Black Autumn Night - Weißbach

04.10.2004 | 03:24

25.09.2004, Bierzelt

Pfeffi, Brauner, Weißer oder Dooleys-Likör - die Hart-Alk-Entscheidung beim "Black Autumn Night"-Mini-Festival ist fast so grenzwertig wie das restliche Ambiente. "Black Autumn Night", das ist zuallererst mal die Location an sich. Ein großes Bierzelt, sanft beheizt von einem Mini-Öflein, zusätzlich mehrere Bierbänke und Tische, dazu eine Bar. Davor steht noch ein Imbissstand. Drinnen gibt es noch eine Bühne, dort ist eine recht fette PA aufgebaut. Drei Dixies runden das minimalistische Ambiente ab, sonst findet sich nichts. Nirgendwo. Weit und breit ein großes schwarzes Loch, auf den meisten Karten der Republik wird das Örtchen Weißbach nur mit Glück zu finden sein. Die nächste größere Stadt heißt Schmölln, die Stadt der tausend Einbahnstraßen. Dazu gibt es in der Nähe kleine Orte mit Namen wie Kummer oder Brandrübel. Provinz in ihrer tiefsten Form. Die dazu passenden Erscheinungen im Metalpublikum-Kontext dürfen selbstredend nicht fehlen: bodenlange schwarze Ledermäntel, Nietenhalsbänder über aufgeregt hüpfenden Adamsäpfeln und großzügig verschmierte schwarze Augenumrandungen. Evil! Angst! Gretha?

(Henri Kramer)

Weil rechtzeitiges Erscheinen nicht nur die besten Plätze sichert, verhallt noch nicht einmal der MISLEADING WAYS-Soundcheck ungehört. Das schnell rausgekramte und sekundenkleberfest sitzende Etikett "Crematory vom Dorf" werden die Schmöllner nicht mehr los, nachdem sich der Sänger eine halbe Stunde später des Lederblousons entledigt hat, und die blau-rote Bühnenbeleuchtung Dramatik zu erzeugen sucht. Die technischen Probleme zu Beginn - das Mikro funktioniert nicht - entschuldigt Sänger Lars Kuhnt mit dem Opener-Status. Beim stellenweisen Grunzen zeigt er einiges Engagement, während der zahlreichen Singpassagen klingt er einmal mehr wie Crematorys Felix. Keyboardesk eingängig ist noch lange nicht gleichbedeutend mit abwechslungsreich, aber die Fans lieben es. "Wo sind die Hände?", fragt Herr Kuhnt beim dritten Song, und etwa vierzig klatschen brav mit. Allmählich ist wieder ein Song mit deutschem Text dran. Sollte der wirklich 'Wider der Heiligen Schrift' geheißen haben? Keine Ahnung. Hauptsache, die Jungs auf der Bühne haben alles im Griff: "All right, okay." Später: "Wollt ihr tanzen? Lasst Weißbach brennen!" Manche Feuersbrunst soll schon durch rhythmisches Klatschen mit erhobenen Händen entfacht worden sein. "Ihr wart ein geiles Publikum!" verabschiedet man sich, bevor die lauten Zugabe-Rufe erhört werden: "Lasst uns zusammen singen." Das Textangebot an den Freiwilligen-Chor vor der Bühne: "Die Lust und das Leben, ... nütze sie weise, nütze sie gut, ... dann kommt der Tod." Etwas über Menschenrechte sagt der Sänger dann an, es geht um Vergewaltigung mit der diskreten Widmung: "..., das ist für dich." Zu so viel öffentlicher Anteilnahme passt das Gothic-Gepose mit fuchtelnden Armen. Schließlich gibt es noch "was zum Abrocken", das mit Grunzen zur Akustikgitarre eröffnet wird. Die Fans vor der Bühne grölen das Lied mit allem Drum und Dran mit. Ach ja, "... die eigene Musik will man aber maximal als 'Pseudo Gothic-Metal' verstanden wissen", heißt es auf der eigenen Homepage. In diesem Sinne ... Frustessen oder Hunger? Das angebotene Gyros mit Brötchen für drei Euro erscheint Fressmäulern zu wenig, dann doch lieber den Extremisten vom Obscene Extreme bekanntes Langosch für 2,50 Euro.

(Gretha Breuer)

Noch einmal zu den Lokal-Heroen von MISLEADING WAYS: Besonders die deutschen Texte der Marke "Poet Po Ede" rocken alles weg. Alles! "Die Frage bleibt, was ist Gott, was ist das Leben, was ist das Leben ...?" Der Bassist mit seinem geilen POSSESSED-Shirt sollte sich was schämen.

(Henri Kramer)

Wie im richtigen Leben folgt auf Dunkelheit Licht: Mit 'Baptized in Fire' von ihrer ersten Nach-Demo-CD "Failing In Triumph" beginnen BATTLESWORD mit ordentlichem Grunzen und Groove nach bekanntem Melodic-Death-Metal-Muster mit Midtempo-Part und getragenen Gitarrenmelodien, um dann nach Gitarrengeflirre wieder moderat loszuprügeln. Der überstrapazierte AMON AMARTH-Vergleich kommt wahrlich nicht von ungefähr, auch wenn die abgesäbelten Haare nur das äußere Anzeichen für einen stilistischen Umschwung bei BATTLESWORD sind. Die neuen, noch nicht veröffentlichten Songs klingen teils weniger nach dreckigem Battle Metal, sondern vielmehr nach frisch gewaschenem Gehüpfe in Richtung derer, deren Bandnamen mit Hate ... beginnen. Trotz dieses Umschwungs in Richtung unprätentiöseren Death Metals wenden die Jungs vom linken Niederrhein sich nicht von ihren schwedischen Vorbildern ab. Nach der vergleichsweise langen Anreise dankt Sänger Patrick Heinrichs gleich mal der weiteren Umgebung: "Vielen Dank, dass wir spielen dürfen, Weißbach, Schmölln, Leipzig." Schnörkellos ziehen sich treibende Gitarren durch 'This Silent Night', verwoben mit lang gezogenem und doch prononciertem Grunzen. Das folgende "brandneue Lied" fällt ebenfalls aus der neuen Linie heraus, klingt es doch eher nach marschierenden Kriegern. Schließlich zieht der 'Stormking' mit hymnischem Refrain in die Schlacht. Für Zugaben ist Platz - auch für unverlangte: 'Battlesword' besticht mit flächigem Midtempo-Gitarrenzusammenspiel, aus dem sich immer wieder Melodiebögen herausschälen, bis gnadenlos die Pausenmusik einsetzt.
Schließlich sollen TONKRAFT pünktlich anfangen, die der Veranstaltung mit angepunkten Cover-Versionen wie 'You Spin Me Like A Record' von DEAD OR ALIVE wieder dörflichen Charme verleihen, wobei 'Ace Of Spades' tatsächlich ein wenig den Hintern versohlt.

(Gretha Breuer)

TONKRAFT verprügeln noch mehr, zum Beispiel alle Hirnzellen für den guten Geschmack. Das Konzert läuft in der Sparte: Hardcore Metal mit Prolotexten, gegen TONKRAFT wirken die ONKELZ wie glänzende Nobelpreisträger. Am unteren Geschmacksrand rangiert dazu noch das mitgebrachte Keyboad, das so nun überhaupt nicht zu TONKRAFT passen will. Das Organ von Doppelfunktion Thomas (Stimme und Gitarre) klingt kratzig-furchtbar, zu diesem grausamen Erlebnis braucht man vor allem eins: Baustellenhumor und Schnaps. Dann lassen sich die Schleizer vielleicht auch länger als fünf Minuten ertragen. Anfangs ist ein Punk betrunken genug, um sich diese ohrenbetäubende Beleidigung zu geben, später kommt noch eine Trupp gestylter Provinz-Mädels dazu. Wenig imponierend.

Ganz anders verkaufen sich dagegen UNTAMED. Sänger Christian kommt im praktischen Army-Einteiler, also einer Art grünem Ganzkörperanzug. Ähnlichkeiten zu Fröschen und anderem Getier können dank der vielen Aufnäher aber nicht aufkommen. Dafür zeigen die Patches schon einmal grob die musikalische Richtung von UNTAMED an: SEPULTURA. Will heißen, dass die fünf Jungs deathigen Metalcore mit Tribaldrums und einem völlig wild abgehenden Sänger bieten. Das erste Mal an diesem Abend schädelt eine Reihe von Leuten nebeneinander ab, des hyperaktiven Frontmanns Motivationssprüche à la "Lasst uns das Hirn weichkreiseln ..." scheinen zu fruchten. Besonderes Highlight in diesem Bolz-Zirkus ist das 'Roots Bloody Roots'-Cover. "Lange Haare, kurzer Sinn", ist zudem der Spruch des Abends, UNTAMED sollten dazu noch das Prädikat "großer Spaß" umgehängt bekommen. Fein und nach den Soundwüsten von MISLEADING WAYS und TONKRAFT genau die richtige Dusche, so gegen zwei Uhr nachts. Fazitrechnung: Zehn Euro gleicht zwei gute Bands plus zweimal Abfall gleich fünf Euro je hörbarer Band gleich "ganz gut".

(Henri Kramer)

Redakteur:
Henri Kramer

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