AVANTASIA - Kaufbeuren
12.12.2010 | 13:5304.12.2010, All-Kart-Halle
AVANTASIA - das große Spektakel? Ja, definitiv.
Das Projekt AVANTASIA wurde bereits vor über zehn Jahren von Tobias Sammet (EDGUY) begründet, wobei ursprünglich lediglich geplant war, die gleichnamige Metaloper umzusetzen. Nach den beiden Silberlingen "The Metal Opera - Part I" (2001) und "The Metal Opera - Part II" (2002) wurde es dementsprechend auch recht ruhig um AVANTASIA. Doch im Jahre 2007 wurde das Projekt mit den beiden "Lost In Space"-EPs wiederbelebt, und im Folgejahr erschien auch ein weiteres Album, "The Scarecrow". Hierzu gab es auch die ersten Live-Auftritte, wie beispielsweise beim Wacken Open Air, obwohl Tobias Sammet zuvor immer wieder betont hatte, dass AVANTASIA nicht vernünftig auf die Bühne zu bringen sei. Eine reguläre Tour war aber auch zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne. Bis jetzt.
Nun hat Tobias Sammet ein großartiges AVANTASIA-Ensemble zusammengestellt, das momentan mit ihm durch die Lande zieht. Die Namen der Musiker lesen sich wie ein "Who's Who" der Melodic-Metal-Szene: Amanda Somerville (v.), Jorn Lande (v.), Bob Catley (v.), Michael Kiske (v.), Kai Hansen (v./g.), Oliver Hartmann (g./v.), Sascha Paeth (g.), Michael Rodenberg (k.) etc. Es ist also selbstverständlich, dass Kollege Stehle (Fotos) und ich uns diese Tour nicht entgehen lassen. Und so machen wir uns am 4. Dezember auf den Weg ins bitterkalte Kaufbeuren. Aber es ist nicht nur draußen ziemlich kalt (fünfzehn Grad mit negativem Vorzeichen), auch in der Halle ist es (zunächst) empfindlich kühl. Doch im Laufe des Konzerts wird es uns schon noch warm werden, so hoffen wir jedenfalls.
Fast pünktlich geht es kurz nach acht Uhr los, und zwar mit 'Twisted Mind', dem Opener von "The Scarecrow". Die Band macht dabei gleich einen ausgesprochen guten und vor allem spielfreudigen Eindruck, und Tobias Sammet ist ja sowieso immer bester Laune. Aber auch stimmlich ist bei ihm alles im grünen Bereich - wie auch bei Jorn Lande, der ihn dann bei den nächsten drei Songs ('The Scarecrow', 'Promised Land', 'Serpents In Paradise') unterstützt. Vor allem 'Serpents In Paradise' weiß zu überzeugen und ist definitiv ein erster Höhepunkt des Abends.
Bei 'The Story Ain't Over' von der ersten "Lost In Space"-EP wird Jorn Lande dann von Bob Catley abgelöst. Der MAGNUM-Sänger ist zwar äußerlich doch ziemlich gealtert, aber gesanglich immer noch hervorragend in Form, und das ist schließlich die Hauptsache. Da stört dann auch das James-Last-mäßige Stage-Acting nicht wirklich.
Danach kommt dann der Sänger auf die Bühne, auf den wohl die meisten Leute gewartet haben. Im Gegensatz zu Catley, Lande oder auch Hansen war Michael Kiske in den letzten Jahren leider livehaftig gar nimmer zu erleben. Wohl nicht nur für seine immer noch sehr zahlreichen Fans, sondern auch für ihn unverständlich, denn er macht an diesem Abend durchaus den Eindruck, als ob er Spaß dabei habe, auf der Bühne zu stehen und Metal-Songs zu singen. Verlernt hat er nämlich rein gar nix, und deshalb kommen Songs wie 'Reach Out For The Light' oder 'The Tower' auch sehr gut an. Dass Tobias Sammet neben Michael Kiske fast schon zum Statisten wird, obwohl AVANTASIA ja eigentlich "sein" Ding ist, scheint ihn nicht wirklich zu stören. Immerhin singt Michael Kiske ja seine Songs.
Bei 'Death Is Just A Feeling' übernimmt dann Kai Hansen den Gesang. Er schlägt sich auch recht achtbar, kann aber natürlich seinem ehemaligen Weggefährten nicht das Wasser reichen. [Als würde er das wollen oder sollen ... - Anm. d. Lekt.] Nachdem sämtliche Gast-Sänger nun mal durften, übernimmt Tobias Sammet bei 'Lost In Space' den Gesang allein, jedoch nicht ohne das Publikum zum Mitsingen zu animieren. Überhaupt sucht er an diesem Abend in seiner ihm typischen Art immer wieder den Kontakt zum Publikum, und die eine oder andere recht spaßige Ansage kommt dabei dann schon raus. Weiter geht es dann mit 'In Quest For', 'Runaway Train' und 'Dying For An Angel', und zwar in wechselnden Sänger-Konstellationen.
Beim anschließenden 'Stargazers' darf dann sogar Gitarrist Oliver Hartmann mal den Gesang übernehmen, und er macht das wirklich nicht schlecht. Nun ja, mit Jorn Lande und Michael Kiske als Background-Sänger kann ja fast nix schiefgehen. Apropos "Background-Gesang": Nachdem Amanda Somerville sich schon den ganzen Abend eher im Hintergrund aufgehalten hat, darf sie sich bei 'Farewell' schließlich in den Vordergrund singen.
Bei 'The Wicked Symphony' muss dann das gesamte Ensemble nochmal ran, doch mit diesem Stück beschließen Tobias Sammet und Co. auch ihren Set. Aber natürlich ist allen Beteiligten - sowohl auf als auch vor der Bühne - klar, dass es das noch nicht gewesen sein kann. So dauert es auch nicht lange, bis die Band zurück auf die Bühne kommt, um mit 'The Toy Master' (mit Kai Hansen) und 'Shelter From The Rain' (mit Michael Kiske) noch zwei weitere Songs zu spielen. Bei 'Shelter From The Rain' versucht sich Kai Hansen auch an seiner Gitarre, doch so richtig will sie nicht.
Anschließend gibt es noch 'Avantasia' zu hören - darf ja nicht fehlen -, und eine Bandvorstellung gibt es natürlich auch noch. Und die zieht sich bei Tobias Sammet gern mal etwas in die Länge. Irgendwann wird dann aber auch mal wieder Musik gemacht, und zum Abschluss gibt es noch das Doppel 'Sign Of The Cross'/'The Seven Angels'. Nach einer Spielzeit von knapp drei Stunden (brutto!) kann man sich ja auch mal zufrieden geben.
Überhaupt lässt dieses Konzert wenig Raum für Kritik. Die Songauswahl war ziemlich gut, die Darbietung war sogar noch besser, und für All-Kart-Verhältnisse war sogar der Sound sehr ansprechend. Rüdiger und ich haben die Fahrt ins Allgäu jedenfalls nicht bereut. Am nächsten Wochenende gibt es AVANTASIA noch zweimal auf deutschem Boden zu sehen, nämlich in Fulda (18.12.) und in Essen (19.12.). Wer also die Möglichkeit hat, sollte sich diese Tour nicht entgehen lassen. Und ansonsten bleibt ja noch das nächstjährige Wacken Open Air, für das AVANTASIA auch schon bestätigt sind.
Setlist:
Twisted Mind
The Scarecrow
Promised Land
Serpents In Paradise
The Story Ain't Over
Reach Out For The Light
The Tower
Death Is Just A Feeling
Lost In Space
In Quest For
Runaway Train
Dying For An Angel
Stargazers
Farewell
The Wicked Symphony
The Toy Master
Shelter From The Rain
Avantasia
Sign Of The Cross/The Seven Angels
- Redakteur:
- Martin Schaich