Bang Your Head!!! 2008 - Balingen

24.07.2008 | 11:55

27.06.2008, Messegelände

AGE OF EVIL
Schon letztes Jahr stellten die Minderjährigen von AGE OF EVIL ihr Können unter Beweis, damals jedoch nur bei der Clubshow sowie einer unangekündigten Show auf der Bühne. Diesmal dürfen sie ihre Qualität als angekündigte Band am frühen Samstagmorgen unter Beweis stellen und wissen auch, wie man mit den wenigen, noch recht verschlafenen Gestalten vor der Bühne umgeht. Mit überraschend gutem Songmaterial nämlich. Einige der Anwesenden erweisen sich sogar als Besitzer eines Silberlings der Band und unterstützen die Jungs aus Amerika aus vollen Kehlen. Gratis in die Menge geworfene CDs unterstützen die Begeisterung des Publikums noch zusätzlich. Sollte man sich für einen Kritikpunkt entscheiden müssen, so wäre es wohl die übertriebene Solo-Inszenierung von Jungspund Jordan Ziff, der sein Instrument zwar ohne Zweifel beherrscht, sich jedoch für jedes Solo an den vorderen Rand der Bühne begibt und mit seinem Gepose den später - auftretenden Yngwie Malmsteen fast in den Schatten stellt (von der Aufdringlichkeit natürlich, nicht von der Qualität).
[Lars Strutz]

SECRECY
Nostalgie pur. Vor knapp fünfzehn Jahren haben sich die Bremer SECRECY aufgelöst, und mir wurde damals die Ehre zuteil, einen ihrer letzten Gigs bewundern zu dürfen. Jetzt stehen die Herrschaften erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne und haben am Samstagmorgen die schwere Aufgabe, die noch etwas schlappe Meute für ihren progressiven Metal gewinnen zu müssen. Das will zunächst nicht recht klappen. Vielleicht auch, weil die Band doch äußerst nervös scheint und sich dadurch einige spielerische Ungenauigkeiten einschleichen. Weiterhin haben sie mit einigen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihren progressiven Sound noch deutlich konfuser und holpriger wirken lassen. Dabei kommen die Jungs eigentlich recht sympathisch daher, und vor allem Gitarrist Manny Meccyca und Bassist Steve Kerby glänzen durch einen erheblichen Aktionsradius. Trotzdem wollen die Songs nicht richtig zünden. Sänger Peter Dartin, der gelegentlich auch zur dritten Gitarre greift, hat eine sehr charismatische Stimme, bei der man immer irgendwie das Gefühl hat, er würde tonal knapp daneben liegen. Das ist natürlich nicht unbedingt der Fall, und doch fehlen den Songs ihrer beiden Scheiben "Art In Motion" und "Raging Romance", aus denen sie mit unter anderem 'Observer From Above', 'Final Words', 'Ideology' oder 'Trisomie XXI' einen ordentlichen Querschnitt präsentieren, einfach die ganz großen Melodien oder atemberaubenden Zweistimmigkeiten. Das schlägt sich auch auf das Publikum nieder, das dem Geschehen zwar recht interessiert folgt, aber insgesamt nicht in ekstatische Jubelstürme ausbricht. Es ist wirklich schön, die Bremer noch einmal auf der Bühne gesehen zu haben, aber das Material hat zumindest hier und heute den Test der Zeit nicht ganz bestanden.
[Chris Staubach]

BREAKER
Manche Leute meinen ja, dass BREAKER nur wirklich gut sind, wenn hinter dem Mikro Jim Hamar steht, was ich ja ein Stück weit verstehen kann, aber selbst zum Glück nicht ganz so dramatisch sehe. Zum einen kann ja keiner was dafür, dass der gute Jim derzeit nicht für die Kapelle aus Cleveland singen kann, weil er sich einer dringenden Operation an den Stimmbändern unterziehen musste, und zum anderen ist sein Stellvertreter Greg Wagner ein sehr sympathischer und agiler Frontmann und alles andere als ein schlechter Sänger. Der gute Greg lässt jedenfalls nichts anbrennen und bringt alte wie neue Songs blitzsauber und rock-'n'-röhrig unter das Bangervolk. Gerade wenn man bedenkt, dass er nur wenig Zeit hatte, das Material einzuproben, eine besonders bemerkenswerte Leistung. Dafür, dass die Band mit ganzen drei Gitarristen anrückt, ist der Gitarrensound zwar ein bisschen mager, doch die Band - allen voran Weirdo Don Depew am fliegenden Vau - hat mächtig Spaß in den Backen und eine nette Mischung aus alten Hits und sehr brauchbaren neuen Rockern am Start, so dass sich die Ohio-Fraktion trotz leichter Tightness-Defizite keine Blöße gibt und gerne zum HOA und WOA wieder nach Germanien kommen darf. Besonderes Lob gebührt der Band übrigens dafür, dass sie ihre Scheiben für extrem fanfreundliche sechs Euro am Merchandise-Stand unter die Leute bringt und kiloweise Gratis-T-Shirts in Publikum feuert.
[Rüdiger Stehle]

ONSLAUGHT
Nach der von meiner Warte aus rundum gutklassigen BREAKER-Performance (Shouter Greg Wagner rockt! Lediglich die Gitarren hätten massiver brezeln müssen bei drei Sechssaitern) geht es bei ONSLAUGHT etwas ruppiger zu. Bereits zum vierten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren kann ich die Band nun live bewundern, und ich muss sagen, dass ONSLAUGHT von Mal zu Mal massiver ins Mett hauen. Die Sonne prasselt um die Mittagszeit herum ziemlich unbarmherzig, während ein bestens aufgelegter Frontmann namens Sy Keeler die Massen in Bewegung zu setzen versucht. Dies gelingt im Gegensatz zur Vorgängerband ganz gut. Leider fällt bei 'Angel Of Death' und auch bei 'Destroyer Of Worlds' die Andy Rosser-Davies' Gitarre fast komplett aus, und auch der Gitarrentechniker, der zu helfen versucht, wirkt überfordert. Mit kultigen Mitbrüllnummern wie 'Metal Forces' können ONSLAUGHT beim Publikum durchaus punkten. Auch aktuelle Stücke wie 'Burn' kommen nicht schlechter an. Andy Rosser-Davies (der Alan Jordan vor etwa einem Jahr ersetzte) wirkt im Gegensatz zum Auftritt beim Thrash Assault II-Festival wesentlich besser eingespielt und steht heuer seinem Vorgänger spielerisch keineswegs nach. Ansonsten ist noch Grimassenschneider Nige Rocket zu erwähnen, der wie gewohnt die unmöglichsten Gesichtsverrenkungen macht - ganz großes Kino. Unter dem Strich legen ONSLAUGHT auf dem Bang Your Head!!! eine kraftvolle Vorstellung hin, die keinerlei Zweifel nährt, dass die Wiedervereinigung überflüssig gewesen sein könnte. Ich bin gespannt auf das kommende Studiowerk.
[Martin Loga]

LIZZY BORDEN
Die Band um Sänger, Namensgeber und Bandgründer Lizzy ist ja nicht immer ganz unumstritten. Bei aller Klasse der alten Scheiben, fanden die letzten zwei Studioalben eher weniger überzeugte Anhänger, und auch live präsentierte sich die Band nicht immer in der allerbesten Form. So lässt auch die heutige Setlist zunächst mal befürchten, dass sich die Truppe aus Los Angeles bei den alten Fans in die Nesseln setzen könnte, steigt sie doch gleich mit einem Doppeldecker vom neuen Album in den Gig ein, dem später mit 'Tomorrow Never Comes' ein weiterer neuer Song folgen wird. Ansonsten wird jedes frühere Album mit je einem weiteren Song bedacht, wobei die Highlights für mich 'Rod Of Iron', 'Red Rum' und das geniale 'There Will Be Blood Tonight' vom Vorgängeralbum "Deal With The Devil" sind. Ausgeschmückt wird der Auftritt mit einer tollen Liveshow, welche selbstverfreilich alle Klischees der "Murderess Metal Show" verbrät und die, nun ja, "Lady" mit dem Hackebeilchen in allerlei Kostümierungen, Masken und blutigen Aktionen präsentiert. Außerdem präsentiert sich auch die Backing-Band mit Trommler Joey Scott Harges, Basser Marten Anderson (der gar Pippi Langstrumpf als Solo spielen darf) und der in Schminke und Kostüm sehr ungewohnt aussehende Gitarrenhexer Ira Black ziemlich tight und gut aufgelegt, so dass LIZZY BORDEN durchaus zum erweiterten Kreis der Festival-Highlights zu zählen ist. Schon jetzt.
[Rüdiger Stehle]

TANKARD
Die Frankfurter Suffköppe TANKARD stehen seit einem Vierteljahrhundert für kraftvollen, spaßigen Thrash Metal, den sie auch an diesem sonnigen Festivaltag auf dem Messegelände Balingen gewohnt kurzweilig präsentieren. Egal, ob die Äppelwoi- und Biervernichter alte Schoten wie das starke 'Zombie Attack' aus dem Keller zerren oder neueres Material wie 'Die With A Beer In Your Hand' zocken: Die Chose funktioniert live einfach ziemlich gut. Bei 'Freibier für alle' (wenn ich mich nicht täusche) zerrt Frontkoloss Gerre einen Fan unter sein T-Shirt, der dort im Schwitzkasten den heiligen Buttersäure-Geruch des Bierhumpen-Meisters inhalieren muss. Unlecker? War aber so! TANKARD haben auf dem BYH 2008 keine Überraschungen parat, sorgen aber prinzipiell für gute Laune.
[Martin Loga]

OBITUARY
Alle bei OBI? Mitnichten, denn bei TANKARD war vor der Bühne mehr los. Dieser Umstand könnte auch damit zusammenhängen, dass OBI vor HARDCORE SUPERSTAR auf die Bühne gehen. Könnte natürlich sein, dass einige Fans diese Programmänderung zu spät mitbekommen haben. HARDCORE SUPERSTAR sollten übrigens überhaupt nicht auftauchen, um schon mal den Brückenschlag zur nächsten Band zu bilden.

Doch zuerst stehen OBITUARY auf dem Plan, die mit dem "Cause Of Death"-Klassiker 'Find The Arise' einen amtlichen Einstand hinlegen. Im Gegensatz zu den anderen Bands ist vom Bandnamen im Hintergrund keine Spur; einzig das "Xecutioner's Return"-Cover ist als Backdrop zu sehen. Mittlerweile sehe ich OBITUARY zum dritten Mal, aber so richtig in die Puschen kommen die Jungs heute nicht. Könnte sein, dass dies am Tageslicht liegt und John Tardy noch weniger mit dem Publikum kommuniziert als sonst. Des Weiteren fällt auf, dass Tieftöner Frank Watkins nicht mit dabei ist, was im Winter während der "Xecutioner's Return"-Tour noch der Fall war. Ralph Santolla auf der anderen Seite hat sich sehr gut ins Bandgefüge integriert und lässt Allen West immer mehr vergessen.

Neben Klassikern von den ersten beiden Alben kommen auch wieder Tracks vom 2005er "Frozen In Time"-Silberling zum Zug. Ohne Frage, der Sound der Truppe ist einzigartig und unwiderstehlich, doch nicht nur für meinen Geschmack tummeln sich die Jungs zu lange auf der Bühne. Und ich kann's immer wieder betonen: Es bleibt unverständlich, warum keine Tracks der Klassiker "The End Complete" und "World Demise" Einzug in die Setlist halten. Nichtsdestotrotz gehen die Fans den meteorologischen Bedingungen zum Trotz ordentlich mit, aber leider zieht sich der Auftritt für meinen Geschmack zu lange hin. Nach dem obligatorischen 'Slowly We Rot' verlassen die Jungs die Bühne.

Fazit: ordentlicher, aber auch etwas zu langatmiger Auftritt. Manchmal ist weniger mehr.
[Tolga Karabagli]

LIZZY BORDEN
Nachdem klar ist, dass HARDCORE SUPERSTAR nicht mehr in Balingen aufschlagen werden, stürmen LIZZY BORDEN erneut die Bühne. Da ich den Auftritt der Truppe wenige Stunden vorher nicht gesehen habe, wird mir nun die Ehre zuteil, mich von den Qualitäten der Band zu überzeugen. Dabei wird aufgrund des Outfits klar, dass LORDI ordentlich in der BORDEN-Schatulle gewühlt haben. Auch wenn LIZZY BORDEN nur mit Make-up und komischen Frisuren glänzen können, ist die optische Verwandtschaft zu den Finnen zu erkennen.

Musikalisch wird klassischer Achtziger-Metal fabriziert, der dezent Erinnerungen an QUIET RIOT weckt. Und bei dem ganzen Brimborium darf auch eine Metalbraut nicht fehlen, die von dem Sänger erst obenrum entkleidet wird und nach einem ordentlichen Biss in den Hals mit Kunstblut besudelt zu seinen Füßen liegt. Mit einem Plastikbeil in der Hand scheucht er zwei Bühnenarbeiter weg, die den "leblosen" Frauenkörper abtransportieren wollen. Beim zweiten Mal sind die Jungs schlussendlich erfolgreich.

Zum Abschluss werden der RAINBOW-Klassiker 'Long Live Rock'n'Roll' und die STEPPENWOLF-Hymne 'Born To Be Wild' zusammen mit den Jungs von AGE OF EVIL runtergerotzt. Der Auftritt ist musikalisch gesehen nicht gerade das Gelbe vom Ei, lässt aber vor und auf der Bühne Kurzweil aufkommen.
[Tolga Karabagli]

GRAVE DIGGER
Bei GRAVE DIGGER fällt von Anfang an schon die enorme Hitze auf, die auf die Matten der Anwesenden herniedersticht. Ob das der Grund ist, dass sich Bandskelett H.P. Katzenburg diesmal nur mit schwarzem Gesicht und Sonnenbrille zufrieden gibt? Egal, heute steht eine von Fans ausgewählte Setlist auf dem Programm, und die muss durchgezockt werden. Neben den üblichen Verdächtigen 'Knights Of The Cross', 'Excalibur', 'Rebellion' und 'Heavy Metal Breakdown' kann man sich heute noch an 'Grave Digger' und 'The Last Supper' erfreuen. Vielleicht nicht wirklich überraschend, aber gelungen allemal. Vor allem Chris Boltendahl hat sichtlich Spaß und lässt es sich auch nicht nehmen, diesen sehr, sehr häufig mit dem Publikum zu teilen, wodurch die ständigen Anfeuerungsrufe, Mitmachspielchen und Kreischchöre vielleicht etwas nervig werden. Die anwesenden Headbanger stört es jedenfalls nicht, und sie lassen sich auch brav zum vierzigsten "Ohohohoo" auffordern, was aufgrund der erwähnten Hitze durchaus eine Leistung ist. Auch gegen Ende hin bleibt die Stimmung auf dem Höhepunkt, und ein Konzert mit viel Gesang und Geklatsche kann ja auch nicht schlecht sein.
[Lars Strutz]

YNGWIE MALMSTEEN
Wie vor einigen Jahren in der Frankfurter Batschkapp geschehen, lässt der schwedische Flitzefinger auch diesmal auf sich warten. Gespannt durfte man sein, wie sich Tim "Ripper" Owens in das eigenwillige Bandgefüge von Mr. Malmsteen integriert und wie er allen voran die Klassiker intoniert.

Gegen 18.52 Uhr kommen erst die Bandmates auf die Bühne, bevor der Meister seinen Auftritt mit Gefiedel ankündigt. Gleich der Opener 'Rising Force' lässt jegliche Zweifler verstummen, denn der Ripper passt stimmlich zu YNGWIE MALMSTEEN wie der berühmt-berüchtigte Arsch auf den Eimer. Das wird vor allem bei 'Never Die' deutlich, bei dem er stimmlich verdammt nahe an Michael Vescera rankommt, welcher den Track ursprünglich für den '94er "The Seventh Sign"-Silberling eingesungen hat. Ansonsten ist Yngwie der größte Gitarrenposer auf dem Planeten. Egal, ob er die Axt um den eigenen Körper herumwirbelt, in die Luft wirft oder mit den Zähnen und hinter dem Rücken spielt: Er hat's showtechnisch einfach drauf!

Natürlich dürfen auch die Instrumentals nicht fehlen. Aber erfreulich ist die Tatsache, dass die Setlist ausschließlich mit Klassikern gespickt ist. Sei es 'I Am A Viking', 'You Don't Remember, I'll Never Forget', 'I'll Seet The Light, Tonight' - songtechnisch können Freunde des Maestros nicht meckern. Bei den Instrumentals werden der Menge 'Far Beyond The Sun' und 'Icarus' Dream Suite' vom Debüt "Rising Force" kredenzt. Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass nach noch nicht einmal vierzig Minuten Schicht ist.

Mal schauen, wie lange es der Ripper in den Saiten des Mr. Malmsteen aushält. Die Kombination ist auf jeden Fall vielversprechend, und falls noch ein Studioalbum ansteht, so dürfte es bestimmt gut werden - sofern sich Yngwie ins Songwriting reinreden lässt. Doch das ist ein anderes Thema.
[Tolga Karabagli]

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass sogar Die-hard-Fans während des Gigs genervt von dem unnötigen Gewichse das Weite suchen. Ja, die echten Songs waren durch die Bank gut, doch leider gab es davon viel zu wenige und stattdessen eine peinliche Selbstinszenierung eines Egomanen.
[Peter Kubaschk]

Nur noch ein paar kurze Randnotizen von mir: Die Band hat nach Aussagen von Tim "Ripper" Owens nicht bemerkt und gewusst, dass sie zumindest zwanzig Minuten zu früh die Bühne verlassen hat. Dabei hätten die Jungs sogar noch mehr Songs im Gepäck gehabt (lag also nicht daran, dass Ripper eventuell nicht mehr Songs eingeprobt hatte), und auch an einer eventuell schlechten Laune des Meisters soll es nicht gelegen haben. Weiterhin ist eine neue Scheibe bereits komplett fertig und wird wohl Ende des Sommers erscheinen. Von einem Die-hard-Fan wie mir zum Auftritt: Die Songauswahl war gut, Ripper hatte nur beim Opener 'Rising Force' etwas Probleme ('Never Die' war phänomenal), Yngwie hat zu viel gedudelt (noch mehr als erwartet), und der schlechte Gesamtsound (wo waren die Keyboards, die bei Malmsteen, der eh die ganze Zeit Soli spielt, sehr wichtig sind?) hat sein Übriges zu einer durchwachsenen Show beigetragen.
[Chris Staubach]

SAXON
Nachdem Yngwie "Ich spiele 450 Töne pro Minute" Malmsteen so ziemlich jeden Festivalbesucher regelrecht zu Tode und wieder lebendig gegniedelt hat, ist es an der Zeit, eine Band zu feiern, welche die Fanscharen weit weniger bis gar nicht polarisiert: SAXON! Biff Byford und seine agile Mannschaft haben das BYH-Festival bereits etliche Male beehrt und sind außerdem ein Garant für starke Auftritte. Heute Abend werden die Sachsen euphorisch empfangen, und mit dem langen 'Attila The Hun' als Opener folgt schon die erste (aber auch einzige) Überraschung im Set. Ob diese recht lange Nummer am Anfang des Auftritts platziert von den Fans gut aufgenommen wird? Sie wird es.

Dem silberhaarigen SAXON-Frontmann Biff scheint es warm geworden zu sein, und er legt sein schickes Halstüchlein ab, um es an der Gürtelschlaufe seiner Jeans zu befestigen. Im Set reiht sich Hit an Hit, und mit Klassikern vom Schlage 'Motorcycle Man', 'To Hell And Back Again' und der epischen Hymne 'Crusader' haben SAXON erwartungsgemäß leichtes Spiel. Die Band greift abgesehen vom wuchtigen 'Let Me Feel Your Power' und dem erwähnten 'Attila The Hun' ohnehin nur auf die ganz großen Klassiker aus der Zeit von 1984 und davor zurück. Kann man das einer Band wie SAXON verübeln? Definitiv nicht.

Die Banger feiern die NWoBHM-Recken ab - völlig zu Recht aus meiner Sicht. Biff ist ausgezeichnet bei Stimme und spielerisch kracht es hier und heute auch gewaltig. In Sachen Bewegungsfreude und Stageacting tritt einmal mehr der etwas jüngere Nibbs Carter hervor, der emsig über die Bühne wuselt. Die Ankündigung, dass im Oktober 2008 eine neue Single und voraussichtlich am 07.01.09 ein neues SAXON-Studiowerk in den Plattenläden platziert werden wird, wird mit Jubeln quittiert. 'Wheels Of Steel' wird allerdings dank des Mitsingspiels wieder etwas arg ausgewalzt, was in der Konsequenz mindestens Spielzeit für ein weiteres Stück kostet. Besonders 'Princess Of The Night' wird lautstark von tausenden Fans mitgesungen, ehe Biff ein "Where's fuckin' Yngwie?" in die Runde wirft. Der Saitenhexer marschiert flugs auf die Bühne, und SAXON zocken mit Malmsteen an der dritten Klampfe das grandiose 'Denim & Leather'. Und siehe da: Es funktioniert prächtig. Der Schwede spielt songdienlich und hält sich mit exzessivem Gefiedel zurück. Gut so, möchte ich sagen. Der Klassiker 'And The Bands Played On' als Zugabe markiert das Ende eines sehr starken SAXON-Auftritts, der wieder einmal verdeutlicht: Diese Band ist nicht wirklich in die Jahre gekommen, denn sie ist live so mitreißend wie eh und je. Fazit: klasse!
[Martin Loga]

Setlist SAXON:
- Attila The Hun
- Motorcycle Man
- Let Me Feel Your Power
- To Hell And Back Again
- Strong Arm Of The Law
- 20.000 Feet
- Crusader
- Wheels Of Steel
- Princess Of The Night
- Denim & Leather (feat. Yngwie Malmsteen)
- And The Bands Played On

JUDAS PRIEST
Über Herrn Halford und die Priester könnten wir nun stundenlang reden und philosophieren. Ist die neue Scheibe des Bandnamens würdig? Bringt es der Halford noch? Steigt bei der aktuellen Tour der Phönix aus der Asche, oder ist es der Abgesang auf eine der größten Metalbands aller Zeiten? Ich habe vor und nach dem Bang Your Head!!! mit vielen Leuten über diese Themen geredet und die Meinungen sind sehr vielfältig, was mich zu dem Schluss bringt, dass wir jedenfalls nichts dramatisieren müssen und das Totengeläut noch eine Weile stumm bleiben darf.

Doch deutliche Kritik ist angesagt, und ich will sicherlich nichts schön reden: Die Band präsentiert sich in Balingen nicht von ihrer besten Seite und meines Erachtens auch ein gutes Stück schwächer als auf der letzten großen Hallentournee zu "Angel Of Retribution". So etwas wie merkliche Spielfreude kommt nur selten auf, alles wirkt etwas hüftsteif und steril. Das Mitsingspiel zu Beginn der letzten Zugabe derart lieblos und überflüssig, dass man nur den Kopf darüber schütteln kann. Tipton und Downing wirken etwas müde und wenig euphorisch, und selbst Band-Jungspund Scott Travis hat schon viel spannender, aggressiver und variantenreicher getrommelt.

Auch Sangesmeister Rob Halford sollte sich langsam, aber sicher mal überlegen, ob sein Stageacting der Marke "ich bewege mich in Zeitlupe hinkend über die Bühne und singe zu neunzig Prozent den Boden an" wirklich das gelungenste Stilmittel ist, das er in punkto Auftreten je an den Tag gelegt hat. Im Gegensatz zu vielen Kritikern glaube ich nämlich wirklich nicht, dass er altersbedingt nichts anderes mehr zeigen kann, sondern dass er das sonderbare Auftreten komischerweise gut findet. Gesanglich ist er - wie gehabt - in mittleren und tiefen Tonlagen absolut überragend und sehr gefühlvoll, was sich gerade bei Titeln wie 'Angel', 'Eat Me Alive', 'Death' oder 'Rock Hard, Ride Free' eindrucksvoll manifestiert. Auf der anderen Seite wird wirklich auf erschreckende Weise deutlich, dass er im Bereich des aggressiven und hohen Screamings sehr angestrengt und durchaus überfordert wirkt. So toll und essentiell Songs wie 'Painkiller' und 'Sinner' auch sind: Wenn sie so nicht mehr gehen, wie sie auf Platte klangen, dann muss die Band sie entweder aus dem Programm nehmen, oder Rob muss sich entschärfte, modulierte und doch passende Gesangslinien für die Stücke einfallen lassen. Sollte für Musiker dieses Kalibers eigentlich kein Hexenwerk sein. So, wie die beiden Stücke heute dargeboten werden, ist das leider Gottes nichts. Auch fällt auf, dass Rob die Passage "You don't know, what it's like" bei 'Breaking The Law' komplett weglässt.

Auf der Habenseite kann dagegen verbucht werden, dass die Setlist schön abwechslungsreich gestaltet ist, sich deutlich von der letzten Tour unterscheidet und mit 'Eat Me Alive', 'Between The Hammer And The Anvil', 'Devil's Child', 'Dissident Aggressor' und 'Rock Hard, Ride Free' auch einige selten bis nie gespielte Überraschungen enthält.

So bleibt ein bei aller Liebe recht zwiespältiger Eindruck, der neben einigem Licht leider auch sehr viel Schatten erkennen lässt. Ich hatte dennoch Spaß an der Show und bin weit davon entfernt, einen Nachruf zu schreiben. Doch müssen sich die Herren aus Birmingham dringend was einfallen lassen, um den Status noch eine Weile halten zu können, den sie seit Rob Halfords Rückkehr wiedererlangt haben. Wenn es so weitergeht, dann steht der Abstieg in die zweite Live-Liga unmittelbar bevor.
[Rüdiger Stehle]

Auf den Auftritt von JUDAS PRIEST habe ich mich mit Abstand am meisten gefreut, spülten doch die im WWW zu lesenden Setlists der laufenden Tour Perlen wie das steinalte, aber verdammt wuchtige 'Dissident Aggressor', 'Devil's Child' oder auch das leicht thrashige 'Eat Me Alive' an den Tag. Auf der anderen Seite lässt die Band in Balingen einen Jahrhundertklassiker wie 'Victim Of Changes' oder auch das geniale 'Beyond The Realms Of Death' weg - das geht mal gar nicht! Auch 'The Ripper' und 'Living After Midnight' habe ich vermisst. 'Eat Me Alive', das wirklich eine Überraschung im Set darstellt, bringt mich und die übrigen Anwesenden hingegen ordentlich in Wallung. Bei den neuen Stücken ist besonders das BLACK SABBATH-artige, düstere 'Death' erwähnenswert, bei dem Rob Halford auf einem Thron unterhalb des Schlagzeugs von Scott Travis in bedrohliches rotes Licht getaucht nach vorne fährt. Warum der "Metal God" allerdings die ganze Zeit stoisch an seinem Platz klebt, erscheint schleierhaft. Gesanglich war gerade dieses Stück richtig gut - obgleich es das Tempo im Ablauf des Sets deutlich herausnahm.

Leider kann auch ich als JUDAS PRIEST-Die-hard-Fan dieses Fazit nur bei einigen der Stücke ziehen, denn Rob Halford singt heute Abend tendenziell auf Sparflamme. Nur sehr wenige Screams sind zu hören, und oft tritt anstelle der hohen, charakteristischen Kopfstimme des Oberpriesters ein belangloses Brüllen, das von einem penetranten Hall und weiteren Effekten begleitet wird. Bäh! Obgleich ich seine Stimme sehr mag: Ich musste beim BYH-Auftritt unweigerlich an ein PRIEST-Konzert im Jahr 2002 in Filderstadt denken, bei dem Tim "Ripper" Owens derart ergreifend sang, dass ich ständig eine Gänsehaut hatte. Ripper Owens beherrscht die hohen Schreie aus dem Effeff, was man von Rob Halford eben nicht mehr sagen kann. Man darf sich nichts vormachen: Owens ist eindeutig (!) der bessere Sänger. Für mich persönlich fehlt heute Abend eben dieses wichtige Identifikationsmerkmal der Kopfstimme, das JUDAS PRIEST unter anderem ausmacht.

Glücklichweise ist wenigstens spielerisch alles bestens. Und hier pflichte ich meinem Kollegen Rüdiger nicht bei, denn gerade die Gitarrensoli von Tipton und Downing waren vom Feinsten und haben mir etliche Male eine Gänsehaut beschert. Keinerlei Spielfehler oder lahme Interpretation gab es zu verbuchen. Dass sich Glenn Tipton bewegungsmäßig zurückhält (ganz zu schweigen von dem wie gewohnt Wurzeln schlagenden Ian Hill) und K.K. Downing im Endeffekt oft agiler wirkt als Frontmann Rob Halford, ist (noch) verschmerzbar. Aber das Stageacting von Teleprompter-Junkie Rob Halford lässt doch deutlich zu wünschen übrig. Selbst Textpassagen, die er schon hunderte, wenn nicht sogar tausende Male in seinem Leben gesungen hat, liest er in tief gebückter Haltung permanent ab. Er wirkt von seinen Bewegungen her vielfach roboterartig und sehr schwerfällig. Blickkontakt? I wo! Wenn er das Publikum wie im Mitsingteil von 'You've Got Another Thing Comin' permanent ansieht, dann zeigt sich eine beeindruckende Bühnenpräsenz, und er kann ein Charisma nach außen kehren, wie es wenige Sänger der Metalszene besitzen. Das allein reicht allerdings nicht. Die Gesangsleistung ist heute ausgesprochen mittelprächtig, und in der Setlist fehlen mir die oben erwähnten großen Klassiker, auch wenn ich mich beim göttlichen Gitarrensolo von 'Rock Hard, Ride Free' oder bei 'Dissident Aggressor' Luftgitarre spielend in anderen Sphären wähne.

Trotz der erwähnten Kritikpunkte gefällt mir die Vorstellung von JUDAS PRIEST recht gut. Nicht, weil ich mich in die Kategorie der Alles-gut-Finder einreihe, sondern weil die heutige Performance trotz der Kritikpunkte objektiv betrachtet sicher nicht schlecht ist.
[Martin Loga]

Setlist JUDAS PRIEST:
- Dawn Of Creation
- Prophecy
- Metal Gods
- Eat Me Alive
- Between The Hammer And The Anvil
- Devil's Child
- Breaking The Law
- Hell Patrol
- Death
- Dissident Aggressor
- Angel
- The Hellion
- Electric Eye
- Rock Hard, Ride Free
- Sinner
- Painkiller

- Hell Bent For Leather
- The Green Manalishi

- You've Got Another Thing Coming

Redakteur:
Peter Kubaschk

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