BIOHAZARD, LIFE OF AGONY und LYLVC - Köln

08.04.2025 | 23:36

09.03.2025, Carlswerk Victoria

Zwei Legenden geben sich die Ehre. BIOHAZARD und LIFE OF AGONY im Doppelpack, dazu ein starker Support - was will man mehr?

Die triumphale Rückkehr von BIOHAZARD vor zwei Jahren hat bis heute ihre Spuren hinterlassen. Die NYC-Legende zerlegte seinerzeit das Dynamo Metal Fest nach allen Regeln der Kunst und weckte die Hoffnungen, dass die Truppe im Line-up der drei ersten legendären Alben eines Tages für Mehr zurückkehren würde. Die lauten Rufe sollten nicht ungehört bleiben, doch statt einfach nur eine Tour anschließen zu lassen, füllte man das Package mit einer weiteren Legende, die zuletzt wieder von sich reden machte, als aus Mina Caputo endlich wieder Keith wurde. Mit dem mental wieder zur Stabilität zurück gekehrten Frontmann von LIFE OF AGONY sollte im Carlswerk Victoria ein denkwürdiger Konzertabend gefeiert werden, der nicht nur dem Namen nach Erwähnung in den Büchern finden dürfte.

Bevor das Doppepack in einer energiereichen Co-Headliner-Show jedoch die Bühne entern darf, gilt die Aufmerksamkeit den Newcomern von LYLVC, einer jungen Combo aus North Carolina, die mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Rap-Metal, düsterem Alternative Rock und einer Menge Spektakel erstaunlich schnell die Gunst der eingefahrenen Fangemeinde erlangen kann. Die Mischung aus LACUNA COIL-Vocals, entsprechend finsteren Melodien und wuchtigen neumetallischen Grooves liefert eine Menge Zündstoff. Ein futuristisches Keyboard mit mächtiger Federung entpuppt sich schnell als Blickfang, bevor Frontdame Alyse Zavala mit ihrer wuchtigen Stimme für Furore sorgen kann und im steten Duett mit ihrem Gesangspartner Oscar Romero einen Hit nach dem anderen ins Auditorium feuert. Die Songs sind melodisch, die Singalongs sitzen, und auch wenn nur die wenigsten Zuschauer mit LYLVC vertraut sein dürften, gibt es von Anfang an mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Als die Band schließlich nach einer guten halben Stunde die Bühne verlässt, ist die Gewissheit längst besiegelt, dass hier mehr als nur ein leidiger Support-Act angeheizt hat. LYLVC muss man im Auge behalten, denn das Potenzial der jungen Combo hat sich hier sehr, sehr deutlich eingebrannt.

Nach einer relativ kurzen Umbaupause folgt dann genau jener Selbstläufer, der auf allen bisherigen Gastspielreisen von LIFE OF AGONY eigentlich schon vorgezeichnet war. Dem Motto der Tour getreu spielt die Band heute nur Stoff ihrer ersten Alben und konzentriert sich nahezu ausschließlich auf den Hardcore-inspirierten Teil der Frühphase, der vom stimmungsvollen Intro des HOUSE OF PAIN-Gassenhauers 'Jump Around' noch recht relaxt eingeläutet wird.

Doch sobald Caputo und seine Mitstreiter auf der Bühne stehen, gibt es hier den kompletten Abriss. Der standesgemäße Opener 'River Runs Red' bringt sofort so viel Bewegung in die Show, dass die ersten 20 Reihen turnen, hüpfen und auch surfen. Letzteres geschieht leider zum Leidwesen des ansässigen Redakteurs, dem währenddessen die Kamera aus der Hand gefegt wird, so dass das anhängige Objektiv Opfer des Pits wird. Der persönliche Ärger ist groß, wird aber schnell wieder kompensiert, da LIFE OF AGONY heute die Mission Vollgas ausruft und dem Publikum keine Pause gönnt.

'This Time' wird frenetisch mitgesungen, bei 'Bad Seed' dreht sich an vorderster Front der erste Kreis, und mit 'Method Of Groove' und 'Lost At 22' hat das New Yorker Urgestein die Meute endgültig im Sack. Caputo agiert erneut leidenschaftlich und fegt wie ein Derwisch über die Bühne, seine beiden Sidekicks Alan Robert und Joey Z. lassen sich sofort anstecken, und auch Schlagwerkerin Veronica Bellino erzeugt an den Kesseln mächtig Druck, so dass der Siegeszug kaum mehr aufzuhalten ist. Spätestens das aus tausend Kehlen mitgesungene 'Weeds' und das bärenstarke 'I Regret' zeigen auf, warum die Band trotz zuletzt nicht mehr ganz so überragender Releases einen solchen Kultstatus genießt. Denn auf den Brettern dieser Welt gelingt es nur wenigen Acts, so viel Energie punktgenau zu kanalisieren und so viel Ansteckendes zu zelebrieren.

Dazu gehört dann auch das CRO-MAGS-Cover 'We Gotta Know', mit dem das Quartett den Schlussteil einläutet. Caputo, heute im übergroßen Shirt unterwegs, greift auf seine letzten Reserven zurück, macht Meter um Meter und bedankt sich nach dem gewaltigen 'Through And Through' und dem starken 'Underground' herzlich bei den Fans, die LIFE OF AGONY auch nach mehr als 30 Jahren nicht im Stich gelassen haben. Wie eigentlich schon zu erwarten ist, dürfte es für die nachfolgenden Comebacker daher auch äußerst schwierig sein, hier noch einen draufzusetzen.

Doch 30 Minuten später wird es zur Gewissheit, dass BIOHAZARD absolut unter Starkstrom steht und vollkommen selbstbewusst den Tagessieg anvisiert. Evan Seinfeld, Billy Graziadei, Bobby Hambel und Danny Schuler marschieren mit stolz gereckter Faust auf die Bühne, und sobald die erste Note von 'Urban Discipline' durch die Boxen schießt, gibt es im gesamten Carlswerk kein Halten mehr. Graziadei nutzt den gesamten Raum der Bühne, um sich in wilden Sprints durch seine Riffs zu kämpfen. Frontmann Evan steht wie ein Fels in der Brandung und shoutet wie in besten Zeiten, Danny Schuler gehört immer noch zu den besten und agilsten Drummern im ganzen Crossover-Business. Bobby Hambel, dessen Stage-Performance manchmal so daherkommt, als habe er etwas zu tief aus der Tüte gezogen, liefert lässig aber professionell ein echtes Brett ab, mit dem BIOHAZARD sich schließlich auch durch die Reihen knüppelt. 'What Makes Us Tick' bringt den Saal auf Betriebstemperatur, 'Wrong Side Of The Tracks' initiiert den ersten Circle-Pit, und bei 'Five Blocks To The Subway' darf dann auch mal mitgegrölt werden. Diese Gelegenheit lässt sich keiner der Anwesenden nehmen.

Das Quartett belässt es heute bei Material der ersten drei Alben, und nichts anderes wollen die Zuschauer auch hören. Ob nun 'Black And White And Red All Over', 'Victory' oder 'Love Denied': Hier wird mächtig aus dem kultigen Archiv der frühen 90er geschöpft. Es ist eigentlich fast egal, was die Band heute anpackt, da diese ansteckende Darbietung derart elektrisierend ist, dass man sich tatsächlich fragen muss, wo die Jungs diese Reserven nach all den Jahren noch herholen. Mit 'We're Only Gonna Die' huldigt BIOHAZARD schließlich ihren Idolen von BAD RELIGION, startet dann aber auch schon einen markanten Schlussspurt, in dem 'Tales From The Hard Side', 'Punishment' und 'Holy My Own' ein letztes Mal die Massen mobilisieren.

Nach 70 Minuten ist dann endgültig Schluss, und auch wenn hier niemand ohne Schweißflecken den Saal verlässt, blickt man allerorts in begeisterte Gesichter, denn diese Tour hat in allen Phasen des Gigs geliefert und die Erwartungen sogar übertroffen. Von altem Eisen darf folglich nicht die Rede sein, und dass sowohl BIOHAZARD als auch LIFE OF AGONY den nächsten Studiobesuch geplant hat, macht Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Einziger vermeintlicher Wermutstropfen: Man kann sich kaum vorstellen, dass beide Bands diesen Abend noch mal werden übertreffen können. Enough said!


Text und Fotocredit: Björn Backes

Redakteur:
Björn Backes

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