AMORPHIS/ELUVEITIE - Oberhausen

01.01.2023 | 17:57

16.12.2022, Turbinenhalle

Ein Abend der Superlative

Was ein Package! In den letzten Atemzügen des Jahres 2022 und ohnehin nach tollen Konzerten von NIGHTWISH, MACHINE HEAD und AMON AMARTH sowie THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA zieht es mich nochmal raus in die Kälte, um in der wunderbaren und altbewährten Turbinenhalle in Oberhausen ein Line-up der melodisch-harten Superlative zu bewundern. Ich weiß bereits im Vorfeld, dass ich mich vor Ohrwürmern an diesem Abend kaum werde retten können.

Die Turbinenhalle ist prädestiniert für Konzertstrecken wie diese. Stets ein toller Sound, genügend Platz selbst bei vollem Hause, eine angenehme Atmosphäre und wenn sich Bands wie ELUVEITIE und AMORPHIS den Double-Headliner-Slot teilen und dieser an jedem Abend wechselt, dann steht der heutige Abend unter einem besonders hellen Stern. Hierfür sorgen auch die Support-Acts, die mit NAILED TO OBSCURITY und DARK TRANQUILLITY auch äußerst geschickt ausgewählt wurden. So machen wir uns voller Vorfreude schon am Nachmittag auf den Weg ins Ruhrgebiet, denn wer gute Musik erleben möchte, sollte an diesem Dezembertag zeitig an Bord sein.

Den Startschuss macht daher ungewöhnlich früh, bei insgesamt vier Bands allerdings logistisch nicht anders möglich, NAILED TO OBSCURITY mit dem 'Black Frost'-Opener bereits um kurz nach 18 Uhr. Erwartungsgemäß kommen daher noch nicht allzu viele Zuschauer in den Genuss des melodischen, aber tödlichen Stahls, was die Ostfriesen jedoch nicht daran hindert, gleich zu Beginn ein ordentliches Feuerwerk zu kredenzen. In Sachen Spielfreude und Songauswahl kann man Raimund Ennenga und seiner Truppe, die das Beste aus ihrer Situation machen, ohnehin keine Vorwürfe machen.

Ein Hauch von Schwärze und Melancholie sorgt für Stimmung, die eingängigen 'Protean'- und 'Liquid Mourning'-Melodien sitzen auch live wie eine Eins, das Riffing gefällt und die Atmosphäre legt sich wie ein bleischwerer, aber wärmender Mantel auf die nach und nach eintrudelnden Zuschauer, die von außen eine richtig gute Show zunächst hören und dann im Innenbereich sehen. Mit 'Clouded Frame' und 'Desolate Ruin' haut uns NAILED TO OBSCURITY ohnehin die besten Songs des bisherigen Schaffens um die Ohren und macht nach nur knapp 40-minütiger Spielzeit den Weg frei für DARK TRANQUILLITY.

Setliste: Black Frost; Protean; Liquid Mourning; Clouded Frame; Desolate Ruin

Zugegeben, auf dem diesjährigen Reload-Festival kam der Melo-Death der Schweden bei strahlendem Sonnenschein nicht allzu gut rüber, doch inmitten des klirrend kalten Dezemberwinters, der auch in der Turbinenhalle selbst zunächst für eher kalte Temperaturen sorgt, spielt die düstere Atmosphäre der Band vollends in die Karten. Um 19 Uhr ist die Stimmung im Publikum, das von Minute zu Minute größer wird, famos, die Vorfreude ob der kommenden Ereignisse immens.

Und vom beginnenden 'Identical To None'-Hammer vom "Moment"-Album an wird klar, dass dieser Auftritt ein toller wird. Ich habe die Schweden selten spielfreudiger und dynamischer gesehen, die Zuschauer bei einem DARK TRANQUILLITY-Gig noch nie so ausgelassen, wie als wenn es sich mit der Band die Spielbälle hin- und herwerfen würde. Und inmitten des 'What Only You Know'- und 'Atoma'-Klassikerdoppelpacks macht sich eine dicke Gänsehaut breit, da die Schweden die durch NAILED TO OBSCURITY ohnehin schon tolle Atmosphäre auf das nächste Level hieven. Sie können mit der 'Cathode Ray Sunshine'-Überraschung sowie 'Hours Passed In Exile' allerdings auch nichts falsch machen.

Sowohl von vorne als auch von hinten sorgen Sound, geschmackvolle Lichteffekte und ein fantastisch aufgelegter Mikael Stanne für einen richtigen Erste-Sahne-Gig einer Band, die mich durch ihre Spielfreude heute immens beeindruckt. Dem Ende hin werden noch das halbwegs neue 'Phantom Days' und 'Misery's Crown' herausgehauen, ein Zuckerschlecken für Fans und Anhänger DARK TRANQUILLITYs.

Setliste: Identical To None; Lost To Apathy; What Only You Know; Atoma; Cathode Ray Sunshine; The Dark Unbroken; Hours Passed In Exile; Phantom Days; Misery’s Crown

Auf den folgenden Auftritt ELUVEITIEs war ich im Vorfeld sehr gespannt, bin ich doch mit der früheren Diskografie der Schweizer nicht allzu vertraut und die neuesten Alben, allen voran "Ategnatos", haben leider keine Jubelstürme in mir ausgelöst. Umso überraschter war ich auch ob des Double-Headliner-Slots, doch selten wurde ich lieber eines Besseren belehrt.

Denn heute springt der Funken allmählich über, mag die Mischung aus ohnehin schon sehr präsentem Melodic Death- und dezent verträumtem Folk Metal doch erstaunlich gut an diesem Abend zu funktionieren. Die Turbinenhalle ist gut gefüllt und als die ersten Töne von 'Exile Of The Gods' angestimmt werden, mischt sich unter die anfängliche Begeisterung auch ein wenig Spannung. Richtig, es liegt etwas Besonderes in der Luft, weiß ELUVEITIE doch live zu überzeugen.

Auch wenn mir speziell auf Platte der rote Faden oftmals abhanden kommt, spielt die außerordentliche Vielfalt, der enorme Facettenreichtum den Schweizern vollends in die Karten. Brettharte Riffs und tiefe Growls hier, wunderbare Melodien und – zumindest von weiter vorne – auch gut rübergebrachte Folklore-Elemente dort; so macht die Kombination aus Gitarrenwand und Geigen, Dudelsäcken sowie Flöten doch das Salz in der Suppe aus und sorgt speziell an diesem Abend für das gewisse Extra inmitten der Melo-Death-Stürme.

Frontmann Chrigel ist gut bei Stimme, generell zeigt sich das neunköpfige Kollektiv von einer äußerst eingespielten Seite, das Publikum tanzt einerseits, reckt die Fäuste andererseits und ist sich auch um so manchen Crowdsurfer nicht zu schade. Songs wie das 'Nil'-Brett, 'Deathwalker' inklusive Drehleier und das diesmal metallisch vertonte 'Epona' machen ebenso viel Freude wie das kurzweilige Gitarren- und Schlagzeugsolo, ehe 'King', 'Breathe' und das bockstarke 'The Call Of The Mountains' den regulären Auftritt ausklingen lassen.

Und nach erneut warmherzigen Worten seitens der Band gibt es mit 'Aidus', 'Ategnatos' und 'Inis Mona' noch die standesgemäßen Zugaben, ehe dieser überraschend gute ELUVEITIE-Auftritt nach 70 Minuten nun tatsächlich endet.

Setliste: Exile Of The Gods; Nil; Deathwalker; Epona; Anu; A Rose For Epona; Thousandfold; Ambiramus; King; Breathe; De Ruef vo de Bärge; Aidus; Ategnatos; Inis Mona

Die Spannung könnte nach überraschend kurzer Umbaupause größer nicht sein, klingelt das aktuelle "Halo"-Album doch noch immer in jedermanns Ohren. Und während die Temperaturen außerhalb gefühlt der Antarktis Konkurrenz machen könnten, kocht innerhalb der heiligen Turbinenhalle die Stimmung. Und was die Mannen um Tomi Joutsen in den kommenden knapp 70 Minuten veranstalten, könnte stärker, eindrucksvoller und energischer kaum sein.

Von Beginn an frisst Oberhausen den Finnen aus der Hand, vom 'Northwards'-Auftakt an entfacht AMORPHIS ein beispielloses Feuerwerk, sofort ist die nun brechend volle Location ein Tollhaus. Inklusive superbem Sound, einer stimmungsvollen Lichtshow und einer eingespielten Truppe könnten die Jungs keinen größeren Siegeszug feiern.

Ob neueste Brecher der Marke 'The Moon' oder 'On The Dark Waters', ob altgediente Klassiker wie 'My Kantele' oder 'Black Winter Day', ob meterhohe Epen wie 'Seven Roads Come Together' und 'Silver Bride', AMORPHIS schöpft an diesem Abend aus dem Vollen und was Oberhausen heute sieht, ist kaum zu übertreffen. Allen voran Tomi ist exzellent bei Stimme und weiß auch im weiteren Verlauf den Songs unheimlich viel Volumen und Ausdruck zu verleihen.

In Kombination mit diesen herrlichen Melodien, der Gewalt des dezenten Death Metals und der Gewissheit, dass heute nichts, absolut gar nichts schief gehen kann, nimmt der Auftritt seinen Lauf. Abschließend gibt es mit 'The Bee' und dem nimmermüden 'House Of Sleep' noch die Klassiker aus dem Hause AMORPHIS, ohne dass diese auch nur ansatzweise altbacken oder ausgelutscht klingen.

Im Gegenteil, sämtliche Songs präsentiert die Hit-Fabrik aus Skandinavien heute energischer und dynamischer denn je. Somit endet leider viel zu schnell ein stets in höchstem Maße unterhaltsamer Abend, der alle vier Bands in bemerkenswerter Form zeigt und meine Alben-Wunschliste sehr zum Leidwesen meines Kontos wieder mit neuem Material aufstockt.

Setliste: Northwards; On The Dark Waters; Death Of A King; Silver Bride; Into Hiding; Wrong Direction; The Moon; Seven Roads Come Together; Black Winter Day; My Kantele; The Bee; House Of Sleep

Dieser Abend ganz im Zeichen des melodischen (Todes-)Stahls hätte also abwechslungsreicher nicht ausfallen können. NAILED TO OBSCURITY hat gleich zu Beginn des Abends für die nötige Finsternis gesorgt, DARK TRANQUILLITY ist Nutznießer dieser Atmosphäre und sorgt mit wunderbaren Melodien für die nötige Eleganz. ELUVEITIE nimmt sich dieser an und verwandelt mit geschmackvollem Folklore-Charme die Turbinenhalle in ein Tollhaus, das wiederum und letztendlich mit AMORPHIS eine besondere, bemerkenswerte Band sieht, die die Chance am Schopfe packt und einen rundum geglückten Sahneauftritt hinlegt. So geht es nach stetig steigenden Temperaturen im Inneren wieder raus in die frostige Kälte, müssen wir Autos freikratzen, in der Kälte die Klimaanlage anschmeißen, um abschließend mit allerlei Ohrwürmern und wunderbarsten Erinnerungen den Heimweg anzutreten. Es hat Spaß gemacht!

Ein besonderes Dankeschön gilt an dieser Stelle unserer neuen Fotografin Sarah Fleischer für die passenden Fotos. Besucht gerne hier ihre Webseite.

Redakteur:
Marcel Rapp

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