Black Troll Winterfest - Essen

13.01.2010 | 19:29

27.12.2009, Zeche Carl

Das Label Trollzorn lädt zum Black Troll Winterfest ein, der nachweihnachtlichen Version des Black Troll Festivals. Das Ein-Tages-Spektakel ist ein voller Erfolg und überzeugt musikalisch auf ganzer Linie!

Das Label Trollzorn Records fährt zum Jahresende noch einmal ein kleines Festival auf und versammelt die Perlen des Folk- und Paganmetal in der Zeche Carl in Essen. Nach langer Autofahrt von Hamburg ins Ruhrgebiet kommen wir sogar ein Stündchen zu früh bei der Halle an und haben noch Zeit, in Ruhe zu frühstücken. Wenn man um sechs Uhr aufsteht, ist der Kaffee auch echt nötig! Laut Plan startet das Black Troll Winterfest um 12 Uhr und präsentiert uns bis 1 Uhr nachts zehn motivierte, feierwütige Bands, die durch die Bank überzeugen.

Mit etwas Verspätung machen DYRATHOR den Anfang und testen auch gleich Licht- und Nebelmaschine. Bis auf Sänger Morguul, der in Kettenhemd auftritt, hat sich niemand mittelalterlich gekleidet. Die ersten paar Minuten frage ich mich, warum da ein Typ ohne Instrument über die Bühne läuft und die schon zahlreich erschienen Anwesenden anheizt, bis er sich seine Geige schnappt und losfiedelt. Das Publikum geht schon zu dieser frühen Stunde gut mit, über die Weihnachtstage gab es ja auch genügend Zeit zur Erholung. DYRATHOR mischen ihren Pagan Metal mit schönen symphonischen Effekten. Ihre Musik ist sehr rhythmisch und der Wechsel aus brutalen und epischen Parts ist sehr gelungen. Zeitweise bauen sie auch Anleihen aus dem Black Metal in ihre Kompositionen mit ein, um sogleich wieder in ein Meer aus Melodie einzutauchen. Der talentierte Geiger Harja übernimmt die cleanen Vocals, kommt aber nicht allzu häufig zum Einsatz. Diese Mischung gefällt dem Publikum – zunächst lassen vorn ein paar die Schädel kreisen, nach und nach werden es immer mehr. Gegen Ende des Auftritts kommt sogar ein Fan auf die Bühne und schmeißt beim Headbangen fast den Mikroständer des Geigers um. Die Messlatte für die anderen Bands hängt nach diesem Opener hoch!

Mit AKTARUM kommt eine außergewöhnliche Combo auf die Bühne: TrollOur ist gleichzeitig Keyboarder und  Leadsänger. Dementsprechend keyboardlastig sind leider auch die Kompositionen des Fünfers. Hier gibt es aber wenigstens was zu sehen, denn die halbe Band spielt oben ohne. Mit dem Dreck im Gesicht und am Körper sieht zumindest TrollOur aus wie ein Höhlenmensch. Auch die Bühnendeko mit dem Bandlogo – zwei gekreuzte Äxte – ist sehr ansehnlich. Schade ist nur, dass die Flöten vom Band eingespielt werden und TrollOur seine Ansagen kreischt. Da versteht selbst das geschulte Death-Metal-Ohr kaum ein Wort. Die Musik selbst ist sehr eingängig und rhythmisch. AKTARUM verwenden viele Tempowechsel, der Soundteppich ist sehr atmosphärisch. Teilweise erinnern die Melodien an bekannte Pagan-Acts, aber lieber gut geklaut als schlecht selbstgemacht. Zwar sind die Reihen etwas gelichteter, dafür feiert vor allem die erste Reihe und schunkelt. Auch AKTARUM tänzeln ein bisschen auf der Bühne umher. Wieder kommt ein Fan auf die Bühne und headbangt, dieses Mal zum Glück ohne Beinahe-Unfall.

Zum Auftritt von DARKNESS ABLAZE ist die Konzerthalle fast leer. Die sechs Musiker auf der Bühne sind normal gekleidet und passen im ersten Moment gar nicht so richtig hierher. Der Sound ist etwas rumpelig, Sänger Theo grunzt und shoutet. Mein erster Eindruck ist: Hier steht eine Hardcore-Truppe auf der Bühne! Aber was macht sie hier? Doch ich sollte mich täuschen. Von Lied zu Lied steigern sich die Ludwigsburger, das Keyboard bringt den nötigen Schuss Epik in die Musik. Die Gitarren sind tiefer gestimmt als bei den Bands vorher und es wummst ordentlich. Mit 'Dance Of Fire' geht die Sause richtig los. Die Nummer ist schnell, Nebelmaschine und Lichteffekte werden ausgepackt. Bei 'Once Called For Redemption' gehen schließlich die Hände der wenigen Anwesenden nach oben. Schade, dass sich nicht mehr Leute DARKNESS ABLAZE angesehen haben – eine Chance hätten sie verdient, denn was sie am Ende hier abliefern, ist durchaus hörenswert.

Eigentlich sollten jetzt OBSCURITY spielen, aber durch eine kleine Änderung in der Running Order stehen jetzt NYDVIND auf den Brettern. Ein paar mehr Paganer haben sich in die Halle verirrt, um den vier Franzosen zuzusehen, die hier mit einem Live-Musiker auftreten. NYDVIND verwendet kein Keyboard oder akustische Instrumente, sie verlassen sich auf ihre Elektronik und Richards kräftige Stimme. Und – huch – was ist denn mit den Klampfern? Bassist und Gitarrist spielen mit Linkshänderinstrumenten. Ihre Songs sind sehr schnell und bauen auf Disharmonie. Anleihen aus dem Black Metal sind unverkennbar. Dem Publikum gefällt das wohl nicht so gut – langsam leert sich der Konzertsaal. Es lassen auch nur Wenige vorne die Haare kreisen. Die Band scheint das zu merken und versucht, die Menge anzuheizen. Mit Erfolg! Die Headbanger nehmen zu. Gegen Ende legt Richard seine Gitarre weg und singt beziehungsweise shoutet nur noch, dann ist der Auftritt ganz plötzlich zu Ende.



Komisch – aber okay. Weiter geht's mit HEATHEN FORAY, den heimlichen Headlinern, wie ich dachte. Wie ich erwartet hatte, sind Halle und Ränge auch voll beim Auftritt der Grazer, doch hier steppt nicht der Bär… die Meisten schauen nur zu. Schade, denn der Fünfer rockt! Sänger Robert Schroll verzichtet auf einen Mikroständer und ist dadurch sehr agil, Gitarrist Bernd Zahn ist ein Meister seines Fachs und rockt mal mit normaler Gitarre, mit Doppelgitarre oder gar mit Bogen. Nach ein paar Anheizversuchen springt der Funke auch endlich über und das Publikum rockt ganz von selbst mit. Die Musik ist sehr technisch und melodiös und Humor haben die Österreicher auch: Ihre Musik handelt nach eigenen Angaben von Blut, Stahl, Schlachten und Schmetterlingen. Die Insekten flattern in Form einer Ballade über die Bühne, bei der Robert die Menge auffordert, die Feuerzeuge auszupacken. Anscheinend haben aber Viele übersehen, dass hier das Rauchverbot nicht gilt, denn nur wenige kleine Flammen erhellen den Raum. So langsam bildet sich ein kleiner Headbanger-Pulk in der Mitte, zu 'Northstar' kommt sogar mal wieder ein Fan auf die Bühne und schüttelt das Haupthaar dort weiter. Robert verlangt, dass er beim nächsten Mal stagediven soll – da hat er scheinbar keine Lust drauf, denn er ward nicht mehr gesehen. Ab der hinteren Mitte des Gigs packen HEATHEN FORAY die Rockkeule aus – prompt fängt die Menge an, zu pogen und bei 'Ancient Secrets' eine Wall Of Death zu veranstalten, die sich durch die gesamte Halle zieht. Gegen Ende spielen die Grazer Partymusik – darauf haben Viele gewartet! Die Sportlichen starten einen Circle Pit und auch Robert scheint zufrieden: Er holt von irgendwoher ein Schwert und kämpft damit gegen Schlagzeuger Michael Hofbauer, der allerdings nur mit Drumsticks bewaffnet ist. Ein ungleicher Kampf! Aber eine tolle Show.

Vielen Dank für einige Bilder von HEATHEN FORAY an Tobias Müller!

Die heimlichen Headliner sind nicht HEATHEN FORAY, sondern OBSCURITY! Hier steigt richtig die Party – die Halle ist voll und von Beginn an herrscht gute Stimmung. Mit historischen Verweisen leitet Sänger Agalaz Lieder wie 'Nach Asgard wir reiten', 'Blut und Feuer', 'Im Herzen des Eises' oder  'Várar' ein. Der Fünfer wird gefeiert, es kommt richtig Bewegung in die Bude. Die Songs sind größtenteils im Midtempo gehalten und die deutschen Texte einigermaßen verständlich, so dass viele mitsingen. Textlich decken OBSCURITY die Klischees des Pagan Metals ab. Beim zackigen 'Wer Wind sät' fliegen überall Haare, immer wieder wird die Band angefeuert. Die 'Nordmänner' legen die Zeche Carl in 'Schutt und Asche' – hier steht fast keiner mehr still! Ein wirklich gelungener Auftritt, der auch ohne viel Show lebt und musikalisch überzeugt!



Weiter geht's prompt mit einem weiteren Highlight: ADORNED BROOD. Das Intro kommt vom Band, der Rest ist handgemachte Musik. "Oha", denke ich, als ich Querflötistin Anne sehe. Einmal, weil sie verdammt gut aussieht und, weil ich den Übereinsatz dieses metal-untypischen Instruments vermute. Zum Glück sollte ich mich irren, denn die Flöte bereichert die Musik, wo sie kann, und hält sich sonst vornehm zurück, während ihre Besitzerin headbangt oder das Publikum anheizt. Gelegentlich glänzt sie auch mit einem Solo, ist aber zu keiner Zeit nervig. Das Soundbett, das ADORNED BROOD fabrizieren, ist überwältigend! Die Halle ist fast voll und die Band gut gelaunt, was kann da noch schief gehen? Vielleicht, dass jemand vergisst, die CD im Hintergrund auszuschalten, die sonst in den Pausen für Unterhaltung sorgt. Aber entweder hat das keiner gemerkt oder es stört einfach niemanden, denn die Fans feuern die Band an, schunkeln mit und feiern ältere und neuere Songs. Sänger Frost singt sowohl klar, als auch gekrächzt und auch der Wechsel zwischen Folk und Metal ist gut gelungen. Obwohl hier wirklich viele Fans sind, kennen diese ihre Helden noch nicht lange, wie Frost feststellt. Macht ja nix, die Stimmung passt und so lassen sich die Anwesenden auch gern weiter nach vorne bitten – gerade rechtzeitig um das Trinklied 'Sieben Tage' abzufeiern. Die Zeche kocht! Die Menge springt, klatscht und pogt, was das Zeug hält. Die letzte Strophe wird sogar mit Akzent vorgetragen. Sehr schön! Das anschließende 'Song Of The Damned' wird mit einem schönen Querflötensolo eingeleitet und holt die Feiernden mit seinem balladesken Charakter wieder auf den Boden. Auch 'Das Schiff der Toten' besticht durch seinen schönen Melodiewechsel. Der Titeltrack des aktuellen Albums "Noor" haut nochmal richtig rein, vor allem Keyboarder Niklas hat Spaß und beginnt den Song mit kleinen Spielereien. Damit sich die Partystimmung weiter hält, legen ADORNED BROOD mit 'Drunken Sailor' nach, welches ausgiebig bejubelt wird. Auch 'Under Yggdrasil' kommt gut an. Zum großen Finale feiert die ganze Halle, bis die sechs Grevenbroicher die Bühne unter verdientem Applaus verlassen.

Während des Auftritts von GERNOTSHAGEN haben wir die Möglichkeit, uns mit MÅNEGARM zu unterhalten. So verpassen wir gut die Hälfte des Gigs, weshalb ich hier kein wirkliches Bild des Auftritts vermitteln kann. Die Band spielt in Gewandung, Bühnendeko ist das Bild eines Baumes, das gespalten und links und rechts aufgestellt ist. Sänger Askan hat eine angenehm kräftige und tiefe Stimme, die Musik ist sehr symphonisch, melancholisch und atmosphärisch. Was mir vor allem auffällt, ist die Liebe, die die Musiker zu ihrer Musik empfinden. Diese Liebe auf die Bühne zu transportieren und für das Publikum so greifbar zu machen, ist wirklich beachtlich. Das merken auch die Anwesenden und schauen andächtig zu. Nächstes Mal möchte ich diese Band nicht verpassen!

Nach ein paar Problemen auf dem Flughafen haben es auch MÅNEGARM in die Zeche Carl geschafft. Sie mussten lange auf ihr Gepäck warten und ihnen grauste schon davor, dass ihre Instrumente möglicherweise irgendwo vergessen wurden. Zum Glück lief doch noch alles glatt und die Schweden kamen mit dem Schrecken davon. Diesen kann man ihnen allerdings anmerken – sehr redselig sind sie nicht. Nach so einer Anreise ist das aber auch verständlich. Der Pagan-Hype in Deutschland ist einzigartig, wie mir Sänger Erik, Gitarrist Jonas und Bassist Pierre erzählen. In ihrem Heimatland Schweden haben sie nicht so viele Fans wie in Deutschland und spielen hierzulande zehnmal so viele Konzerte im Jahr wie in Schweden. Das wird sich in Zukunft wohl so fortsetzen, denn mit dem frischen Album "Nattväsen" ist natürlich eine Tour geplant – eventuell sogar durch die USA. Mit ihrem neuesten Werk sind die drei Musiker sehr zufrieden. Es hat sich mehr reiner Heavy Metal in die Kompositionen gemischt, wodurch die Songs aufgelockert werden und eingängiger sind. Kurz vor Weihnachten schafften MÅNEGARM es noch, einen Videoclip zu 'Vetrarmegin' zu veröffentlichen. Erik bemerkt vor allem, dass die Band bei den Aufnahmen sehr gefroren hat – verständlich! Auch bei Fans und Presse kam das Album gut an. Erik hat sogar ausgerechnet, dass etwa 80 Prozent der Reviews positiv waren.  Als sie dann nach GERNOTSHAGEN mit etwas Verspätung die Bühne betreten, gehen gleich alle Fäuste in die Luft. Das Publikum ist gut drauf, Viele lassen die Haare kreisen, Andere genießen einfach das Konzert. Zur ersten Gruppe gehört Geiger Jan, der durchaus Ähnlichkeit mit Albert Einstein hat. Wie sein optischer Vetter ist auch er ein Genie – allerdings an der Geige. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen und zuzuhören! Als Höhepunkt nimmt er seine Geige als Gitarre in die Hand und spielt einfach weiter. Während einer kurzen, technischen Pause unterhält Bassist Pierre die Gäste, anschließend zählt Erik auf Deutsch ein. Wie die Schweden sagten ist vor allem das neue Material sehr eingängig und kommt sehr gut beim Publikum an. Ein paar Leute tanzen sogar, andere singen mit. Die Wechsel zwischen klarem und gekreischtem Gesang sind immer passend und lassen Einflüsse aus Power Metal, aber auch Death Metal erkennen. Die Stile werden gekonnt vermischt – mal blitzt ein bisschen Rock'n'Roll auf, dann wieder eine folkige Seite. Auch die Show ist gelungen: MÅNEGARM nutzen wenig Nebel, dafür aber die Lichtmaschine und posen gern vor allem am Ende der Songs. Leider spielt die Technik nicht immer mit – vor allem die Geige wirkt manchmal übersteuert und ist beim Einsatz viel zu laut. Am Ende greift sich Jan lieber eine Flöte. Der Sechser gibt alles und das Publikum dankt es ihm. Die halbe Halle macht Nackenübungen, jedes Lied wird ausgiebig beklatscht und abgefeiert. Als am Schluss das Licht angeht, recken alle die Hände hoch und verabschieden ihre Helden.

Anschließend verlässt der Großteil müde und zufrieden den Ort des Geschehens, weshalb bei NOMANS LAND nur noch etwa ein Viertel der Leute da sind. Die Bühnencrew ist wohl auch nicht mehr ganz da, denn ein Teil der MÅNEGARM-Deko wird vergessen. Zwar ist es schade, dass die Russen vor so kleinem Publikum spielen müssen, dafür sind aber fast nur noch Fans da und die machen Stimmung. Die Musik ist auch durchaus tanzbar, sehr melodisch und leicht technisch. Vor allem die schöne Gitarre sticht ins Auge. Leider gibt es auch hier technische Mängel: Das Mikro von Clean-Sänger Hjervard ist zu leise. Trotzdem ernten NOMANS LAND Sprechchöre und vorn rackern sich die letzten verbliebenen Headbanger ab.

Man merkt NOMANS LAND die Enttäuschung über den wenig besuchten Auftritt an, ansonsten ist der Tag sehr gut gelungen. Die Mischung der Bands war für ein Pagan-Event umfangreich und auch der geneigte Death-Metal-Hörer kam auf seine Kosten. Ein besonderes Lob geht an die Crew, die immer gut gelaunt und freundlich zu Auskünften bereit war. Zum Glück ist die Wartezeit bis zum nächsten Termin, dem Black Troll Festival, nicht so lang,  denn schon im Juni geht die Party weiter. Bis dahin: Metal On!

Redakteur:
Pia-Kim Schaper

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