AMARANTHE, DRAGONFORCE und INFECTED RAIN, Oberhausen - Oberhausen

18.03.2024 | 13:38

24.02.2024, Turbinenhalle

Der Pott rockt!

Sowohl AMARANTHE als auch DRAGONFORCE haben neue Alben am Start und machen zur Promo auch die deutschen Gewässer unsicher. Spektakel also, die man sich als Fan hochmelodischer und teils extremer Töne, entweder in Sachen Geschwindigkeit oder Stimmenvariation, definitiv geben kann. Mit im Gepäck der "European Co-Headline Tour" ist INFECTED RAIN - ebenfalls mit neuer Platte - und POWERMETAL.de wäre nicht POWERMETAL.de, wenn wir euch nicht ausgiebig von der Tour berichten würden. Es gibt einfach Konstellationen, bei denen unser Magazinname großgeschrieben wird.

Samstagabend, Oberhausen. Es bibbert im Februar noch ein wenig vor Kälte als wir an der Turbinenhalle ankommen und uns schon eine lange Schlange vor den Einlässen begegnet. Doch es geht recht zügig ins Warme, wo uns die große Menschenmasse schon zu begrüßen weiß. Natürlich ist der Gedanke, sich diese Melodienbollwerke an einem Wochenendtag zu geben, nicht der überraschendste. Doch dass die Hauptlocation der Turbinenhalle am Ende aus allen Nähten platzen würde, war nicht unbedingt zu erwarten. An dem üppigen Merchandise-Stand entlang geht es direkt in das Hallen-Innere, wo man die Vorfreude ob der beiden Hauptacts des heutigen Abends spüren kann. Als DRAGONFORCE-Fan der ersten Stunde, nahm ich zumindest bis vor zehn Jahren noch jede Gelegenheit wahr, Herman Li und Co. live zu sehen. Trotzdem liegt mein letztes Konzert meiner Wegbereiter kraftmetallischer Tempotöne schon einige Monde zurück und da ich auch AMARANTHE vorher noch nie live sah, wächst auch in mir langsam die Spannung ob der heutigen Ereignisse.

Trotzdem darf sich erst INFECTED RAIN die Ehre geben: Mit "Time" hat die Band aus der Republik Moldau auch ein neues Album im Gepäck und weiß Oberhausen mit 'Pandemonium' und 'Vivarium' auch die besten Songs aus diesem zu präsentieren. Auf dem Papier scheinen Frontfrau Lena und ihre Truppe gut zur modernen Melo-Ausrichtung des heutigen Abends zu passen, faktisch jedoch haben sie ob des verhaltenen Publikums einen etwas schwierigeren Stand. Trotzdem sorgen kräftige Vocals, dieser derbe Alternative-Einschlag und Songs wie 'The Realm Of Chaos' oder 'Fighter' dafür, zumindest ein paar dutzend Zuschauer aufzutauen und für den einen oder anderen Moshpit zu begeistern. Ganz oben scheint noch immer die "Time"-Promo zu stehen, sodass mit 'Dying Light', 'Never To Return' und 'Because I Let You' gleich die nächsten Neuzugänge im INFECTED RAIN-Songkosmos in die Turbinenhalle gefeuert werden. Aber so sehr sich die Band auch abrackert, flitzt und wütet, so verhalten blickt die Menge der Band entgegen. Wirklich schade, denn bis auf den Sound und einen etwas zu starken Fokus auf die neueste Platte, eröffnet ein grundsolider Gig den heutigen Abend und geht nach dem finalen 'Sweet, Sweet Lies' in die nächste Runde. Und dass Frau Scissorhands und Co. unmittelbar nach ihrem Auftritt am Merchandise-Stand für Fotos, Autogramme und kleinere Gespräche zur Verfügung stehen, spielt ihrer Sympathie zusätzlich in die Karten.

Und nun kommt DRAGONFORCE und meine Vorfreude wächst von Augenblick zu Augenblick: Auf der Bühne zwei gigantische Spielautomaten, die im Verlauf der Show alte Videogame-Sequenzen aus den 1998ern, aber beispielsweise auch das Artwork der "Sonic Firestorm" abbilden sollte, auf denen vorwiegend Li und Totman ihre Soloeskapaden auf der Gitarre zum Besten geben werden. Es gibt ein großes Banner des neuen "Warp Speed Warriors"-Stampfers und Musiker, die Bock haben, ihre Version des Extreme Power Metals zu kredenzen. Im Publikum drängeln sich verdammt viele DRAGONFORCE-Anhänger, die sich dicht vor der Bühne versammeln um ihren Flitzefinger-Helden so nah wie möglich zu sein. Gemeinsam mit ihrer neuen Bassistin Alicia Vigil ist die Band gut drauf, Frontmann Marc ordentlich bei Stimme und alle vollends motiviert, dem Publikum möglichst viele Chöre aus den Kehlen zu zaubern. Es werden Fäuste gereckt und Köpfe geschüttelt. Als Die-Hard-Fan des ersten Albums sehne ich mich natürlich nach "Valley Of The Damned"-Kostproben, doch auch ohne ist die Songauswahl nicht die schlechteste: Das neondurchflutete 'Revolution Deathsquad', das hymnische 'Cry Thunder' und der neueste Zelda-Tribut 'Power Of The Triforce' machen den Anfang, bei dem schon klar wird, auf welcher Phase der heutige Fokus liegt.

Zwischenzeitlich richtet die sympathische Dame am Bass noch sehr wohlwollende Grüße an das deutsche Publikum, das sie wiederum in den DRAGONFORCE-Armen herzlich willkommen heißt. Weiter im Text geht es rasant und hymnisch, wobei sich vor allem Hudson von seiner Goldkehlchen-Seite zeigt und 'Fury Of The Storm' sowie 'Doomsday Party' veredelt und zwischendurch ein großes Plüschhuhn auf die Besucherreise schickt. Bon Voyage, Cucco. Trotzdem habe ich DRAGONFORCE noch spritziger, agiler in Erinnerung und trotz des guten Sounds in der Turbinenhalle will bei der Tempo-Truppe der berühmt berüchtigte Funken nicht recht überspringen. Auch der Umstand, dass mit 'My Heart Will Go On' und 'Wildest Dreams' gleich zwei Coverversionen ihren Weg in die Playliste finden, spielt meinem persönlichen Geschmack nicht unbedingt in die Karten. Die Menge hingegen freut sich und feiert die DRAGONFORCE-Versionen. Ein Auftritt also, der nicht nur viele Erinnerungen hervorruft, sondern zeigt, wie gut sich die Band seit meinem letzten Vergnügen weiterentwickeln konnte, aber nicht das volle Potential ausschöpft - trotz Spielautomaten-Akrobatik, energischen Mitsing-Spielchen und frenetischer Euphorie beim 'Through The Fire And Flames'-Highlight.

Nach einer knapp dreiviertelstündigen Umbaupause hat man das Gefühl, als ob man sich nun leichter durch die Turbinenhalle bewegen könne. AMARANTHE ist in Sachen Bühnendeko etwas sparsamer als DRAGONFORCE unterwegs, was jedoch nicht heißt, dass die Schweden kleckern. Nein, sie klotzen, denn als das gesangliche Dreiergespann Eliza, Mikael und Nils mit ihrer Crew die Bühne betreten und die ersten Töne in die Menge feuern, wirkt der Sound auch noch satter als zuvor. Die Stimmung kocht in den ersten Reihen und da sich die Band nicht auf ihre neue "The Catalyst"-Platte fokussiert, gibt es viele Köpfe, die 'Fearless', 'Viral' und 'Digital World' ausgiebig mitgrölen können. Richtig, dank einer ausgewogeneren Setliste, die mit 'Hunger' auch die früheste Phase der Truppe berücksichtigt, punktet AMARANTHE bei allen Anwesenden auf ganzer Linie.

Auch wenn ich ob des Voice-Overkills bei drei grundverschiedenen Klangfarben ziemlich überfordert bin, sorgt die Growl-Clean-Vocal-Mischung für Stimmung. Ein Kracher nacheinander wird der hungrigen Turbinenhallenmeute zum Fraß vorgeworfen, hier reiht sich Ohrwurm an Ohrwurm, 'Crystalline' folgt auf 'PvP' folgt auf 'Strong'. Die poppigen Melodien graben sich ihren unaufhaltsamen Weg in die Ohrmuscheln, während Gitarre und Growls für Würze und Härte sorgen – die Live-Mischung macht's. Zum Verschnaufen gibt es mit 'Amaranthine' auch ruhigere Töne, zu dem auch einige Handyleuchten und Feuerzeuge zum Einsatz kommen, ehe 'Afterlife' und 'The Nexus' den offensiveren Takt weiterführen. Und die Band selbst? Die hat sehr viel Freude an den euphorischen Publikumsreaktionen, ist agil wie im Vorfeld vermutet, und motiviert bis in die (langen) Haarspitzen, um Oberhausen einen denkwürdigen Abend zu bereiten.

Natürlich kommt auch "The Catalyst" nicht zu kurz, wird mit 'Re-Vision' allerdings nur einmal angerissen. Ein Umstand, der mit einem brandneuen Album im Gepäck durchaus unüblich ist. Für negative Stimmen sorgt dieser dennoch nicht, im Gegenteil. Es wird getanzt und gefeiert, die Stimmung ist durch die Bank weg am oberen Level. Auch wenn weniger gelabert, dafür mehr gesungen wird, nimmt sich Sänger Nils nach 'Archangel' im Zugabenteil die Zeit, einige dankende Worte an das Publikum zu richten, ehe mit 'That Song' vom "Maximalism"-Scheibchen und dem schwungvollen Rausschmeißer 'Drop Dead Cynical' auch dieser sehr gelungene Auftritt ein Ende findet. Unter großem Applaus blicken sich Band und Publikum erschöpft, aber glücklich in die Augen und freuen sich auf die nächsten, modernen Melo-Power-Partys aus dem Hause AMARANTHE.  

Was nehmen wir also aus diesem Abend mit, wie lautet unser Fazit? Zunächst war ich doch erschrocken ob des ausverkauften Hauses, das sich vor allem bei DRAGONFORCE spürbar machte. Hier war keinerlei Durchkommen mehr, sodass ich doch froh war, am Ende recht weit hinten, aber mit etwas mehr Freiheit den Gig zu Ende geschaut zu haben. Doch dass solch ein modern-melodisches Päckchen zündet, bewies schon Mitte Januar der Auftritt GLORYHAMMERs und BEAST IN BLACKs in Hamburg, der mich wie der heutige ins Staunen brachte. Und so hatten nahezu alle Anwesenden sichtlich und lautstark ihren Spaß in der Turbinenhalle. Mich persönlich hat der AMARANTHE-Auftritt positiv überrascht, hatte aber auch bei DRAGONFORCE schöne, weil nostalgische Momente. Einzig bei INFECTED RAIN wollte der Schalter mein persönliches Geschmackslicht nicht betätigen, ich fand die unmittelbare Fannähe der Band aber äußerst sympathisch. Ein guter Abend also.

Fotos: Andre Schnittker

Redakteur:
Marcel Rapp

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