bisher schwächste der Band. Heute werden direkt vier Songs davon zum Besten gegeben, die allesamt durch den hörenswerten Auftritt gewinnen. Der Sound ist bei Band Nummer zwei nur ganz am Anfang merkwürdig und wird dann schnell besser. Dann tobt die Halle. Zum großartigen 'Winter Woede' beispielsweise, zur leider auf Englisch vorgetragenen Midtempo-Hymne 'A Wolf In My Heart' und zum 'Saksenland' natürlich. Besonders ergötze ich mich an 'Krijgsvolk' vom Debüt. Auf dem übrigens keiner der hier heute auftretenden Musiker gespielt oder gesungen hat. Aber das nur am Rande. Beendet wird der starke Auftritt mit dem eher unnötigen 'Drinking With The Gods (Valhalla)' und dem standesgemäßen NORMAAL-Cover von 'Vulgaris Magistralis', das nun mal einfach dazu gehört.
Setliste: Hagalaz; Winter Woede; A Wolf In My Heart; Schildenmuur; De Strijd Duurt Voort; Saksenland; Krijgsvolk; Drinking With The Gods (Valhalla); Vulgaris Magistralis
Die ersten beiden Bands hatten nur 40 Minuten, das wird jetzt bestimmt besser, oder? Immerhin ist es hauptsächlich die nächste Band auf dem Zettel, wegen der ich hier bin. Da ist doch bestimmt eine Stunde drin, nicht wahr? Nein? Nunja, meine Uhr sagt mit nach dem Auftritt von TÝR, dass es immerhin fünf Minuten mehr waren. Man nimmt, was man kriegen kann. Denn obwohl ich das letzte Album der Färinger mit dem ungarischen Schlagzeuger für das schwächste der Band halte, bin ich doch weiterhin großer Fan von Heri Joensen und seiner Band. Außerdem ist es schon ein paar Jahre her, dass ich einen Auftritt erleben durfte. Nach anfänglichen Soundproblemen (ach was?) und einem kleinen Sturz vom dauergrinsenden Bassisten Gunnar Thomsen beim zu sportlich angesetzten Hüpfer auf eine Stufe, findet der Vierer schnell seinen Rhytmus. Ich werde direkt mitgerissen.
Während der noch neue junge Gitarrist Hans Hammer mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze noch etwas unsicher wirkt, liefern die erfahreneren Musiker genau das ab, was ich erhofft habe. Diese Band könnte ich mir stundenlang ansehen. Aber so viel Zeit bleibt nicht, also gibt es neben drei Songs vom aktuellen Album "Battle Ballads" einen guten Querschnitt durch die Diskographie, gänzlich ohne irgendwelche Überraschungen, wenn man die Band schon einmal live gesehen hat. Macht aber nichts, denn Songs wie 'Sinklars Vísa', der aus so einigen Kehlen mitgesungen wird, 'Blood Of Heroes' oder 'By The Sword In My Hand' sind ja ziemlich perfekt. Direkt in die Heiserkeit treibt mich 'Hail To The Hammer', das in meiner Welt eine unsterbliche Hymne ist. Gänsehaut, besser geht's nicht.
Setliste: By The Sword In My Hand; Axes; Regin Smiður; Hammered; Blood Of Heroes; Hail To The Hammer; Dragons Never Die; Sinklars Vísa; Hold The Heathen Hammer High
Der Abend ist schon etwas fortgeschritten, als endlich die Band zum Schriftzug hinten auf die Bühne tritt. Ein 30-jähriges Jubiläum darf man durchaus feiern, auch wenn ja nur noch Markus Toivonen von damals mit dabei ist. Für mich war ENSIFERUM in meiner metallenen Anfangszeit eine sehr präsente Band, ungefähr ab "From Afar" trennten sich allerdings unsere Wege und ich habe nur noch am Rande wahrgenommen, was da aus Helsinki kam. Nach dem ersten Soundmatsch dauert es aber trotzdem nicht lange, bis ich vertraute Klänge wahrnehme.
'Twilight Tavern'? Ja, der Text sitzt noch eingermaßen. Ich bin der Band um Frontmann Petri Lindroos sehr dankbar, dass immer mal wieder auch ältere Songs in die einstündige Setliste eingewoben werden. Denn die sind offensichtlich nicht nur mir sehr vertraut, sondern auch dem Rest des nun wirklich gut gefüllten Saals. Spätestens bei 'Lai Lai Hei' brechen alle Dämme und es regiert der Folk Metal. Da wird hemmungslos gemosht, gegrölt und gesurft, es ist herrlich!
Zum Ende des Sets hin, komme ich mit den Klassikern 'Victory Song' und 'Iron' dann auch nochmal voll auf meine Kosten. Zwischendurch bin ich aber doch etwas verwundert, wie anders das neuere Songmaterial tönt. Das ist ja durchaus recht soft, was wir da auf die Ohren bekommen. Wo ist die finnische Wildnis? Jedenfalls nicht da, wo dieser keyboardspielende Musical-Darsteller herkommt, der immer mal wieder das Mikrofon übernehmen darf. Ich muss zugeben, dass der Mann gut singt, nur passt das überhaupt nicht zu der Musik, mit der ich ENSIFERUM verbinde. Da scheine ich ja einige Entwicklungsschritte ausgelassen zu haben. Da es die feiernde Meute eher weniger zu stören scheint als mich, belasse ich es aber bei meiner Verwunderung und erfreue mich an dem ansonsten kurzweiligen und gelungenen Auftritt.
Setliste: Fatherland; Twilight Tavern; Treacherous Gods; Winter Storm Vigilantes; Lai Lai Hei; Andromeda; Two Of Spades; Victorious; Victory Song; Iron
Mit dem heutigen Headliner ALESTORM verbindet mich eine ähnliche Geschichte wie mit ENSIFERUM. Was habe ich die ersten Alben abgefeiert, die so voller eingängiger Songs mit der nötigen Brachialität und so voller Humor steckten. Das würde ich für die ersten drei Alben auch immer noch so unterschreiben. Danach wurde es mir - stumpf ausgedrückt - zu dumm. Da waren bestimmt auch noch immer mal wieder gute Songs auf den Alben, aber ich mag meine Zeit nicht mit so viel Schwachfug verschwenden. Was ich mit diesem Vorwort sagen möchte, ohne das jetzt weiter auszuführen, ich bin skeptisch, habe schon fast etwas Angst vor diesem Auftritt. Denn da wird eine riesige Badeente mittig neben dem riesigen Keyboard aufgepustet, die fast die Hälfte der Bühne einnimmt. Aber außer mir und meiner Begleitung scheint sich hier niemand darum Sorgen zu machen.
Dann kommt SCOOTER vom Band, während die Band einläuft. Eine Band übrigens, die unter anderem aus zwei abwechselnd ins Mikro schreienden Keyboardspielern und einer sehr unsicher wirkenden Hurdy-Gurdy-Spielerin besteht. Eher als Alibi sind auch ein Gitarrist und ein Bassist mitgekommen und ein Schlagzeuger, der völlig ohne Gefühl seinen stumpfen Takt setzt. Den Gitarristen fand ich übrigens mal gut, der war nämlich mal bei WISDOM. Lang ist's her.
Der Sound ist am Anfang wie gewohnt eher schlagzeuglastig, wird aber auch nicht besser als er besser wird. Das ist ein ziemliches Gedudel, die Gitarre geht völlig unter. Da passt das SCOOTER-Intro also eigentlich ganz gut. Neben allerlei Unfug werden auch ein paar Songs gespielt.
'Keelhauled' und 'Shipwrecked' am Anfang machen mir noch ein bisschen Spaß, mit 'Mexico' verabschiedet sich aber dann langsam jedes Rest-Niveau. Leider versteht man hier nämlich auch noch den Text der Dudelei. Spätestens beim völlig abgenudelten 'Hangover'-Cover stehen meine Mundwinkel senkrecht. Nein, ich mag nicht mehr. Nach einem 9-stündigen Arbeitstag, nach bereits vier Bands und ohne größere Pausen, ist wirklich keine Energie mehr übrig für dieses Kasperletheater. Allen anderen im Aladin scheint das hier viel Spaß zu machen, mir leider nicht.
Setliste (nicht überprüft): Keelhauled; Shipwrecked; Mexico; Under Blackened Banners; Alestorm; Hangover; Fannybaws; Zombies Ate My Pirate Ship; Voyage Of The Dead Marauder; Nancy The Tavern Wench; Uzbekistan; P.A.R.T.Y.; Shit Boat (No Fans); Zugaben: Drink; Fucked With An Anchor
Also geht's zurück zum Bahnhof und ab nach Hause. Trotz dieses eher unrühmlichen letzten Eindrucks bin ich doch insgesamt begeistert vom Paganfest 2025. Ich habe vier wirklich gute Bands gesehen , die augenscheinlich alle richtig Spaß an der Veranstaltung hatten. So kann's gerne weitergehen mit diesem Festival der Folkmusik.!
[Fotos: Barbara Sopart, Oberhausen]
- Redakteur:
- Marius Luehring