AMARANTHE, DRAGONFORCE und INFECTED RAIN - Stuttgart
11.04.2024 | 13:4819.03.2024, LKA Longhorn
Alle guten Dinge sind Drei!
Das heutige Dreierpackage hat es wahrhaftig in sich. Nachdem DRAGONFORCE und AMARANTHE bereits im letzten Jahr äußerst erfolgreich gemeinsam in Nordamerika auf Tour waren, hat man sich gedacht, dass das auch auf dem alten Kontinent funktionieren könnte und hat gleich für das Frühjahr 2024 eine größere Rundreise zusammengestellt. INFECTED RAIN vervollständigt das Line-Up.
Aufgrund der aktuellen Verkehrssituation auf den bundesdeutschen Autobahnen, komme ich leider erst zum Ende des zweiten Songs völlig entnervt im Stuttgarter Longhorn an. Fast drei Stunden Fahrtzeit für etwas mehr als hundert Kilometer Wegstrecke sind kein Zuckerschlecken. Trotz ausverkaufter Halle reicht es gerade noch, rechtzeitig zu Beginn des dritten Songs im Fotograben anzukommen und ein paar Schnappschüsse von INFECTED RAIN zu erhaschen.
Die mittlerweile zum Quartett geschrumpfte Band aus Moldawien - im letzten Jahr sind die Brüder Vladimir (Bass) und Sergey Babich (Gitarre) ausgestiegen - feuert aus allen Rohren. Im Vergleich zu meinem letzten Aufeinandertreffen im Vorprogramm der BUTCHER BABIES vor Corona, hat INFECTED RAIN musikalisch noch mal ordentlich zugelegt, was auch an der enormen Bühnenpräsenz von Frontfrau Elena "Lena Scissorhands" Cataraga liegen dürfte. Die agile Sängerin versteht es, sich gekonnt in Szene zu setzen, während die Band ihre Instrumente zerlegt.
Die Moldawier nutzen die Gunst der Stunde, um das neue, in diesem Jahr erschienene, Album "Time" einer größeren Fanschar zu präsentieren. Man schreckt nicht davor zurück, fünf neue Stücke ins gut dreißigminütige Programm reinzupacken. Bis auf 'Sweet, Sweet Lies' vom Album "Embrace Eternity", wurden nur Stücke aus den letzten zwei Jahren dargeboten. Schade eigentlich, denn auch die frühere Schaffensphase vor 2022 hat einige musikalische Schmankerl zu bieten. So hätten Stücke wie etwa 'Black Gold' (2019), 'Mold' oder 'Orphan Soul' (beide 2017) auch durchaus ihre Daseinsberechtigung.
Trotzdem gelingt es der Band, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen und ordentlich einzuheizen, auch wenn dem Großteil des Publikums das dargebotene Material etwas zu deftig ausgefallen sein dürfte. Vom neuen Material haben mich am meisten 'Dying Light' und 'Vivarium' überzeugt. Alles in allem ein ordentlicher Gig.
Setliste: The Realm Of Chaos; Pandemonium; Vivarium; Fighter; Dying Light; Never To Return; Because I Let You; Sweet, Sweet Lies
Eine ganz andere Hausnummer ist da DRAGONFORCE. Die Briten sind zwar härtetechnisch nicht ganz so deftig unterwegs, jedoch atemberaubend schnell und brechen mit dem dargebotenen Extreme Power Metal so manchen Geschwindigkeitsrekord. Die Bühne ist wie eine Spielhalle aufgebaut. Links und rechts türmen sich überdimensionale Daddelkisten auf, die gerade die älteren Fans noch an seelige Zockerzeiten erinnern dürften. Überhaupt ist alles sehr bunt gehalten und immer wieder kommen Konfettikanonen zum Einsatz. Irgendwie kommt man sich vor, als ob man gerade mit Marty McFly im Delorean unterwegs und im Stuttgart der 90er Jahre gelandet ist.
Im Mittelpunkt der Show stehen eindeutig die beiden Gründungsmitglieder Herman Li und Sam Totman, die sich auf den Bühnenpodesten und Spielautomaten ein ums andere Mal duellieren und mit ihren Gitarren schwindelerregende Soli abfeuern.
Zwar hat DRAGONFORCE ebenfalls mit "Warp Speed Warriors" ein neues Album am Start, hält dieses aber wohl eher nicht für sehr werbebedürftig. So schaffen es mit 'Power Of The Triforce' und 'Doomsday Party' gerade mal zwei neue Stücke ins abendliche Programm. Die Highspeed-Coverversion von TAYLOR SWIFTs 'Wildest Dreams' zähle ich jetzt mal nicht dazu.
DRAGONFORCE hatte ich ja bisher schon so einige Male vor der Linse, wobei die meisten Shows in den Jahren 2006 bis 2009 lagen. Seit dem letzten Aufeinandertreffen beim Auftritt auf dem "Bang Your Head!!!"-Festival 2016, sind auch schon wieder ein paar Jahre ins Land gezogen. Dennoch hat man nichts an Energie verloren und noch immer ein feines Gespür für einprägsame Hymnen. Leider liegt aber auch allzu oft der Fokus auf Geschwindigkeit, so dass einem das Gefrickel mit der Zeit auch mal überdrüssig wird. Nebenbei sei hier noch angemerkt, dass auch der Rest der Band sein Handwerk versteht. Gerade Sänger Marc Hudson weiß stimmlich vollends zu überzeugen und auch Neuzugang Alicia Vigil am Bass macht nicht nur optisch eine gute Figur.
Das Publikum feiert gemeinsam mit der Band eine Party und immer wieder landen Crowdsurfer im Bühnengraben. Nach gut einer Stunde endet das bunte Treiben mit dem Rausschmeißer 'Through The Fire And Flames', dem wohl erfolgreichsten Song der Bandgeschichte. Zu den Höhepunkten des Abends zählen für mich die Stücke 'Cry Thunder', 'The Last Dragonborn', 'Fury Of The Storm' und natürlich 'Through The Fire And Flames'. Lediglich auf die Covernummer 'My Heart Will Go On' hätte man getrost verzichten können. Dennoch war die Show ein Spektakel!
Setliste: Revolution Deathsquad; Cry Thunder; Power Of The Triforce; Soldiers Of The Wasteland; The Last Dragonborn; Fury Of The Storm; Doomsday Party; My Heart Will Go On (CELINE DION-Cover); Wildes Dreams (TAYLOR SWIFT-Cover); Through The Fire And Flames
Nach einer recht langen Umbaupause von fast fünfundvierzig Minuten, ertönen die ersten Klänge zu 'Fearless' und das Gesangstrio mit Frontfrau Elize Ryd, Nils Molin (Cleaner Gesang) und Neuzugang Mikael Sehlin (Gutturaler Gesang) sprintet im dichten Nebel auf die Bühne und legt gleich los wie die Feuerwehr. Die Bühne wirkt im Vergleich zu DRAGONFORCE ja schon fast nüchtern und verursacht durchaus keine Reizüberflutung für die Augen.
AMARANTHE hat sich über die Jahre eine treue Fanbase erspielt und auch kompositorisch gelingt es dem Sextett aus Göteborg immer wieder, noch einen draufzusetzen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Longhorn am heutigen Abend mal wieder rappelvoll ist. Der dargebotene Melodic Metal mit Metalcoreanleihen eignet sich bestens zum Abfeiern und die Stimmung ist von Anbeginn gut, auch wenn der Band zuletzt vorgeworfen wurde, immer mehr ins poppige Lager abzudriften.
Ein Blick auf die Bühne verrät, dass trotz zahlreicher Synthesizer und Keyboardklänge, nirgendswo ein Tastenakrobat auszumachen ist. Das man sich hier so einiger technischer Hilfsmittel bedient, ist meiner Meinung nach nicht verwerflich und trägt durchaus zu einem guten Sound bei. Vielleicht sollte man sich hier mal Gedanken machen, ob nicht ein zweiter Gitarrist eine Verbesserung darstellen würde, da die Gitarre von Olof Mörck doch recht häufig in den Hintergrund rückt.
Dennoch kommt AMARANTHE live wesentlich metallischer rüber als auf Tonkonserve, was ich durchaus begrüße. In den folgenden fünfundsiebzig Minuten arbeitet man sich durch nahezu alle Alben der Bandgeschichte, lediglich das fünfte Studioalbum "Helix" fand dieses Mal keine Berücksichtigung. Der Hauptanteil der Songs stammt vom vorletzten Album "Manifest" (fünf Stücke) und dem aktuellen siebten Studioalbum "The Catalyst" (drei Stücke). Die Band lebt nicht nur allein von der Aura der Sängerin Elize Ryd. Gerade bei den melodischen Nummern wie 'Crystalline', 'Amaranthine' oder 'The Nexus' zeigt sich, wie eingespielt das Gesangsteam ist.
Im Zugabeteil setzt es mit 'Archangel' und 'Drop Dead Cynical' nochmal zwei absolute Kracher, ehe sich die Band in den wohlverdienten Feierabend verabschiedet. Das Doppelheadliner-Konzept mit AMARANTHE und DRAGONFORCE ist vollends aufgegangen und hat nicht nur mich begeistert und schon jetzt ein erstes Ausrufezeichen im noch jungen Konzertjahr 2024 gesetzt.
Setliste: Fearless; Viral; Digital World; Damnation Flame; Maximize; Strong; PvP; Crystalline; The Catalyst; Re-Vision; Boom!1; Amaranthine; The Nexus; Zugaben: Archangel; That Song; Drop Dead Cynical
- Redakteur:
- Frank Hameister