ARCH ENEMY, BEHEMOTH, CARCASS, UNTO OTHERS - München

07.11.2022 | 15:30

28.10.2022, Zenith

Eine Tour aus dreimal geballter Power und einmal Melodie macht Station in München!

Nachdem ich mich für diese Tour gemeldet hatte, war der Spott in der Redaktion natürlich groß, bekanntermaßen bin ich ja kein großer Freund des extremen Metals. Aber hey, ich habe durch diverse Festivals bereits eine ordentliche Menge Krächzer und Keifer erlebt, da werde ich das hier sicher auch aushalten.
Doch es stimmt natürlich, die Band, auf die ich mich am meisten freue heute Abend ist UNTO OTHERS. Die Jungs aus Oregon passen allerdings wirklich nicht so recht auf die Tour. Okay, sie sind düster, allerdings eher in Richtung Gothic als Death, aber ich finde sowohl den Stil toll als auch den absolut hervorragenden und markanten Sänger Gabriel Franco. Die Band hat mich mit ihrem Debütalbum schwer begeistert, auf dem Keep It True-Festival vor einigen Jahren aber nur mäßig beeindruckt, beides noch unter dem vorherigen Namen IDLE HANDS. Nun ist es Zeit für einen zweiten Check, zumal auch ein weiterer Longplayer erschienen ist.

Da heute vier Bands spielen sollen, muss UNTO OTHERS bereits um kurz nach 18 Uhr loslegen. Was zuerst auffällt ist die Lightshow, oder besser das Fehlen derselben. Mit dem blauen Licht ist es gar nicht so einfach, ein paar Bilder zu machen, auf denen man auch etwas erkennen kann, zumal das ganze Geschenhen eh in einem gewissen Halbdunkel stattfindet, dennoch hat Franco eine Sonnenbrille auf. Da sich die Show insgesamt aber auch in ziemlich engen Grenzen hält, macht das nicht viel aus.

Das Markanteste ist weiterhin die brillante Stimme, die den auf Konserve oft zerbrechlich wirkenden Liedern einen einzigartigen Charakter gibt, aber auch die eingängigen Refrains sorgen dafür, dass auch Musikfreunde, die die Band nicht kennen, Freude an den Gassenhauern der Portlander haben. Bassist Brandon Hill und Leadgitarrist Sebastian Silva bemühen sich redlich, ein wenig Aktion auf die Bühnenbretter zu bekommen, aber dennoch wirkt der Auftritt recht statisch. Die beiden alten IDLE HANDS-Lieder 'Nightfall' und 'Give Me To The Night' stechen ein wenig aus dem Set heraus, aber das ist sicher nur so, weil ich sie besser kenne als die neuen Stücke.

Insgesamt ein guter Auftritt, bei dem mich die Musik deutlich mehr beeindruckt als die Performance. An dieser Stelle ließe sich sicher noch einiges tun, andererseits hat UNTO OTHERS als erste Band eines Viererpakets wahrscheinlich weder Platz noch allzu viel Technik bekommen. So gesehen wiederum ein Grund für größeres Wohlwollen, deswegen sagen wir es so: Hat Spaß gemacht, ich würde die Band aber gerne mal in einem kleinen Club sehen anstatt auf einem Festival oder als Anheizer für drei andere Kapellen.

Als zweites darf CARCASS ran. Die Deather kenne ich natürlich hauptsächlich durch ihr "Popalbum" "Heartwork", das ich schon Anfang der Neunziger ziemlich gut fand. Zuvor hatte man Grindcore gespielt, weswegen die Band eigentlich gar nicht meine Kragenweite war, aber "Heartwork" überzeugte mich, das darauffolgende Album "Swansong" jedoch schon nicht mehr. Aber was vor dreißig Jahren wahr war, muss es ja heute nicht mehr sein, deswegen gehe ich offen an den Auftritt heran, der zu meiner Freude gleich mit 'Buried Dreams', dem Opener auf "Heartwork", beginnt. Das ist natürlich eine gute Wahl und zieht die Fans gleich mal rein in das Set.

Blickfang ist Bassist und Sänger Jeff Walker, der seinen Bass zumeist auf dem Oberschenkel abstützt. Das sieht witzig aus und wirkt ungewöhnlich, während die beiden anderen aus der Saitenfraktion rechts und links unaufgeregt ihre Riffs spielen. Dabei sieht Gründungsmitglied Bill Steer wenig nach Death Metal aus, eher würde er in einer beliebigen Hardrock-Band eine gute Figur machen. Nun ja, zwischen Auflösung und Reunion von CARCASS hat er ja auch genau das unter dem Banner FIREBIRD gemacht. Passt also irgendwie.

Walker bellt seine Lyrik ins Mikro, post und zieht Grimassen, kommt auch mal an den Bühnenrand, macht sich zum Mittelpunkt der Show. Musikalisch ist der Death Metal der Liverpooler nicht sonderlich aufregend, es werden einige neue Lieder gespielt, deren Namen ich aber nicht kenne, da ich nur einmal in das Album reingehört habe. Mit 45 Minuten Spielzeit dauert der Auftritt länger, als meine Spannung aufrecht erhalten werden kann, da hilft dann auch der Rausschmeißer 'Heartwork' nichts mehr. Ja, das war nett, aber musikalisch auch nicht ungewöhnlich. Kann man hören.

Jetzt kommt der erste der beiden Co-Headliner: BEHEMOTH. In den letzten Jahren hat sich meinem Eindruck nach ein ziemlicher Hype um die Polen entwickelt. Nicht nur, dass sie kommerziell ungewöhnlich erfolgreich sind und sogar Chartstürmer, zumindest in ihrem Heimatland, nein, ich habe das Gefühl, dass es zum guten Ton gehört, BEHEMOTH zu mögen. Nun bin ich weit davon entfernt, mich von solchen Hypes anstecken zu lassen und wenn es sich um eine Band aus dem Extrembereich handelt, umso mehr. Trotzdem gebe ich gerne zu, dass ich gespannt bin. Ob mich BEHEMOTH auch mitreißen kann?

Pünktlich um 20:10 Uhr geht es mit einem Intro los und dann fällt der große Vorhang. Sofort geht es in die Vollen. Die bemalten Danziger machen wirklich keine Gefangenen, das ist brachial und heiß. Heiß? Ja, heiß, denn BEHEMOTH hat eine Menge Pyros am Start. Die Aufbauten, die sie als Mikroständer nutzen, sehen ziemlich cool aus und im Falle von Bassist und Sänger Tomasz Wróblewski passt das auch sehr gut, da der großgewachsene Mann nicht hinter dem Ding verschwindet, aber das letzte verbliebene Gründungsmitglied Adam Michał Darski, ein eher nicht so großgewachsener Mann, verschwindet doch ziemlich hinter seinem opulenten Zierrat. Dabei ist er eigentlich der Mittelpunkt der Band.

Ein riesiges Ornament im Hintergrund als Bühnenbackdrop, mächtige Pyrotechnik und eine echte Soundwand. Ich verstehe, weswegen die Jungs wohl die (extreme) Band der Stunde sind, das hat schon großen Unterhaltungswert. Kaum ist die erste Granate verschossen beziehungsweise verklungen, setzt die Band zum nächsten Klanggewitter an. Die Riffs könnten etwas klarer zu hören sein, aber ich bin natürlich auch nicht mit dem Material vertraut, einer beachtlichen Anzahl an Fans scheint das Gebotene allerdings ausgezeichnet zu munden, die hochgereckten Arme sprechen eine eindeutige Sprache.

Ich ziehe mich nach drei Liedern aus dem Fotograben und ein paar weiteren Stücken von seitlich der Bühne weiter zurück, in der Hoffnung, dass dort der Sound besser ist. Das tritt jedoch kaum ein, aber als ich auf die Uhr schaue, schon ein wenig erschöpft von der heftigen Metalwalze, die da über das Zenith hereingebrochen ist, ist erst eine halbe Stunde vergangen. Ui, ich zeige aber erste Ermüdungserscheinungen. Glücklicherweise ist sich die Band dieser Sache wohl bewusst und spielt einen weniger brachialen Song, langsam und mit Shouts, eine willkommene Ruhepause im Getöse. Doch danach geht es sofort wieder los, technischer, heftiger Metal mit gutturalem Gesang, von dem ich nach etwa einer Dreiviertelstunde, gerade hatte BEHEMOTH den Song 'Off To War' gespielt, wie ich durch die Ansage weiß, so langsam genug habe.

Ja, sicherlich sind die einzelnen Stücke technisch gut, machen für eine gewisse Zeit auch Spaß, aber es fehlt die Abwechslung. Jedes Lied hat ein hohes Energielevel, doch etwas Variabilität wäre nicht schlecht. Das werden jetzt die Fans der Polen sicher anders sehen, aber sie werden mir bestimmt zustimmen in dem Eindruck, dass den Hörer ein BEHEMOTH-Auftritt durchaus mitnimmt. Das ist kein Kindergeburtstag, hier gibt es wirklich heftig etwas auf die berühmte Zwölf. Ich glaube, ich brauche jetzt mal etwas Melodie.

Diesbezüglich kommt mir ARCH ENEMY ganz recht. Auch wenn man weiterhin dem Death Metal zugerechnet werden muss, hat sich die Band vor allem mit den letzten Alben kontinuierlich in Richtung Heavy Metal entwickelt, was sicherlich den zunehmenden kommerziellen Erfolg zumindest teilweise erklärt. Melodie schadet dafür nie. Die Spannung ist groß, als sich etwas hinter dem großen Vorhang mit dem Slogan "Pure Fucking Metal" regt. Sobald selbiger fällt, ist Stimmung in der Bude!

Wie es auch nicht anders sein kann, ist Sängerin Alissa White-Gluz sofort der Mittelpunkt des Geschehens. Dem Charisma, der Bühnenpräsenz der blauhaarigen Kanadierin kann man sich einfach nicht entziehen. Das neue Album "Deceivers" steht naturgemäß im Mittelpunkt der Show und gerade zu Beginn stammen gleich drei der ersten fünf Lieder vom 2022er Output. Überhaupt, mit der Verpflichtung von Alissa als Sängerin, die Angela Gossow 2014 ersetzte, hat die Band ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufgeschagen, nur noch vier Stücke in dem siebzigminütigen Set stammen von Alben, die Alissa nicht eingesungen hat. Das mag viele alte Fans stören, zumal mit 'Ravenous' früh ein echter Kracher aus der früheren Zeit den Vergleich möglich macht, aber der melodischere Ansatz setzt sich zunehmend durch. So werden neben "Deceivers" auch "War Eternal" mit zwei und "Will To Power" mit einem Song geehrt.

Auch einen Blick wert ist die Gitarrenarbeit von Blondschopf Jeff Loomis. Ich empfinde den Sprung von den Progmetallern SANCTUARY zu ARCH ENEMY ja immer noch als ziemlich groß und bin nicht sicher, ob seine Fähigkeiten in einer weniger brachialen Band nicht möglicherweise besser zur Geltung kommen könnten, aber zumindest beweist er auch bei den Schweden, dass er unglaubliche Riffs abfeuern kann. Es macht Spaß, ihm während des Spiels auf die Finger zu schauen, zumal der Sound auch ganz angenehm ist. Zumindest während der ersten drei Lieder, die ich vorne im Fotograben verbringe, immer mal wieder gut durchgewärmt von den Pyros, tatsächlich ist er weiter hinten in der Halle dann deutlich schlechter. Das Zenith ist aber bekannt dafür, schwierig zu sein.

Leider kann ich den Gig nur etwa bis zur Hälfte wirklich verfolgen, da der Veranstalter die Fotografen zusammensammelt und aus der Halle eskortiert. Wir können zwar wieder rein, aber müssen die Fotoausrüstung wegbringen. In Zeiten, in denen Mobiltelefone hochauflösende Fotos und Videos für jeden möglich machen, sollte man glauben, dass Veranstalter, Bands und Manager den offiziell akkreditierten Fotografen das Leben nicht schwerer machen müssen als notwendig. Ein Blick auf Youtube zeigt Videos von dem Auftritt. Könnte da wirklich ein professionelles Foto mehr schaden? Nun ja, wohl doch. Da ich einen Weg von etwa zehn Minuten zum Auto habe, höre ich mir noch ein paar Songs von vorne vom Eingang an und gehe nach einer sehr unterhaltsamen Stunde ARCH ENEMY endgültig.

Ja, das war ein ziemliches Brett. UNTO OTHERS passte nicht recht rein in die Riege, machte musikalisch aber eine sehr gute Figur, allerdings war man visuell eher langweilig unterwegs. CARCASS war nett, aber von dem Auftritt blieben bei mir nur Teile aus dem "Heartwork"-Album hängen, der Rest war leider so schnell aus dem Ohr wie er reinging. BEHEMOTH war zwar nicht mein Futterspektrum, aber für eine halbe Stunde sehr unterhaltsam und mit riesiger Power, unterstützt von massiven Pyros, die perfekt zum Geschehen auf der Bühne passten. Ein echtes Spektakel, bei dem ich dann aber auch Ermüdungserscheinungen bekam. Sieger des Abends für mich war ARCH ENEMY, die Band lieferte mal wieder ab und wurde auch entsprechend gefeiert. In Anbetracht der Fanreaktionen war dies keine echte Co-Headliner-Tour, die Reihenfolge der Bands war genau richtig so. Die Schweden-Deather haben noch einen kleinen, aber bemerkbaren Beliebtheitsvorsprung vor den Polen-Blackies.

Jetzt habe ich aber mal wieder genug von dem Gekrächze. Trotzdem: War gut!

Redakteur:
Frank Jaeger

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