ASIA - Aschaffenburg
07.05.2010 | 11:3002.05.2010, Colos-Saal
Seichter Rock und feuchte Augen - ASIA beehren einen der Top-Prog-Clubs der Republik.
Wie beginnt man einen Bericht über die neu formierten ASIA? Welcher Titel wäre angebracht? "Nacht der Prog-Legenden"? Immerhin stehen mit der Gitarrenikone Steve Howe von YES sowie seinem Weggefährten Geoffrey Downes, Ex-KING CRIMSON John Wetton und Drummer-Superstar Carl Palmer nicht weniger als vier großartige Musiker von Weltruhm zusammen auf der Bühne. Oder besser: "Ich habe die Zukunft des Rock gesehen – sie macht eine Pause zwischen den Sets"? Denn in der Tat teilen ASIA ihren Set in zwei Teile und gönnen sich zwischendurch eine Pause. Die alten Helden werden auch nicht jünger. Oder eher: "Ich weiß jetzt, wie sich Sardinen fühlen"? Denn so voll habe ich das Colos-Saal in Aschaffenburg lange nicht gesehen. Oder doch: "Der letzte Song ist gesetzt"? Denn natürlich muss der Abend mit dem größten Hit 'Heat Of The Moment' beendet werden.
Sucht euch eure eigene Headline aus, ich mache derweil mal weiter. Es ist jedenfalls ein ziemlich aufregender Moment, als man vor der Bühne steht und das Drumset sieht, auf dem "Carl Palmer" steht. Dabei ist das Set gar nicht mal so riesig, das einzig Außergewöhnliche sind die beiden Gongs und die Tatsache, dass Carl seine Drums deutlich überragt, so dass man ihn im Gegensatz zu den meisten anderen Schlagzeugern die ganze Zeit gut sehen kann.
Dann kommen sie endlich, über 240 Jahre Prog-Geschichte, zuerst Geoffrey Downes, der seinen Platz an den rechts auf der Bühne stehenden Keyboards einnimmt. Warum zwei seiner vier Tasteninstrumente so stehen, dass er dem Publikum den Rücken zukehrt, wenn er auf ihnen spielt, ist mir allerdings ein Rätsel. Dann nimmt Carl Palmer Platz und zeigt den Fans, dass die Zeit an ihm noch am gnädigsten vorbeigegangen ist, denn John Wetton hat ein gewisses "Alter Brummbär"-Charisma, und Steve Howe ist in der Tat alt geworden. Aber er ist ja auch bereits 63.
Als die Musik beginnt, merkt man davon allerdings wenig. 'I Believe' eröffnet den Reigen, der durch liebliche Melodien gekennzeichnet ist und weniger durch Show oder Stageacting. Um genau zu sein: Steve hat etwa den Bewegungsradius eines Bierdeckels, nur Bassist und Sänger John Wetton nutzt den zugegebenermaßen geringen Platz auf der Bühne mal für ein, zwei Schritte aus. Aber das ist dem Publikum egal, die Leute sind hier, um die alten und neuen Gassenhauer zu hören und die dazugehörigen Musiker zu sehen, zu singen und sich einfach wohlzufühlen.
'Only Time Will Tell' folgt und danach mit 'Holy War' der erste Song vom aktuellen Album "Omega”. Eine ausgezeichnete Wahl, ist dies doch einer der spannendsten Songs des Albums. Die erste kleine Überraschung ist die pianoorientierte Version von 'Don't Cry' vom "Aqua"-Album, die etwas den Schwung aus dem Set nimmt, aber auch in Steve Howes Solo einleitet. Natürlich ist so etwas, speziell wenn es von einem Progger kommt, ein Stimmungstöter. Howes Solo klingt auch gelegentlich verdächtig nach Fingerübung. Trotzdem erhält er großen Applaus, und der zweite Teil, der eher zwischen witzig und jazzig schwankt, leitet schön über in 'The Smile Has Left Your Eye', das zum Ende noch etwas Härte spendiert kriegt. Eine Ware, die natürlich heute Abend eher selten ausgepackt wird.
Nach noch einem weiteren Song ist es dann Zeit für die Pause. Fünfzig Minuten im ersten Stint sind zwar nicht zu viel, aber wegen der Enge im Saal ist eine kleine Unterbrechung dennoch eine gute Idee. Aus den geplanten fünfzehn Minuten werden fünfundzwanzig, bevor die Prog-Pop-Institution wieder auf die Bühne kommt.
Der zweite Teil enthält im Anschluss an 'The Heat Goes On' ein tolles Drumsolo von Carl Palmer. Ich mag zwar Drumsoli eigentlich nicht so sehr, aber Herrn Palmer bei der Arbeit zuzusehen, ist natürlich etwas ganz Anderes (ansonsten darf bei mir nur Neal Peart am Schlagzeug ungestraft solieren).
Nach insgesamt nochmal fünfzig Minuten verabschiedet sich die Band, aber natürlich weiß jeder, dass sie nochmal wiederkommen wird. Denn was fehlt? Richtig: 'Go' und 'Heat Of The Moment'. Das sind dann auch die beiden Zugaben, die die Meute gehobenen Alters nach 110 Minuten Musik aus der Halle in die frische Luft entlassen. Zufriedene Gesichter allenthalben, die einen schönen, wenn auch nicht besonders langen Abend voller ASIA und ohne jede echte Überraschung gesehen haben. Klar, die Band hat dem Publikum gegeben, was es erwartet hatte. Ich hoffte auf ein paar mehr Eskapaden, ein paar Variationen, eine Jam. Gab es aber nicht. Und trotzdem habe ich das Konzert sehr genossen, denn dass die Vier die Harmonielehre quasi atmen, drückt sich in jedem einzelnen der Songs aus.
Dass gleich vier Songs vom neuen Album "Omega" gespielt wurden, hat mich gefreut, denn neben der Tatsache, dass ich das Werk sehr schätze, bedeutet es eventuell auch, dass wir nicht befürchten müssen, dass diese ASIA-Reunion von kurzer Dauer sein könnte. Die Herren wollen es wohl nochmal wissen, und das, ohne dass sie noch irgendetwas beweisen müssen. Das klingt für mich wie das Rezept für weitere gute Alben und entspannte Konzertabende. Schöne Aussichten!
Setlist:
I Believe
Only Time Will Tell
Holy War
Never Again
Through My Veins
Don't Cry
Steve-Howe-Solo
The Smile Has Left Your Eyes
Open Your Eye
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Finger On The Trigger
Time Again
An Extraordinary Life
End Of The World
The Heat Goes On
Carl-Palmer-Drum-Solo
Here Comes The Feeling
Sole Survivor
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Go
Heat Of The Moment
- Redakteur:
- Frank Jaeger