ALESTORM, GLORYHAMMER - Oberhausen

19.02.2023 | 22:31

03.02.2023, Turbinenhalle

Yo-ho-ho

Joho und ne Buddel voll Rum! Nein, als verantwortungsbewusste Autofahrer machen wir uns natürlich nüchtern auf den Weg nach Oberhausen, wo gleich vier Bands die Turbinenhalle zum Kochen bringen möchten. Hierbei geben sich ALESTORM und GLORYHAMMER als Co-Headliner die Ehre und haben mit WIND ROSE sowie RUMAHOY sehr verheißungsvolle Bands dabei, um diesem Wochenendauftakt die Krone aufzusetzen. Auf ihrer Tour durch Europa hat der schottische Piraten-Metal also glorreiche Unterstützung, das Konzertjahr 2023 beginnt nach wie vor verheißungsvoll und feierwütig.

Schon früh im Herzen Oberhausens angekommen, werden die Erwartungen ob der Randbedingungen nahezu übertroffen. Draußen entwickeln sich lange Schlangen, die vor guter Laune und Vorfreude nur so strotzen, der Einlass funktioniert schnell und bestens organisiert und in den heiligen Hallen angekommen, geben sich verkleidete Piraten, ALESTORM- und Party-Power-Metal-Jünger die Ehre, es wird getrunken, gesungen und in jeder Ecke ist die gute Laune spürbar. Und auch wir genehmigen uns das erste Bier.

Und häufig kommt es nicht vor, dass die erste von vier Bands schon vor einer derartigen Menge an Zuschauern spielt. RUMAHOY sagten mir persönlich im Vorfeld herzlich wenig, ich kann also unvoreingenommen und gut gerüstet vor die Bühne gehen, um den knapp halbstündigen Auftritt der "World's Second Best True Scottish Pirate Metal Band" aus den Vereinigten Staaten zu erleben. Und die insgesamt sieben Songs der Amis haben es in Sachen Spielfreude in sich: Ein kräftiger Sound, das Publikum ist von Beginn an auf Betriebstemperatur und mit 'Cowboys Of The Sea' und 'Harambe, The Pirate Gorilla' hätte der heutige Konzertabend nicht stimmungsvoller beginnen können.

Captain Yarrface und Konsorten sind mit Sturmhauben bekleidet, wissen das Publikum aber dennoch bei den Rumkugeln zu packen, haben mit dem 80er-Jahre-Disco-Feeling 'Not Looking For Love' und 'Forest Party' astreines Spaß-Material am Start und nehmen ihren Song 'Time To Party' mehr als wörtlich. Zum leichten und nicht allzu bierernst zu nehmenden Folk-Vergnügen wird geschunkelt, es werden die Hörner gehoben und die Masse weiß auch ob der aufkommenden Stimmung zu grölen. Mit 'Pirateship' und der Gewissheit, dass das sicherlich nicht die letzten Piratentöne heute sind, verabschieden sich die vier Freibeuter vom Oberhausener Publikum und dürften bei dem einen oder anderen frühen Vogel heute einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Den hat WIND ROSE mit dem letztjährigen "Warfront"-Album auch bei mir hinterlassen, verzückte mich der leicht epische, folklastige Power Metal auch im Nachgang. Auch die Italiener habe ich im Vorfeld noch nie live gesehen, freue mich indes bei dem zweiten Bierchen, dass auch einige Kostproben ihres aktuellen Albums vorgetragen werden und ertappe mich beim Fußwippen, teilweise Mitschunkeln und dezenten Grölen der Refrains. Richtig, auch WIND ROSE macht Stimmung, macht sich mit nunmehr fünf Alben im Gepäck auf dieser Tour auch bei einem größeren Publikum beliebter und feuert innerhalb der 40-minütigen Spielzeit aus allen Rohren: 'Army Of Stone' lässt das Quintett aus der Toskana schon früh in einem vitalen Licht stehen, Front-Zwergenkrieger Cavalieri hat sichtlich Freude mit dem Ruhrpott-Publikum und daran, seine vier Mitstreiter in Sachen Spielfreude und Engagement mitzuziehen.

Und was machen die ersten Reihen? Richtig, die feiern ob innerhalb oder außerhalb der ersten Circlepits tatkräftig mit, lassen sich von den Jungs aus Pisa anstecken und wissen erstklassiges Material der Marke 'Together We Rise' und 'Fellows The Hammer' mit Kusshand zu nehmen. Wenn also zwei Bands die Bezeichnung des Anheizers verdienen, dann sind es heute RUMAHOY und definitiv WIND ROSE. Die "Wintersaga"-Hits 'Drunken Dwarves' und 'Mine, Mine, Mine!' halten locker das Feiertempo, das beim abschließenden THE YOGSCAST-Cover 'Diggy Diggy Hole' noch rasanter und ausgelassener wird. Zugegeben, ein, zwei weitere WIND ROSE-Tracks hätte ich heute noch gut gebrauchen können, doch ist den Italienern auch so die Dankbarkeit ob der Ruhrpott-Herzenswärme vom Gesicht abzulesen. Eine Win-Win-Situation also, denn WIND ROSE präsentiert sich von der Schokoladenseite und die Turbinenhalle hat doch sichtlich Spaß. Nach diesem stürmischen Beginn genehmigen wir uns den Gang zum Merchandise- sowie zum Bierstand.

Doch allzu viel Zeit dürfen wir uns nicht lassen, denn mit GLORYHAMMER kündigt sich der erste Abend-Headliner an. Doch bevor die Band "from another Dimension" die Bühne entert, steht da jemand anderes in Form von Pappe auf der Bühne. Niemand Geringeres als TOM JONES gibt sich zumindest als Aufsteller die Ehre und während 'Delilah' vom Band auch den letzten Miesepeter aus der Reserve lockt und das ohnehin schon von Party angestachelte Publikum zur Ekstase bringt, ist die Vorfreude ob des kommenden kunterbunten Auftritts spürbar. In den kommenden knapp 75 Minuten entfacht GLORYHAMMER einen Hit-Flächenbrand, der sich gewaschen hat: 'The Siege Of Dunkeld (In Hoots We Trust) wird ebenso zelebriert wie die Bandhymne 'Gloryhammer' und das Land der Einhörner, ehe die Kraftmetaller mit Superheldenhang und 'The Hollywood Hootsman' meinen Liebling des "Space 1992: Rise Of The Chaos Wizards"-Albums ins Publikum hämmern.

Durch den Enthusiasmus im Publikum erkenne ich, dass ich anscheinend nicht alleine bin, der sich vom Spielwitz, der tollen Inszenierung der Band sowie ihrer unbändigen Spielfreude anstecken lässt. Die Songs werden lautstark mitgesungen, grüne Goblins erfolgreich in die Flucht geschlagen, die Schwerter voller Inbrunst und Fantasie geschwungen und mit 'Legend Of The Astral Hammer', 'Masters Of The Galaxy' sowie 'Hootsforce' weitere Ohrwürmer in die Turbinenhalle gefeuert. Vom ersten bis zum letzten Song gibt das schottische Quintett Vollgas und lässt den Hammer kreisen. 'Universe On Fire' sowie das abschließende 'The Unicorn Invasion Of Dundee' runden diesen Auftritt par excellence ab und lassen dem Ende hin noch ein paar kräftige "Hoots!"-Rufe erklingen. Natürlich sollte man offen ob der Show der Schotten sein, doch auch musikalisch muss man den fünf Jungs attestieren, einen formidablen Job gemacht und den Gig in trockene Tücher gebracht zu haben. Das hat Spaß gemacht!

ALESTORM habe ich im Vorfeld schon häufig gesehen, doch kein weiterer Auftritt konnte mein persönliches Aha-Erlebnis toppen, als ich die Jungs um Chris Bowes Anfang 2009 im Vorprogramm von GRAVE DIGGER das erste Mal sah und mich die Piratenmagie in den Bann zog. Zugegeben, vor über zehn Jahren, als ALESTORM mit "Captain Morgan's Revenge" und einige Monate nach dem Bochum-Auftritt mit "Black Sails At Midnight" noch etwas mehr Ernst und Freibeuterflair in der Musik verankert hatten, war ich der Musik gegenüber noch wesentlich affiner, habe aber über all die folgenden Jahre auch weiterhin Gefallen an den Jungs gehabt. Und mit dem letztjährigen "Seventh Rum Of A Seventh Rum"-Bollwerk haben sie den Geist damaliger Taten wiederentdeckt und trotz weiterhin präsenten Party-Flairs auch Geschichten fernab von Rum und Saufgelagen in petto gehabt. Kurzum hat mich ALESTORM positiv überrascht und umso gespannter bin ich ob der kommenden Taten, die die Burschen für die ausverkaufte Turbinenhalle im Ärmel haben.

Zu meinem großen Bedauern ist und bleibt 'Nancy The Tavern Wench' die einzige Kostprobe des 2008er Debüts, was jedoch nicht heißt, dass ich keine Freude an den folgenden 80 Minuten Party-Kost habe. Im Gegenteil, denn inklusive der großen, gelben Quietscheente zeigen sich die Freibeuter aus Perth von ihrer besten Seite, eröffnet die 'Pirate Metal Drinking Crew' sehr energisch mit 'Keelhauled' und dem neuesten Appetithappen 'Under Blackened Banners' doch sehr stürmisch und unter frenetischem Jubel des Publikums ihren Auftritt. Schon früh zeigt sich Oberhausen sehr textsicher und ist doch auch gespannt, welche trinkfreudigen Piratengeschichten ALESTORM heute zu erzählen hat.

Ob nun 'The Sunk'n Norwegian' angestimmt, die 'Alestorm'-Hymne zum Besten gegeben, der 'Hangover' am nächsten Morgen verkatert besungen oder die Meute nach 'Magellan's Expedition' nach 'Mexico' gebracht wird – jeder Song wird mitgefeiert und heuer fällt erst einmal auf, wie zielsicher sich die Schotten durch ihre Diskografie bewegen und dabei ein buntes Feuerwerk feinster Seefahrer-Schunkel-Nummern entfachen. ALESTORM weiß auch heute wie die Massen zu begeistern sind, hat die Band mit 'P.A.R.T.Y.' doch selbige fest im Griff, ehe das aufregende 'Death Throes Of The Terrorsquid' den regulären ALESTORM-Auftritt abermals unter lautem Applaus und "Alestorm"-Rufen beendet. Doch Bowes und Co. geben sich noch einmal die Ehre und hauen mit der 'Drink'-Aufforderung, 'Zombies Ate My Pirate Ship' und dem diesmal wirklich abschließenden 'Fucked With An Anchor' noch einmal feinstes Feten-Material in die Menge.

Was sich am Ende bietet, sind viele verschwitzte und über beide Ohren grinsende Gesichter, die ob der Party-Power-Vollbedienung heute komplett auf ihre Kosten gekommen sind. Das ist ein mehr als gelungener Abend gewesen, der das Wochenende nicht nur stimmungsvoll einleitet, sondern auch die Gewissheit bestärkt, wie gut manche Bandkonstellationen doch sind. Während RUMAHOY und vor allem WIND ROSE viele neue Fans dazugewinnen konnten, haben sich die GLORYHAMMER-Helden von ihrer besten Seite gezeigt und ein mehr als unterhaltsames Schauspiel inszeniert. ALESTORM sorgte abschließend für das i-Tüpfelchen an diesem Abend. Auch wenn ich anfangs etwas skeptisch ob der Fülle des Line-ups sowie des Stimmungskraftstahls war, habe ich jede Minute in der Turbinenhalle in Oberhausen am heutigen Abend genossen und freue mich auf viele weitere Konzerte, die diese besondere Location für mich noch bereithält.

Redakteur:
Marcel Rapp

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