Bang Your Head!!! - Balingen
04.08.2011 | 17:4717.07.2011, Messegelände
Tolles Wetter, tolle Bands, viel Komfort und rundum entspannt - so gibt sich das BYH anno 2011, und dafür nimmt es auch ordentlich Geld.
Als Opener hat man immer einen undankbaren Job, klar, zumal wenn das Wetter gut ist, die Party gestern lang war und obendrein etwas schwerere Kost in Form von Progressive Metal auf dem Programm steht. Die Deutschen IVANHOE versuchen nach allen Regeln der Kunst, ein bisschen Stimmung in die noch relativ wenig besuchte Open Air Bude zu bringen, aber der Funke sprint nur zu einigen wenigen wirklich über. Der Band kann man dabei keinen Vorwurf machen, mehr ist zu dieser frühen Stunde einfach nicht drin. Dass Sänger Micha Mang eine kraftvolle Stimme hat, trotzdem relativ hoch singen kann und manchmal den einen oder anderen Ton ein klein wenig verfehlt, was ihn nur noch sympathischer macht, ist eine Erkenntnis, die ich vorher schon hatte. Dass ich IVANHOE gerne mal in einem Club abends sehen möchte, ist eine neue. Und dass sie gut 200 Rocker morgens schon zu klatschen und jubeln bringen können, ist auch der Erwähnung wert.
[Frank Jaeger]
Als zweite Band müssen die Koblenzer METAL INQUISITOR ran. Dabei scheint das Quintett ein gern gesehener Gast für Veranstalter und Fans zu sein, denn in den letzten Jahren durfte ich sie schon des Öfteren auf den unterschiedlichsten Festivals bewundern. Der Veranstalter bucht eine bestimmt sehr umgängliche Truppe, die man zu jeder Tageszeit auf die Bühne schicken kann. Die Fans schätzen dagegen eher die konstante musikalische Qualität, die irgendwo in der Schnittmenge zwischen NWoBHM, True und Power Metal liegt. Ich muss zugeben, dass mir die Musik ein Stückchen zu klassisch und traditionell ist, doch macht der Fünfer das mit einer leidenschaftlichen und mehr als sympathischen Performance wieder wett. Dabei wirkt ihr Vortrag für ihre Verhältnisse heute sogar ungewöhnlich steif, was aber vielleicht an der sehr frühen Uhrzeit liegen könnte. Über mangelndes Zuschauerinteresse können sie sich jedenfalls nicht beklagen, denn die Festivalbesucher sind schon früh auf den Beinen und wohnen dem Auftritt zahlreich bei. Musikalisch bieten METAL INQUISITOR einen schönen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens und bringen mit älteren Songs wie 'Restricted Agony', 'Doomsday For The Heretic', 'Zombie Driver' oder neueren Datums wie 'Extinction', 'Betrayed Battalion' oder 'Persuader' einige verspannte Nackenmuskulaturen wieder auf Betriebstemperatur. Apropos Hitze: Ich hoffe, Sänger El Rojo hat sich seine Glatze kräftig eingecremt, denn diese glänzt schon fast bedrohlich in der unbarmherzigen Sonne, die sich gerade aus ihrem Versteck traut. Ein weiterer Höhepunkt ist ein aus dem Publikum geflogen kommender Schuh, den die Band demonstrativ das ganze Konzert über einbehält, ehe er am Ende doch noch seinen Weg zurück in die Menge findet. Absolute Situationskomik. Ein solider Auftritt der Koblenzer, die man egal wo, egal wann, immer wieder anschauen kann. Die Höhepunkte schreiben zwar immer andere, aber METAL INQUISITOR sind eindeutig eine coole Festivalband.
[Chris Staubach]
Die Schweden von ASTRAL DOORS sollten eigentlich auf dem Bang Your Head ein Heimspiel haben, ist doch die Fraktion der DIO-Jünger zahlreich vertreten. Was den Skandinaviern immer mal wieder vorgeworfen wurde, nämlich einfach zu stark nach DIO - und RAINBOW, okay - zu klingen, ist nach Ronnies Ableben zumindest ein Lichtblick für den Stil. Vielleicht sollten die Jungs mal eine DIO-Coverband gründen? Seltsamerweise ist es vor der Bühne noch nicht ganz voll. Sollte es sich noch nicht herumgesprochen haben, dass die Jungs richtig gute Musik machen? Und dass vor allem Sänger Nils Patrick Johannson zu den ganz Großen zählt? Mit dem Titelsong ihres zweiten Albums "Evil Is Forever" legen die ganz in schwarz gekleideten Fünf ordentlich los, mit viel Keyboards und einer deutlich zu leise abgemischten Gitarre, was sich aber im Laufe des Gigs bessert, wenn auch nicht völlig behoben werden kann. Der Vorteil ihres Stiles ist, dass man auch mitrocken und mitsingen kann, wenn man die Songs noch nicht kennt, ohne dass sie langweilig werden. Insgesamt acht Songs mit einem Schwerpunkt auf dem genannten Zweitwerk machen die vierzig Minuten äußerst kurzweilig, auch wenn die Songauswahl sicher noch verbesserungswürdig ist, denn die ersten sechs Stücke sind vom Tempo her sehr ähnlich. Da hätte ein flottes 'Pentecostal Bound' oder 'Bride Of Christ' ganz sicher für mehr Stimmung gesorgt. Erst gegen Ende wird das Tempo variiert. Natürlich sind alle gewählten Songs klasse, es gibt ohnehin nur wenige Lieder, welche die Band nicht darbieten sollte, und das Publikum ist auch mehr als angetan, aber da wäre noch mehr drin gewesen. Das gilt auch für das Stageacting. Außer Johannson gab es eh keine Bewegung, und selbiger nahm das Ganze eher cool denn Dio-theatralisch. Letzteres wäre aber sicher besser gewesen. Dennoch passen ASTRAL DOORS ganz sicher auf jedes Festival. Immer.
Setlist: Evil Is Forever, Time To Rock, New Revelation, Of The Son And The Father, Black Rain, Slay The Dragon, Power And The Glory, Cloudbreaker
[Frank Jaeger]
Gegen 13 Uhr legen die NWoBHM-Urgesteine TYGERS OF PAN-TANG los, die mit ihrem Sänger Jacopo Meille seit einigen Jahren zumindest live einen zweiten Frühling erleben - trotz des Umstands, dass mit Gitarrist Robb Weir nur noch ein Mitglied der Original-Besetzung bei den TYGERS rockt. Mit 'Euthanasia' beginnt die sehr gut besuchte Rock'n'Roll-Party bei strahlendem Sonnenschein und dennoch moderat warmen Temperaturen. Die Band ist super eingespielt und rockt das Publikum auf der Schwäbischen Alb, das übrigens sehr zahlreich den Auftritt verfolgt, von der ersten bis zur letzten Minute. 'Take It', 'Suzie Smiled' oder auch der 'Rock'n' Roll Man' sorgen für anhaltendes Luftgitarren-Spiel der Festivalbesucher. Besonders das geradeaus und voll auf den Punkt gespielte 'Tyger Bay' trifft bei den Feiernden voll ins Schwarze. Wie bereits beim gleichermaßen sehenswerten Auftritt der Band beim "Headbangers Open Air 2010" spielen die TYGERS mit 'Hot Blooded' nur ein aktuelles Stück vom letzten regulären Studioalbum “Animal Instinct” (2008), das sich jedoch gut in die Setlist einfügt und prima vom Publikum aufgenommen wird. Im etwas länger ausfallenden Mitsing-Teil von 'Rock'n' Roll Man' werden dann die bestens aufgelegten Bandmitglieder vorgestellt, bevor sich TYGERS OF PAN TANG mit 'Raised On Rock' und dem überragenden 'Hellbound' verabschieden. Unter dem Strich eine sehr unterhaltsame und sehenswerte Darbietung. Weiterrocken, die Herren! Marsch!
Setlist: Euthanasia, Take It, Tyger Bay, Hot Blooded, Gangland, Suzie Smiled, Don't Stop By, Rock And Roll Man, Raised On Rock, Hellbound
[Martin Loga]
Dürfen D.A.D. jetzt eigentlich wieder ihren alten Originalnamen verwenden? Auf T-Shirts und als Backdrop prangt groß DISNEYLAND AFTER DARK. Das muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein. Die vier Scherzkekse sind immer für eine kurzweilige Show gut, und das scheinen auch die Metaller vor Ort zu wissen, denn der Applaus ist groß als die Dänen die Bühne entern. Was hat der Basser da eigentlich an? Sieht aus wie eine Strickjacke, scheint aber eine mit bunten Streifen bemalte Lederkutte zu sein. Dazu ein transparenter Bass mit neonfarbenen Saiten. Ja, so kennt man sie. Jakob, einer der beiden Binzer-Brüder, und zwar der, der nicht singt, trägt einen Zylinder. Jau, das ist Metal. Mit 'Evil Twin' starten die Vier in der Mitte der Diskographie, aber dann geht es gleich in die Frühzeiten, zurück zum 1991er Album "Riskin' It All" und danach zu "No Fuel Left For The Pilgrims". Das kennen hier fast alle, und so wird die Band beachtlich gefeiert. Überhaupt, es gibt nur ganz vereinzelt Songs aus der späten Schaffensphase mit dem Titelsong des Albums "Scare Yourself" von 2002 und dem Namensgeber der letzten Werkes, "Monster Philosophy" aus dem Jahr 2008, ansonsten werden die witzigen Nummern der Anfangsphase genüßlich zelebriert, so gar ein Song des Debüts, nämlich 'Ridin' With Sue'. Schade, dass nicht jeder den sehr witzigen Text versteht, den übrigens Basser Stig Pedersen intoniert. Der Band scheint das überhaupt nichts auszumachen, sie ist mit Spielfreude und Schalk dabei. Die Ansagen Jespers, des zweiten Binzer-Bruders, sind auf Deutsch, aber nicht immer zu verstehen, was in einen Mitsingpart zu der Textzeile "Komm schon Laus, wir wissen du schaffst es" mündet. Ein "Trinkenlied", wie Jesper erklärt. Ach so. Aber bei so viel Spaß in den Backen muss man einfach mitmachen. D.A.D. oder DISNEYLAND AFTER DARK (was ist denn nun richtig?) gewinnen heute sicher viele neue Freunde und bestätigen die alten. Mich eingeschlossen.
Setlist: Evil Twin, Bad Crazyness, Girl Nation, Scare Yourself, Ridin' With Sue, Monster Philosophy, Jihad, The Road Below Me, Sleeping My Day Away, Reconstrucdead
[Frank Jaeger]
Ich muss ja schon zugeben: Ein bisschen skeptisch war ich durchaus, wie sich denn wohl PSYCHOTIC WALTZ schlagen würden - vor allem nach den drei extrem unterhaltsamen Auftritten von TYGERS OF PAN TANG, D:A:D und HARDCORE SUPERSTAR. Es war zwar klar, dass die Fans der Band vor die Bühne stürmen würden, aber wie würden Devon "Buddy Lackey" Graves & Co. wohl bei der breiten Masse ankommen? Sehr gut - soviel kann ich bereits sagen. Denn von Beginn an zieht Devon das Publikum mit seiner unnachahmlichen Art in den Bann, und so wird jeder Song frenetisch abgefeiert. Musikalisch wird ein Querschnitt durch alle vier Alben geboten, wobei zu Beginn erstmal "Mosquito" mit dem Titelsong sowie 'Haze One' und "Bleeding" mit 'Locust' und 'Northern Lights' dran sind. Nach diesem Eröffnungsquartett gibt es eine kurze Ansage von Devon, der sich sichtlich freut, vor so vielen Leuten spielen zu dürfen, bevor es mit dem "Into The Everflow"-Album weitergeht ('Freakshow', 'Into The Everflow'). Aber natürlich darf auch das Debütalbum "A Social Grace" nicht fehlen - immerhin zeigt das Backdrop eben dieses Cover. Erfreulicherweise gibt es zunächst ausgerechnet 'I Remember' zu hören, das noch bei der Tour im Frühjahr so schmerzlich vermisst wurde, und nach 'Morbid' gibt es mit 'Halo Of Thorns' gar noch einen zweiten Song von "A Social Grace". Damit ist der Auftritt von PSYCHOTIC WALTZ leider viel zu früh auch schon wieder vorbei. - Nun ja, als Trost bleibt ja, dass die Band im April bereits wieder nach Deutschland kommt und dann beim Keep It True Festival doch eine deutlich längere Spielzeit bekommt.
Setlist: Mosquito; Locust; Northern Lights; Haze One; Freakshow; Into The Everflow; I Remember; Morbid; Halo Of Thorns
[Martin Schaich]
Es gibt einiges an Verwirrung, als Jeff Scott Soto kurzfristig aus mir nicht näher bekannten Gründen auf die Hauptbühne verfrachtet, seinen Set beginnt. Eigentlich sollen jetzt die PRETTY MAIDS spielen, auf die offensichtlich so einige der Anwesenden gewartet haben, doch der Veranstalter hat die Acts kurzerhand getauscht [Anmerkung: Der Grund war, dass der Frontmann der Dänen seinen Flug verpasst hatte, was mir offensichtlich entgangen war - allerdings auch allen, die um mich herum standen. Frank Jaeger]. Mit dem Resultat, dass nicht jeder die hübschen Däninnen sehen können würde, aber dazu später mehr. Jedenfalls sieht Jeff völlig unmetallisch aus mit seinen schwarzen Locken und dem langen Schal (!), dazu eine weite Tuchhose. Dazu der Beginn mit '21st Century' vom "Beautiful Mess" Album, und die Verwirrung ob der funkigen Sounds mit Samples und Scratches ist perfekt. Passt auch, zugegebenerweise, nur schwerlich ins Billing. Da ich aber Abwechslung mag und Soto eh sehen wollte, passt mir das auch gut. Auch der TALISMAN-Song 'Blissful Garden' ist nicht gerade der härteste aller Songs des Tages und vermag nur wenige im Publikum, die ihn nicht schon kennen und seinetwegen vorne stehen, in den Bann zu ziehen. Erst mit 'Drowning' wird das anders, da geht es dann endlich etwas ab. Soto selbst macht einen auf Rock Star, hat Probleme mit seinem Mikrophon und muss auf das eines Mitmusikers zurückgreifen. Er bemüht sich zwar redlich, wirkt aber irgendwie fehlplatziert. Sein Posing und Gehabe ist eher poppig-peinlich denn heavy und authentisch, aber seine Stimme ist einfach grandios. Und nachdem man sich ein wenig gewöhnt hat, an diesen unüblichen Sound und Stil, ist er auf jeden Fall eine Bereicherung für die Hauptbühne. Als kleines Schmankerl hat er dieses Mal auch zwei Songs im Gepäck, die er mit AXEL RUDI PELL aufgenommen hat, was ihm schon einiges mehr an Anerkennung einbringt. Natürlich können wir streiten, ob 'Fool Fool' und 'Warrior' die beiden richtigen Stücke sind, aber für mächtig Stimmung sorgen sie allemal. Dass er dann von der Bühne geht und es seiner Band überlässt, den gestorbenen Metal- und Rockhelden in Form von kurz angespielten Instrumentalteilen ihrer Gassenhauer zu huldigen, ist dagegen sicher eine Geste, die noch Steigerungspotential hat. Und Michael Jackson in diesem Reigen neben Dio und Gary Moore, wobei bei der Version von 'Parisienne Walkways' auch eher der Gedanke zählt denn die Umsetzung, ebenfalls mit zu gedenken, zeigt, dass Jeff doch in seiner musikalischen Sichtweise nicht auf einer Wellenlänge mit den meisten hier Anwesenden tickt. Trotzdem ist das Set nett und frisch und macht Spaß, wenn man sich denn auf den Melodic Rock des Schweden einlässt. Gegen Ende des Sets kommt noch einmal seine alte Band TALISMAN zu ihrem Recht mit einem auf das erste Album stark zugeschnittenen Medley, bei dem ich zugegebenermaßen nicht sicher bin, was alles enthalten war, daher ohne Gewähr auf Vollständigkeit: 'Break Your Chains', 'Day By Day', 'Give Me A Sign', 'Dangerous', 'Just Between us'. Sicher hat er sich kein Plätzchen auf dem Medallientreppchen des Festivals erspielt, aber ein paar neue Freunde dürfte er schon ob seiner unvergleichlichen Stimme gewonnen haben. Auch wenn das Gros der echten Metaller eine Essenspause eingelegt hat.
Setlist: 21st Century, Blissful Gardens, Drowning, I Want To Take You Higher, Soul Divine, Fool Fool (Axel Rudi Pell), Get It Out (Axel Rudi Pell), Believe In Me, Talisman Medley, I'll Be Waiting
[Frank Jaeger]
Zu SONATA ARCTICA kehren dann einige der "echten Metaller" wieder vor die Bühne zurück. Wie ich scheinen aber viele nicht so ganz freiwillig hier zu sein, sondern von ihren östrogengestählten Regierungen nach vorne gezogen worden zu sein. Selten habe ich beim "Bang Your Head!!!"-Festival so viele Frauen direkt vor der Bühne gesehen wie bei den finnischen Schmusemetallern. Der Sound ist zu Beginn gleich gut und es wird mit 'Flag In The Ground' in ein Set gestartet, welches den Schwerpunkt auf die letzten drei Alben legt. Der melodische Power Metal der Truppe kommt beim Publikum an, der Raum vor der Bühne ist gut gefüllt und das Quintett zeigt gehobene Spiellaune. Einzig die ständigen Ansagen von Sänger Tony Kakko nerven ein wenig und sind mit ihrer Länge und ihrem Inhalt schwer zu ertragen. Das führt dann dazu, dass vor 'Victoria's Secret', als der eigentlich sehr sympathische Frontmann die Damen fragt, welche von ihnen denn keine Unterwäsche an hätten, erste "Halt die Klappe und spiel Musik"-Rufe aus dem Publikum zu hören sind. Sowas kenne ich eigentlich nur von MANOWAR-Konzerten.
Ebenso erregt die Songauswahl zumindest bei mir doch etwas Unmut, denn die ersten beiden Alben kommen für meinem Geschmack viel zu kurz. Kein 'Replica' kein 'Full Moon', kein 'San Sebastian', kein 'Wolf & Raven', dafür aber reichlich theatralische Stücke wie 'The Last Amazing Grays' oder 'Last Drop Falls'- da stimmt die Mischung einfach nicht.
Technisch und spielerisch präsentieren sich die Finnen allerdings wie immer in bestechender Form, die Töne sitzen, der Sound ist ausgezeichnet und der Gesang ist absolut tadellos. Beim letzten Song 'Don't Say A Word' muss ich dann auch einfach mitsingen und wenn ich mich so umsehe, sehe ich fast ausschließlich zufriedene Mienen. Auch meine Regierung ist vollauf begeistert - das ist doch die Hauptsache. Und sicher ein viel besserer Indikator für die Qualität des Auftritts als die Meinung eines so alten Brummbären wie mir.
Setlist: Flag In The Ground, Blinded No More, Paid In Full, Last Drop Falls, Victoria's Secret, Black Sheep, Sing In Silence, The Last Amazing Grays, Don't Say A Word
[Martin Schneider]
HELLOWEEN haben zumindest bei mir den zwiespältigsten Eindruck von allen Bands beim diesjährigen Bang Your Head Festival hinterlassen. Doch der Reihe nach: Wie fast nicht anders zu erwarten, starten die Hamburger nach einem etwas längeren Intro mit 'Are You Metal?' von ihrem aktuellen Album "7 Sinners", um danach gleich mit 'Eagle Fly Free' in die "Keeper Of The Seven Keys"-Ära zu springen. Nach einer ersten kurzen Ansage von Andi Deris folgt 'March Of Time', das nach seiner Aussage "sauschwer zu singen" ist, aber er schlägt sich ganz wacker. Danach darf Gitarrist Sascha Gerstner ein bisserl solieren, bevor mit 'Where The Sinners Go' ein weiterer neuer Song zum Besten gegeben wird. Das anschließende Schlagzeugsolo von Dani Löble hätte man sich gerne sparen können, doch 'I'm Alive' entschädigt dann dafür. Soweit also eigentlich alles im grünen Bereich. Und es wird noch grüner, denn mit einem Medley aus 'Keeper Of The Seven Keys', 'The King For A 1000 Years' und 'Halloween' ist die Band am Höhepunkt ihres Auftritts. Dieses großartige Stück, das die wichtigsten Passagen dieser drei Langläufer beinhaltet, macht einfach Spaß, und dementsprechend ausgelassen ist auch die Stimmung in der Menge vor der Bühne. Doch leider kommt dann der tiefe Fall - nicht aufgrund der gespielten Songs, denn 'Future World', 'Dr. Stein' und 'I Want Out' zählen schließlich zu den absoluten Bandklassikern. Aber man kann mit sinnlosem Gequatsche und endlosen Mitsingspielchen auch die besten Songs zugrunde richten. Okay, als 'Future World' kein Ende nehmen will, sehe ich ja noch darüber hinweg, aber als sich das gleiche Spiel bei 'I Want Out' wiederholt, habe ich die Schnauze voll - ich flüchte in die Event-Halle zu den PRETTY MAIDS. Ob HELLOWEEN danach noch einen weiteren Song gespielt hat, kann ich deswegen auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass die Hamburger locker noch Zeit für mindestens drei Songs gehabt hätten, wenn sie sich die Soli und den ganzen anderen Firlefanz gespart hätten. Schade eigentlich, denn sie hatten so gut angefangen ...
Setlist: Are You Metal?; Eagle Fly Free; March Of Time; Where The Sinners Go; I'm Alive; Keeper Of The Seven Keys; The King For A 1,000 Years; Halloween; Future World; Dr. Stein; I Want Out
[Martin Schaich]
Da sich die Spielzeiten von HELLOWEEN (draußen) und PRETTY MAIDS (drinnen) um fünf Minuten überschneiden, mache ich mich schon kurz vor dem Ende des HELLOWEEN-Gigs auf den Weg in die Event-Halle. Und siehe da: Ich habe Glück, dass ich überhaupt noch reinkomme. Drinnen drängen sich nämlich bereits die Leute vor der Bühne, und die Band spielt auch schon das Titelstück des aktuellen Albums "Pandemonium" - ich nehme mal an, dass es der erste Song des Sets ist. Mit 'I.N.V.U.' lassen die Dänen gleich noch einen weiteren neuen Song folgen, bevor Sänger Ronnie Atkins das bestens gelaunte Publikum begrüßt. Er erklärt dabei auch, dass sie Probleme am Flughafen hatten und deswegen nicht rechtzeitig zu ihrer ursprünglichen Spielzeit hier sein konnten. (Wenn man sich die brechend volle Halle und die ausgelassene Stimmung vor Augen führt, dann war das für die Band nicht mal von Nachteil. ;-)) Nach dem Klassiker 'Rodeo' gibt es mit 'It Comes At Night' noch ein weiteres neues Stück, bevor es endgültig quer durch die Band-Historie geht. Songs aus den 80ern wie 'Back To Back' oder 'Love Games' wechseln sich mit Nummern aus den 90ern wie 'Walk Away' oder 'Sin-Decade' ab. Doch abgefeiert wird jedes einzelne Stück, und lauthals mitgesungen wird natürlich auch. Die Dänen sind zwar auf der einen Seite routiniert, versprühen aber auf der anderen Seite immer noch eine Spielfreude, die sich eben auch aufs Publikum überträgt. Überraschend ist jedoch, dass die PRETTY MAIDS schon sehr früh die Bühne verlassen. Doch sie kommen ja wieder, um die nahe am Kitsch vorbeischlitternde Ballade 'Little Drops Of Heaven' sowie die beiden Band-Klassiker 'Future World' und 'Red, Hot And Heavy' zu spielen. Damit endet der großartige Auftritt des Quintetts endgültig, und es bleibt festzustellen: Der heutige Sieg in der Klasse 'Future World' geht ganz klar nach Dänemark.
Setlist: Pandemonium; I.N.V.U.; Rodeo; It Comes At Night; Walk Away; Back To Back; Sin-Decade; Please Don't Leave Me; Love Games; Future World; Little Drops Of Heaven; Red, Hot And Heavy
[Martin Schaich]
Mit zwei Festivaltagen in den Knochen und nach einem insgesamt doch sehr sonnigen Tag nicht mehr ganz taufrisch, habe ich mir doch tatsächlich kurz überlegt, ob ich mir heute SLAYER wirklich komplett anschauen soll. Auf der letzten Hallentour fand ich den Auftritt in München doch ein wenig durchwachsen und so war die Vorfreude eher gedämpft. Zumal ja Jeff Hannemann auch heute noch wegen seiner gesundheitlichen Probleme in Folge eines Spinnenbisses fehlt und wieder einmal durch EXODUS-Kapitän Gary Holt vertreten wird. Doch bereits als dann die ersten Klänge des Openers 'World Painted Blood' erklingen, bin ich wie gebannt. Wo kurz zuvor der Sound bei HELLOWEEN im dröhnenden Doublebass-Gewummer zu ersticken drohte, da ist der Soundmann für SLAYER wie ausgewechselt. Gut, vielleicht wurde ja wirklich gewechselt, ich weiß es nicht, jedenfalls zeigt sich ein Klangbild, das keinerlei wünsche offen lässt. Der Sound ist messerscharf, schneidend, transparent, wuchtig und gnadenlos laut, ohne darunter zu leiden: Kurz, er ist wie für SLAYER geschaffen. Gary Holt spielt seine Rolle blendend und die Klangwand aus den unnachahmlich fiesen SLAYER-Riffs, die er und Kerry King auf die Meute vor der Bühne los lassen, ist beeindruckend. Eben genau diese Wand, gegen die man sich zu laufen wünscht, wenn man auf ein SLAYER-Konzert geht. Auch Tom Araya scheint seine gesundheitlichen Probleme mit Rücken und Stimme wieder besser im Griff zu haben, denn was der Mann ins Mikro brüllt, das habe ich von ihm in den letzten sechzehn Jahren nicht besser gehört. Brüllen und Screamen, beides ist vom Feinsten und so unnachahmlich fies, wie es eben nur er kann. Über Schießbudenkönig Dave Lombardo muss ich euch nicht viel erzählen, und so können wir uns langsam aber sicher der spannendsten Element widmen, nämlich der Setlist. Nach dem Einstieg mit den beiden aktuellen Stücken (nach dem Opener erklingt 'Hate Worldwide'), macht die Band aus Los Angeles nun wirklich gar keine Gefangenen mehr und meine Kinnlade klappt mit jedem neu erschallenden ersten Riff des jeweiligen Stückes weiter nach unten. Klar, wenn an Stelle drei und vier 'War Ensemble' und 'Postmortem' erklingen, dann ist das natürlich grandios, aber noch nicht überraschend. Wenn es dann aber direkt mit 'Silent Scream' und 'Spirit In Black' weiter geht, dann scheint mir ein neuer Schwerpunkt gefunden. Wo zuletzt oft viel von einerseits "Reign In Blood" und andererseits neueren Werken erklang, da haben die Thrashkönige einen neuen Schwerpunkt in den ganz großen Hymnen der späten Achtziger und frühen Neunziger gesetzt und geben insgesamt ganze sechs Stücke von meinem persönlichen SLAYER-Lieblingsalbum "Seasons In The Abyss" zum Besten: Es geht nämlich nahtlos weiter mit 'Skeletons Of Society', 'Dead Skin Mask' und 'Hallowed Point', bevor eine unfassbar grimmige Version von 'The Antichrist' uns in ganz alte Zeiten entführt. Leute, wir sind erst bei der Halbzeit des Gigs und haben schon mehr Klassiker gehört, als ich mir insgesamt erhofft hatte. Doch es geht Schlag auf Schlag weiter. Kurze Pausen, kaum Ansagen, einfach nur Härte und Macht. Mit 'Mandatory Suicide' geht es wieder zum zweiten großen Schwerpunkt des Sets: "South Of Heaven", bevor die Bühne in giftgrünem Licht versinkt, durch das gelbe Suchscheinwerfer flackern. Es ist klar, was folgt: 'Chemical Warfare' und kein Halten mehr. Weiter im Aggressionsrausch geht es mit 'Ghost Of War' und der Überhymne 'Seasons In The Abyss', bevor sich die Band ganz kurz daran erinnert, dass es auch zwischen 1991 und 2010 SLAYER-Alben gab: Dabei ist 'Snuff' ob seiner schnörkellosen Härte und kurzen, kompromisslosen Urgewalt eine gute Wahl. Dann ist jedoch gleich wieder feinste Epik der slayer'schen Art angesagt, und das Publikum wird mit 'South Of Heaven' in den Wahnsinn und darüber hinaus getrieben. Danach hören wir den Regen plätschern. Doch es ist nicht der für die Nacht angekündigte Regen, der etwas verfrüht einsetzt, sondern natürlich der Blutregen von der Bühne. Mit 'Raining Blood' endet wohl das reguläre Set, doch das weiß man nicht so genau, weil sich die Band nicht zurück auf die Bühne betteln lässt, sondern einfach gleich weiter macht. 'Black Magic' beschert den Altfans noch einmal eine meterdicke Gänsehaut, bevor der Abend obligatorisch mit dem frenetisch abgefeierten 'Angel Of Death' endet. Das sitzt! Während die Band sich wie immer freundlich und entspannt von den Fans verabschiedet und Plektren verteilt, während sich Tom Araya völlig verwandelt ruhig und artig beim Publikum bedankt, heißt es noch einmal tief durchatmen und in sich gehen. Habe ich SLAYER schon einmal so gut gesehen? Nein, ich glaube nicht. Der letzte Headliner-Gig in Balingen war schon sehr gut, aber dieses Mal war wirklich alles perfekt.
Setlist: World Painted Blood, Hate Worldwide, War Ensemble, Postmortem, Silent Scream, Spirit In Black, Skeletons Of Society, Dead Skin Mask, Hallowed Point, The Antichrist, Mandatory Suicide, Chemical Warfare, Ghost Of War, Seasons In The Abyss, Snuff, South Of Heaven, Raining Blood, Black Magic, Angel Of Death
[Rüdiger Stehle]
Kaum sind die Herren SLAYER von der Bühne verschwunden, erscheint Veranstalter Horst Franz auf derselben. Mit nachdenklicher Stimme bedankt er sich bei den etwa 15.000 Fans für ihr Erscheinen und die wirklich tolle Stimmung, lässt uns jedoch auch wissen, dass es am Vorabend leider zu einem tragischen Unfall gekommen war, welcher ihn fast dazu gebracht hätte, den Samstag abzusagen. Er bittet die Fans vorsichtig und vor allem unalkoholisiert nach Hause zu fahren, möchte das Festival jedoch anschließend doch mit einem Feuerwerk beenden, das wie gewohnt groß und wunderschön ist. Die Frage, ob wir uns noch die Aftershow-Party mit LORDI in der Halle anschauen sollen, wird durch die Macht des Faktischen vorweg genommen. Wenn 15.000 Meschen auf dem Gelände sind und die Halle für die Party danach nur ein Fünftel davon fasst, dann ist für diejenigen kein Platz mehr, welche sich SLAYER komplett angeschaut haben. Wir sind jedoch nicht böse deswegen, denn nach diesem Machtwort SLAYERs und nach diesem Feuerwerk, da muss keine Band mehr aufspielen, um uns mit dem erfüllten Gefühl eines tollen zurückliegenden Festivals auf den Heimweg entlang von Alb und Donau zu entlassen. Kollege Martin Schaich hat sich jedoch frühzeitig in die Halle begeben und wird euch noch vom Auftritt der finnischen Maskenträger berichten:
[Rüdiger Stehle]
Nach dem fulminanten Auftritt von SLAYER auf der Hauptbühne ist das diesjährige Bang Your Head Festival zumindest draußen beendet - zum Abschluss gibt es wie jedes Jahr auch diesmal wieder ein schönes Feuerwerk. In der Eventhalle gibt dann aber noch einen musikalischen Nachschlag - gereicht von den Monster-Rockern von LORDI. Da die Halle aber nur ca. 3.000 Leute fasst, kommen nicht mehr alle Festivalbesucher in den Genuss dieses Konzerts. Da müssen sich die Organisatoren schon etwas einfallen lassen, wie sie damit in Zukunft umgehen wollen. Denn es sollte schon jeder, der eine Band, für die er bezahlt hat, sehen will, auch sehen können!
Wie auch immer: Ich habe mir den Schluss von SLAYER gespart, um es noch in die Halle zu schaffen, und somit kann ich auch berichten, dass die Finnen genau das geboten haben, was man von ihnen erwartet. Im Vordergrund steht bei LORDI nämlich nicht nur die Musik, sondern viel Show, mit theatralischen Einlagen und natürlich jeder Menge pyro-technischer Effekte. Bei den Fans kommt die Band jedenfalls sehr gut an, und so werden die Songs mehr oder weniger lautstark mitgrölt. Zumindest in den vorderen Reihen, denn weiter hinten lichten sich die Reihen im Laufe des Konzerts immer mehr. Eigentlich schade, denn ihre besten Songs heben sich die Finnen bis zum Schluss auf. Vorneweg gibt es einen ganz schönen Querschnitt über die bislang fünf Studioalben, und so werden etwa 'Babez For Breakfast', 'Bite It Like A Bulldog', 'Who's Your Daddy?', 'Blood Red Sandman' und 'Dynamite Tonite' gespielt. Aber mit 'Bringing Back The Balls To Rock' nimmt der LORDI-Gig dann so richtig Fahrt auf, und mit 'This Is Heavy Metal' können die Finnen sowieso auf der ganzen Linie punkten, ebenso wie mit 'Devil Is A Loser'. Damit beendet die Band auch den regulären Teil des Sets, denn jedem ist natürlich klar, dass es noch die eine oder andere Zugabe geben muss und geben wird. Neben 'Biomechanic Man' (und einem etwas überflüssigen Keyboard-Solo) gibt es nun natürlich noch den Eurovision-Song-Contest-Sieger-Titel 'Hard Rock Halleluja' und den Ohrwurm par excellence 'Would You Love A Monsterman?' zu hören, und dann ist nach kann anderthalb Stunden auch endgültig Schluss - mit LORDI, und auch mit dem diesjährigen Bang Your Head Festival.
Setlist: Babez For Breakfast; Dynamite Tonite; Bite It Like A Bulldog; Nonstop Nite; Rock Police; It Snows In Hell; Who's Your Daddy?; Not The Nicest Guy; Granny's Gone Crazy; Blood Red Sandman; Bringing Back The Balls To Rock; This Is Heavy Metal; Devil Is A Loser; Biomechanic Man; Hard Rock Hallelujah; Would You Love A Monsterman?
[Martin Schaich]
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle