AUDREY HORNE - Berlin
29.03.2020 | 11:3610.03.2020, Musik & Frieden
The last Supper.
An diesem 10. März ist der sogenannte Corona-Virus bereits in aller Munde. Einige Fußballspiele finden ohne Zuschauer statt, Nachbarländer wie die Schweiz und Österreich haben Versammlungen mit mehr als 50 Menschen untersagt, einige Bundesländer alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen. In Berlin ist aber noch alles so ziemlich wie immer. An den beiden Vortagen waren besuchte Restaurants noch voll, die U-Bahn zum Veranstaltungsort ist auch nicht leerer als sonst und das AUDREY HORNE-Konzert findet natürlich statt. Hier allerdings macht sich der Virus durchaus schon bemerkbar, denn das Publikum ist schon sehr überschaubar. Wahrscheinlich sind nicht einmal 100 Leute im "Musik & Frieden", so dass ich - zusammen mit zwei Kompagnons - auch mit einem guten Abstand zum Rest aus den hinteren Reihen dem bunten Treiben auf der Bühne folgen kann.
[Peter Kubaschk]
Dieses bunte Treiben wird von den derzeit ziemlich umtriebigen Landes- ja sogar Stadtgenossen von AUDREY HORNE namens MAGICK TOUCH eröffnet. Die Band habe ich ja letztens erst wieder im Vorprogramm von DEAD CITY RUINS gesehen. Und schon dort habe ich mit Vergnügen festgestellt, dass das Trio tighter und vor allem viel agiler als noch vor zwei Jahren - auch damals als Support für die AUDREYs - agiert hat. Der Eindruck bestätigt sich heute auch wieder und so langsam kennt man auch die Lieder. Der gut gelaunte Heavy Rock mit 80er-Metal-Schlagseite passt ziemlich gut zu AUDREY HORNE, weswegen Fans von Toschies Jungs eigentlich keine Probleme mit dem Sound haben sollten. Allerdings ist es im spärlich gefüllten Club unglaublich laut und das vermiest die Stimmung leider ein wenig. Ich wollte eigentlich vor die Bühne, das hätte mir aber gefühlt die Ohren weg geblasen. Da hilft nur Wodka. Ist auch gut gegen Corona!
Danach kam die große Unbekannte. Oder kennt hier jemand FORMOSA? Nun, das sind drei Schulfreunde vom Bodensee, die jetzt aber im Pott wohnen, und simplen, punkigen Heavy Rock auf das Volk los lassen. Auf ihrer Homepage ist zu lesen, dass man im Hause FORMOSA mit Nacktheit ziemlich offen umgeht, allzu viel Nacktes haben die drei hübschen Jünglinge aber nicht gezeigt. Über die musikalische Qualität kann man nun streiten, mein Ding ist dieser schlichte Party-Rock, der sich mit Bier trinken, Leberschäden und Sex beschäftigt eher nicht, auch wirkt die Stimme anfangs sehr quäkig. Aber die Band macht auf der Bühne schon Spaß, beherrscht das Posing und hat einen ganz guten Flow. Das kann man schon mal für eine halbe Stunde hören, vor allem wenn danach noch der Knaller kommt.
[Thomas Becker]
Dass AUDREY HORNE eine der besten Live-Bands auf diesem Planeten ist, hat sich leider noch nicht wirklich herumgesprochen, aber den Beweis tritt der sympathische Fünfer heute wieder von den ersten Takten des Openers 'This Is War' an. Die Truppe hat einfach eine wahnsinng positive Energie auf der Bühne, die sich sofort auf das Publikum überträgt. Das Gitarrenduo Isdal/Tofthagen ist ganz sicher eines der besten der Szene. Es ist immer wieder unglaublich wie tight die doppelläufigen Gitarren kommen und dabei in allerbester Manier wild gepost wird. Die beiden Saitenhexer verstehen sich augenscheinlich blind. Super. Und Toschie ist einfach eine echte Rampensau. 'Sail Away' wird im Publikum gesungen, generell ist der Bewegungsradius auf der kleinen Bühne so groß wie eben möglich und die wenigen Ansprachen sympathisch bis witzig. So wird Aushilfsbassist Christer Ottesen [zuvor bereits mit MAGICK TOUCH auf der Bühne - PK] vorgestellt und dabei erzählt, dass der eigentliche Viersaiter Espen Lien "wegen Jägermeister-Schmuggel im Gefängnis sitzt". Keine Sorge, liebe Fans, das ist knapp vorbei an der Wahrheit.
Dass die Setlist heute abend mit Ausnahme des fehlenden 'Weightless' der Setlist des just erschienenen Live-Albums "Waiting For The Night" entspricht, ist ein kleiner Wermutstropfen, da so Überraschungen ausbleiben. Aber bei der Energie und Spielfreude ist das auch total nachrangig. Wenn Isdal/Tofthagen im Publikum ihre Soli spielen, ist das einfach auch beim zehnten Konzertbesuch immer noch ein absolutes Highlight, das die Stimmung über den Siedepunkt bringt.
Eins ist mit dem Abstand von einigen Tagen auf jeden Fall klar: einen besseren Abschluss für die (bisherige) Konzertsaison kann es nicht geben. Hoffen wir, dass wir das irgendwann in diesem Jahr wieder erleben dürfen. Bis dahin aber gilt: Stay home, stay safe.
[Peter Kubaschk]
- Redakteur:
- Peter Kubaschk