ANVIL - Bochum

20.12.2014 | 10:12

02.12.2014, Matrix

Höhen und Tiefen und dennoch solide!

Nun, es gab eine Zeit, in der sich ANVIL vor geringer Publikumsdichte den Arsch abspielte. Wir wollen ehrlich sein und wissen dank "Anvil – Die Geschichte einer Freundschaft", dass ANVIL in der Vergangenheit sogar vor erschreckend wenigen Zuschauern unerschrocken alles gab. Es schien jedoch, dass nach besagtem Film und dem "Juggernaut Of Justice"-Album Lips und Co. endlich für das belohnt werden würden, was sie sich in den letzten Jahrzehnten hart erarbeiteten. Trotzdem fühlt man sich an diesem Dezemberdienstag wieder um einige Jahre zurückversetzt, denn ANVIL lockt gerade einmal knapp 100 bis 120 begeisterte Maniacs in die Bochumer Matrix.

Man darf nun mutmaßen, woran es lag. Etwa an der Kälte? War unzureichende Promotion der ausschlaggebende Grund? Oder wollten die meisten ihren Feierabend lieber auf der Couch sitzend als vor der Bühne headbangend ausklingen lassen? Man weiß es nicht, fest steht allerdings, dass sich ANVIL und allen voran natürlich Dauergrinsebacke Lips nicht die Blöße gibt und stattdessen für einen kurzweiligen und fast schon unerträglich lauten Abend sorgt. Doch der Reihe nach.

So hab ich anfangs schon das Schlimmste vermutet, als derart wenig vor der Matrix los war. Doch zu meiner Beruhigung ist das Innere immerhin zur Hälfte gut gefüllt, als ANVIL um kurz vor halb neun die Bühne entert und Lips im Zuge des Openers 'March Of The Crabs' das Bad in der Menge genießt. Als er kurz vor '666' dann wieder Richtung Bühne marschiert, nimmt man das erste Mal auch Kenntnis von Drumtier Robb Reiner, seinem langjährigen Mitstreiter, und dem neuen Bassmann Chris Robertson, auf den später noch etwas näher eingegangen werden wird. Nachdem nach diesem unbekümmerten Beginn auch der Sound ein wenig verbessert wird, kann die Party losgehen: 'School Love', 'Badass Rock'n'Roll', bei dem das Publikum ein wenig wacher wird, und 'Winged Assassins' bieten Lips "Ich will Krach" Kudlow allerlei Anlass zur Freude. Nach der Vorstellung des Sal Italiano-Nachfolgers am Bass, der ähnlich wie sein Vorgänger zumindest für mich einen Glenn "Five" Gyorffy nie und nimmer ersetzen kann, geht es schnurstraks mit 'On Fire', dem schleppenden 'This Is Thirteen' und Lips' Annekdote zu Uns' Ozzy weiter.

Und irgendwie werde ich das merkwürdige Gefühl nicht los, als wenn Robertson durch sein unorthodoxes Rumgehampel nicht so recht zur Mannschaft passen will. Zumindest hat Lips jedoch seine Freude: Bei dem "Metal On Metal"-Gassenhauer 'Mothra' kommt auch sein liebstes Spielzeug, der pechschwarze Vibrator, zum Einsatz, wodurch allen Anwesenden ein leichtes Grinsen entlockt wird. Auch wenn der ANVIL-Frontmann infolgedessen mit seinen pervers hohen Klampfentönen doch stark die Nerven strapaziert und ihm meine Ohren dafür noch zwei Tage später danken werden, will der Gute-Laune-Pegel nicht abfallen. 'Thumb Hang', 'Swing Thing', ein bärenstarkes Drumsolo von Robb, bei dem er abermals sein monströses Können an den Tag legt, der "Hope In Hell"-Titeltrack und das rotzfreche 'Eat Your Words' folgen, ehe das allseits bekannte 'Metal On Metal' den offiziellen Teil nach gerade einmal 75 Minuten beendet. Das längste ANVIL-Konzert ist das bisweilen also nicht, wodurch der Wunsch nach Zugaben lauter und lauter wird. Lediglich mit 'Forged In Fire' kommt ANVIL dieser Bitte im Anschluss auch nach, doch mit Blick auf die Uhr wird man das merkwürdige Gefühl nicht los, dass hier noch durchaus Spielraum hätte ausgenutzt werden können.

Doch sei's drum, der leicht geschrumpften Menge in der Bochumer Matrix hat der Auftritt der nimmermüden Kanadier durchaus gefallen, der Band hat es anscheinend auch Spaß gemacht und auch ich stolziere gut gelaunt, aber in Anbetracht der kurzen Spielzeit doch ein wenig überrascht wieder nach draußen, wo Väterchen Frost wieder seine erbarmungslosen Arme um mich legt. Zumindest wurde es mir in den vergangenen anderthalb Stunden recht warm (ums metallische Herz).

Setliste ANVIL: March Of The Crabs; 666; School Love; Badass Rock'n'Roll; Winged Assassins; On Fire; This Is Thirteen; Mothra; Thumb Hang; Swing Thing; Hope In Hell; Eat Your Words; Metal On Metal; Forged In Fire

Redakteur:
Marcel Rapp

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