Apocalyptica - Tuttlingen
08.07.2001 | 04:2304.07.2001, Honberg
Na sowas: APOCALYPTICA, die \"Cello-Vergewaltiger\" aus dem hohen Norden, wagten sich am 04.07. in das Städtchen Tuttlingen, um dort beim örtlichen Sommerfest zwischen den Ruinen auf dem Honberg zu zeigen, was man so alles mit einem Streichinstrument anstellen kann. Und da hier im tiefsten Süden der Republik konzerttechnisch gerade nicht übermäßig viel geboten wird, war es natürlich klar, dass man sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen sollte.
Auf dem idyllischen Honberg angekommen, bot sich erstmal eine illustre Volksfeststimmung: Unmengen von Fressständen, Bierbänken und -tischen beherrschten das Areal, bevölkert von mehreren Hundert Besuchern aller Art (Rentner, Kleinkinder, Durchschnittsbürger, junge Familien, Skater, ..., dazu verhältnismäßig wenige Rocker, Metaller und Goths). Und hier würde in einer halben Stunde ein Konzert von APOCALYPTICA stattfinden? Kaum zu glauben, aber wahr - davon konnte man sich an der Abendkasse überzeugen, wo bereits ein reger Kampf um die letzten verbliebenen Tickets herrschte.
In einem großen Zelt im hinteren Teil des Geländes ging es dann schließlich mit etwa 20 Minuten Verspätung los. Von innen bot die Location glücklicherweise mehr Platz, als man es von außen vermutet hätte, und so strebte das durchwachsene Publikum sehr zahlreich Richtung Bühne, so dass im Endeffekt gut 500 bis 600 Leute gespannt im Halbdunkel warteten. Zu meiner Überraschung ließ sich keine Vorband blicken, stattdessen nahmen nach einer kurzen Ansage Eicca Toppinen, Paavo Lotjonen, Perttu Kivilaakso und ein weiterer Saitenvirtuose auf den bereitgestellten Stühlen Platz und schrammelten los, was die Celli hergaben. Mooooment, da stimmte doch was nicht. Wo war Max Lilja und wer zum Geier war der unbekannte vierte Mann? Des Rätsels Lösung: Der gute Max hatte sich kurz zuvor die Hand gebrochen, jedoch fand man glücklicherweise schnell Ersatz, und dazu doch keinen so unbekannten wie zuerst angenommen: Antro Manninen, ehemaliges Mitglied von APOCALYPTICA, hatte sich spontan bereit erklärt, die entstandene Lücke zu füllen und war aus diesem Grund extra am selbigen Tag aus Finnland angereist. Löblich, löblich.
Tja, was soll man groß zum brachialen Cello-Gewitter sagen, dass sich die folgenden 75 Minuten über den Zuschauern entlud? Ein Wort dürfte genügen: GEIL! Sind die Nordmänner auf Platte schon ganz nett anzuhören, so stellen sie live ein wahres Feuerwerk an Energie und Spielfreude dar. Atemberaubend schnell und brutal hin- und herflitzende Bögen, unglaublich flinke Finger (auf den Griffbrettern der Instrumente natürlich *g*) und ein derart druckvoller Sound, dass es einem die Schuhe auszieht - das sind APOCALYPTICA on stage. Classical Metal im wahrsten Sinne des Wortes, dagegen sieht so mancher \"normale\" Gitarren-Metal alt aus. Jeder klassische Cello-Lehrer würde sich angesichts der Malträtierung der edlen Klangkörper sicherlich sämtliche Haare ausraufen und im Viereck springen, doch wen soll\'s kümmern - die im Zelt versammelte Zuschauerschar zumindest wenig. Die mittlerweile wohlbekannten Versionen von METALLICA-Klassikern wie \"One\", \"The Unforgiven\", \"Master Of Puppets\" oder \"Enter Sandmann\" wurden jedenfalls von Jung und (!) Alt begeistert gefeiert, ebenso die Eigenkompositionen \"Harmageddon\", \"Pray\" und \"Path\" (welches ohne den nervigen Gesang von GUANO APES-Singdrossel Sandra Nasic um Längen besser rüberkam). Dazu schleppten Eicca und Perttu immer wieder ihre Celli von einer Ecke der Bühne zur anderen, feuerten das Publikum an, röhrten (wenn vorhanden) eifrig die Texte der Songs mit und bangten obendrein noch wie wild. Und für \"some extreme sports\", wie Eicca sich auszudrücken pflegte, war mit der Interpretation von SEPULTURAs \"Refuse Resist\" ebenfalls bestens gesorgt - da kam man dem rasenden Spiel der Vier mit dem bloßen Auge echt nicht mehr hinterher. Zum Finale durfte sich vor allem Antro, der die vergangenen zwei Jahre ausschließlich der Klassik gewidmet hatte, bei Edvard Griegs \"Hall Of The Mountain King\" beweisen - der krönende Abschluss einer fulminaten Show.
Die Band war top, das Publikum begeistert..., trotzdem gab es auch negative Punkte zu verzeichnen: Die PA im Zelt war, gelinde gesagt, unter aller Sau. Besonders bei den tiefen Tönen dröhnte das gesamte Konzert hindurch ein wahnsinnig nervendes Brummen, Knistern und Knacken aus den Boxen; stellenweise dachte ich wirklich, die ganze Anlage macht gleich schlapp. Außerdem, meine lieben Damen und Herren Veranstalter: 32 bzw. 38 Mark (Abendkasse) für ein grade mal 75minütiges Konzert zu verlangen, noch dazu ohne Supportband und mit einer derart schlechten Soundanlage, das grenzt echt an Unverschämtheit.
Naja, aber was soll ich mich beklagen, für diese Mängel konnte die Band ja nichts. Alles in Allem ein trotzdem gelungener Abend, sowohl musikalisch als auch optisch (wann sonst bekommt man schon mal so leckere Cellisten vors Auge *sabber* :-) ). APOCALYPTICA werd ich mir in Zukunft sicher noch mehrmals live \"antun\".
- Redakteur:
- Kathy Schütte