An Evening With OPETH - New York

13.04.2010 | 12:22

07.04.2010, Terminal 5

OPETH feiern sich selbst und ihre Fans mit einer dreistündigen Rückschau auf die ersten zwei Dekaden.

Rückblick: November 2001. Eine bis dahin nur Insidern bekannte Formation aus Schweden erschließt sich nach gut zehn Jahren im Untergrund mit einem Album namens "Blackwater Park" und der damit verbundenen ersten nennenswerten Europatour langsam, aber sicher größere Fanscharen. Auf der Bühne des kleinen Knaack Club zu Berlin stehen die Herren Mikael Åkerfeldt, Martin Mendez, Martin Lopez und Peter Lindgren. Der Laden ist bestenfalls angenehm gefüllt, doch die wenigen Fans staunen andächtig bis begeistert, und das obwohl Frontman Åkerfeldt nicht gerade redselig durch den Abend führt. Muss er aber auch nicht, denn die einzigartige Musik des unter dem Namen OPETH agierenden Quartetts spricht für sich.

April 2010. Eine inzwischen zum metallischen Massenphänomen gewordene Formation aus Schweden macht auf ihrer drölfzigsten Welttournee mal wieder Halt in New York City. Anlass ist das zwanzigjährige Bandjubiläum sowie das (streng genommen noch nicht ganz) zehnte Wiegenfest von "Blackwater Park". Das im Vergleich zum Knaack mindestens zehnmal so große Terminal 5 ist seit Wochen ausverkauft, die Schwarzhändler verdienen sich zwei Straßenecken weiter eine goldene Nase. Auf der Bühne stehen der irgendwie alterslos scheinende Mikael Åkerfeldt, der mittlerweile wieder langhaarige Martin Mendez, und die "Neuen", an deren Anblick ich mich immer noch nicht ganz gewöhnt habe: Martin Axenrot, Fredrik Åkesson sowie das seit einer halben Dekade fünfte Mitglied, Per Wiberg. Die Fans schreien schon lange vor dem Beginn des "Evening with OPETH" laut deren Namen. Und Mikael Åkerfeldt, der über die Jahre auf der Bühne einen herrlich trockenen Humor entwickelte, schweigt - vorläufig jedenfalls. Wenigstens eins ist gleich geblieben, zusammen mit der immer noch einzigartigen Musik.

Während der ersten Stunde des Konzerts erlaube ich mir, in Erinnerungen zu schwelgen. Sehe mich im Geiste wieder direkt vor der Bühne des Knaack Clubs stehen und in diese Band verlieben, mit dem nicht genau definierbaren Gefühl, gerade etwas ganz Besonderem beizuwohnen. Öffne ich die Augen, befinde ich mich stattdessen irgendwo hinten rechts, umgeben von vielen, vielen Menschen. Die Liebe zu OPETH ist über die Jahre gewachsen und zuletzt, ich gebe es zu, etwas eingerostet. Und doch schaffen es diese Ausnahmemusiker heute wieder, mich gefangen zu nehmen.

Das liegt nicht nur an der immer noch großartigen, auf "Blackwater Park" verewigten Musik, sondern auch an deren visueller Untermalung. Das ohne jegliche Ansage am Stück durchgespielte Meisterwerk wird auf einer Leinwand im Bühnenhintergrund mit genau den Bildern versehen, die mir beim Hören stets in den Sinn kommen. Idyllische Wälder, Wiesen und Seen wechseln sich ab mit Unwettern und Sturmfluten sowie graphischen Animationen, zu denen OPETH die passenden Begleitmusik liefern. Der Sound, anfangs noch etwas scheppernd, wird im Laufe des Abends besser, und spätestens beim ersten Einsetzen des immer wieder Gänsehaut verursachenden Klargesangs von Mikael Åkerfeldt vergesse ich alles um mich herum. "Blackwater Park" ist nicht nur für mich eines der wichtigsten Alben des neuen Jahrtausends und hat auch viele Jahre später nichts von seinem Zauber verloren.

Nach einer zehnminütigen Pause richtet der Gitarrist und Sänger erstmalig das Wort an die Zuschauer und verspricht für den zweiten Teil des Abends eine Anthologie der bisherigen Karriere. Im Geiste gehe ich schnell die Anzahl der Alben durch (neun, inklusive des gerade gehörten "Blackwater Park"), multipliziere sie mit der durchschnittlichen OPETH-Songlänge (zehn Minuten) und denke stirnrunzelnd: Sie werden doch nicht etwa ...? Doch, sie werden! Von "Orchid" bis "Watershed" gibt es jeweils eine Kostprobe.

Aus Ersterem landet der zweitlängste Track im Set; gut dreizehn Minuten lang irren wir durch den düsteren 'Forest Of October', und auch 'Advent' des Nachfolgers ist keinen Deut kürzer. Mikael Åkerfeldt reichert die musikalische Zeitreise mit teils witzigen, teils informativen Anekdoten an. So z. B. habe er zu Zeiten von "My Arms, Your Hearse" vom schwedischen Melo-Death-Metal gerade die Schnauze voll gehabt und unterstreicht diese Aussage mit dem ruppigen 'April Etheral'. Von "Still Life" gibt es 'The Moor' als Kostprobe, nicht ganz mein Lieblingstrack des Albums, aber der längste. Als wollten OPETH das Beisammensein mit alten Freunden bis zur letzten Sekunde auskosten.

Gerade durch diese chronologische Abarbeitung bemerkt man auch die Weiterentwicklung der Formation. Auch wenn der Sänger im Zusammenhang mit dem Quasi-Doppelalbum "Damnation"/"Deliverance" von einer Krise innerhalb der Band spricht, so zeugen sowohl 'Wreath' als auch 'Hope Leaves' (wunderschön!) davon, dass OPETH ihren wachsenden Erfolg nie auf die leichte Schulter genommen haben und immer wieder neue Akzente zu setzen versuchen. Dass ich ihnen dabei zuletzt nicht mehr so ganz folgen konnte, steht auf einem anderen Blatt, und ich nutze die beiden jüngsten Titel 'Reverie/Harlequin Forest' ("Ghost Reveries") und 'The Lotus Eater' ("Watershed") dazu, um mich langsam in Richtung Ausgang zu schieben. Drei Stunden Spielzeit sind aber auch mehr als genug.

Setlist:

Teil 1: "Blackwater Park"

The Leper Affinity 
Bleak  
Harvest  
The Drapery Falls  
Dirge For November  
The Funeral Portrait  
Patterns In The Ivy  
Blackwater Park  

Teil 2: "Anthology"

Forest Of October  
Advent  
April Ethereal  
The Moor  
Wreath  
Hope Leaves  
Reverie/Harlequin Forest  
The Lotus Eater

Redakteur:
Elke Huber
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