CRADLE OF FILTH - Köln

28.10.2015 | 17:50

24.10.2015, Essigfabrik

"Inquisitional Tourture" in der Essigfabrik.

Es ist schon ein bizarrer Kontrast, der sich an diesem Samstag dem Musikfan am östlichen Ufer des Rheins in Köln bietet. Während CHRIS DE BURGH in der Lanxess Arena die älteren Generationen mit weichgespülter Popmusik beschallt [übrigens ein großer Entertainer, den ich schon mehrfach live gesehen habe. Und früher auch mal musikalisch echt top! FJ] , hat sich in der nur wenige Kilometer entfernten Essigfabrik eine dunklere Gemeinde versammelt, denn CRADLE OF FILTH hat zur "Inquisitional Tourture" geladen.

Gerade erst haben die Mannen um Dani Filth mit ihrem neuen Longplayer "Hammer Of The Witches" eine kleine musikalische Wiederauferstehung gefeiert, nachdem die letzten Alben doch eher durchschnittliche Qualität ablieferten. Auch auf der letzten Europa-Tour zusammen mit BEHEMOTH konnten die Briten nicht restlos überzeugen, Grund genug für uns vor Ort zu überprüfen, ob sich die neu gewonnene Stärke auch auf die Live-Performance überträgt. Unterstützt wird die Schmutzwiege dabei von den Senkrechtstartern NE OBLIVISCARIS und einer lokalen Supportband, welche vorab über einen Bandcontest vom Hauptact persönlich ausgewählt wurde.

Für den deutschen Raum konnten die Frankfurter DARKEST HORIZON diesen Contest für sich entscheiden und so darf das junge Quintett um 19:30 Uhr den heutigen Abend eröffnen. Angetreten sind sie laut eigener Aussage, um dem Publikum den "besten epischen Melodic Death Metal" seines Lebens zu präsentieren. Diese vollmundige Versprechung von Sänger Aurelius Lie können die Jungs allerdings im Verlauf des Sets nicht ganz halten, denn musikalisch gibt es doch eher Altbekanntes. Eine Prise DIMMU BORGIR, etwas DARK TRANQUILLITY und dazu eine gute Portion KALMAH und fertig ist das musikalische Gemisch, welches der Opener heute präsentiert. In Hinblick auf die Performance können die Jungs, nachdem der Beginn noch etwas unsicher wirkte, überzeugen, wobei insbesondere die hervorragende Leistung von Philipp Hammelmann hinter dem Schlagzeug zu erwähnen ist. Einzig die Ansagen von Sänger Lie wirken etwas störend, zwischen den Songs versucht er nämlich in bester Vertreter-Manier die Musik der Jungs an den Mann zu bringen. Natürlich muss man sich als junge Band auch verkaufen können, das geht aber auch unauffälliger, wie der zweite Act des Abends später beweisen wird. Am Ende bleibt ein solider Auftritt der Frankfurter, der gegen Ende hin auch mehr und mehr positive Resonanz aus der noch halbleeren Essigfabrik erhält. Mit ein bisschen mehr Mut zur Eigenständigkeit bei Musik und Bühnenauftreten (die Kapuzen und das Make-Up sehen doch verdächtig nach den aktuellen Bühnen-Persönlichkeiten von BEHEMOTH aus) können die Jungs sich aber sicher ihren Platz in der deutschen Szene erspielen, Potential dafür ist auf jeden Fall vorhanden.

Der zweite Act des Abends hat die mit Abstand weiteste Anreise hinter sich, immerhin ist NE OBLIVISCARIS extra aus Melbourne eingeflogen. Gerade erst machten die Australier mit dem Interview ihres Schlagzeugers Dan Presland Schlagzeilen, in dem dieser bekannt gab, dass er seinen Job kündigen musste, um an dieser Europa-Tournee teilnehmen zu können. Im nachhinein muss man ihm dafür danken, denn ansonsten hätte man die famose Show des Sextetts heute Abend hier in Köln nicht erleben können. Bereits von den ersten Takten des Openers 'Devour Me, Colossus (Part 1): Blackholes' an fesselt die Band die Anwesenden, wobei die technisch anspruchsvolle Mixtur aus atmospärischen Parts und wilden Black-Metal-Attacken das Publikum in einen fast hypnotischen Zustand versetzt. Hinzu kommt die herausragende Leistung der einzelnen Musiker, die es nahezu spielend schaffen, die Atmosphäre der Studioaufnahmen auf der Bühne zu rekreieren. Ganz besonders spielen sich dabei Basser Cygnus und Tim Charles in den Vordergrund, wobei letzterer nicht nur mit tollem Klargesang, sondern auch mit seinen Qualitäten als Geiger punktet. Zwischen den Songs gibt sich das Sextett dann fast schüchtern und verzichtet auf große Ansagen, nötig haben sie selbige auch nicht, denn hier spricht die Musik voll und ganz für sich, was auch die immer lauteren Reaktionen des Publikums beweisen. So kommt das Ende nach nur 45 Minuten und gerade einmal vier Songs für viele auch viel zu früh, doch die Zeit drängt, denn der Headliner des Abends kommt ja erst noch. Einziger Wermutstropfen in der ansonsten perfekten Show ist der Ausfall eines Gitarrenverstärkers, der im finalen 'And Plague Flowers The Kaleidoscope' unvermittelt den Geist aufgibt. Die Band meistert die Situation aber souverän, bringt die Show auch mit nur einer Gitarre zu Ende und hinterlässt mich, wie auch viele andere Anwesende, tief beeindruckt. Bleibt zu hoffen, dass man die Australier bald auch mal als Headliner in deutschen Gefilden erleben kann.

Setlist NE OBLIVISCARIS: Devour Me, Colossus (Part 1) : Blackholes; Pyrrhic; Curator (Auszug aus 'Painters Of The Tempest Part 2'); And Plague Flowers The Kaleidoscope

Anschließend beginnt dann der große Umbau für den Headliner des heutigen Abends. CRADLE OF FILTH entert dann auch püntklich um 21:30 Uhr zum Intro 'Humana Inspired To Nightmare' die Bühne und greift mit 'Heaven Torn Asunder' erst einmal tief in die eigene Bandhistorie, immerhin stammt der Song vom Zweitwerk "Dusk ... And Her Embrace". Der Funke springt allerdings nicht direkt auf alle Anwesenden über, was vor allem am anfänglich etwas dünnen Soundmix liegt. In den ersten Reihen überschlagen sich daher zwar die Damen mit ihren "Dani"-Rufen, im hinteren Teil der Halle beäugen die Metalheads das Geschehen aber noch etwas skeptisch. Beim dritten Song 'Blackest Magick In Practice' hat der Techniker am Mischpult den Mix aber im Griff und sobald der Black Metal der Briten mit voller Wucht auf das Publikum einprasselt, öffnet sich der erste Moshpit und auch in den hinteren Reihen fliegen die ersten Haare im Takt der Musik. Gerade das Material vom aktuellen Album "Hammer Of The Witches", welches im regulären Set mit drei Songs zum Zuge kommt, erntet besonders positive Reaktionen, was nochmals die Qualität des neuesten Werks der Truppe um Dani Filth unterstreicht.

Auch die Band präsentiert sich heute im Vergleich zur letzten Europa-Tour mit BEHEMOTH deutlich verbessert. Das Personalkarussel hat sich zwar wieder gedreht, trotzdem wirkt die neue Besetzung perfekt eingespielt und meistert auch altes Material aus dem Backkatalog problemlos. Zusätzlich ist Dani Filth heute bestens bei Stimme, zelebriert auch die hohen Passagen mit Bravour und straft damit alle Kritiker lügen, die behaupteten, dass der Mann seine Stimme verloren hätte. Auch die Bühnenpräsenz des Sextetts hat sich zur letzten Tour entwickelt. Vom statischen und wenig energiegeladenen Stageacting ist heute nichts mehr zu sehen, stattdessen nutzen Filth und seine Mitmusiker die gesamte Bühne aus und suchen immer wieder den Kontakt zum Publikum. Abgerundet wird die Show vom imposanten Bühnenbild, aus dem insbesondere das halbrunde Keyboard von Caroline Campbell und die beiden Kreuze herausstechen, welche das Zentrum der Bühne einrahmen.

Sehr zur Überraschung des begeisterten Publikums endet das reguläre Set dann aber bereits nach gut einer Stunde, wobei die Briten zum Abschluss mit 'Queen Of Winter, Thrones' von der EP "Vempire (or Dark Faerytales in Phallustein)" noch einmal ganz tief im eigenen Backkatalog graben. Enttäuschung kommt aber nicht auf, denn CRADLE OF FILTH hat sich den ganz großen Hammer für den halbstündigen Zugabenblock aufgehoben. Eröffnet vom neuen Track 'Yours Immortally ...' folgt anschließend ein absoluter Klassiker-Dreierpack bestehend aus 'Nymphetamine (Fix)', 'The Twisted Nails Of Faith' und 'Her Ghost In The Fog', der die Stimmung in der inzwischen gut gefüllten Essigfabrik auf einen neuen Höhepunkt treibt. Das Publikum fordert anschließend weiterhin lautstark einen Nachschlag, sodass die Briten kurzerhand noch 'The Forest Whispers My Name' nachlegen, welches bisher auf der gesamten Europa-Tour noch nicht auf der Setlist stand.

Setlist CRADLE OF FILTH: Humana Inspired To Nightmare; Heaven Torn Asunder; Cruelty Brought Thee Orchids; Blackest Magick In Practice; Lord Abortion; Right Wing Of The Garden Triptych; Malice Through The Looking Glass; Deflowering The Maidenhead, Displeasuring The Goddess; Queen Of Winter, Throned; Walpurgis Eve; Yours Immortally ...; Nymphetamine (Fix); The Twisted Nails Of Faith; Her Ghost In The Fog; The Forest Whispers My Name

Als Fazit bleibt festzustellen, dass man hier ein verdammt starkes Tour-Package geschnürt hat. DARKEST HORIZON ist ein solider Opener, NE OBLIVISCARIS überzeugt auf ganzer Linie und CRADLE OF FILTH präsentiert sich so stark und energiegeladen wie seit Jahren nicht mehr. Wer ein Faible für ungewöhnlichen Black Metal hat, der sollte der Tour bei einem der verbliebenen Konzerte in Deutschland definitiv einen Besuch abstatten.

Redakteur:
Tobias Dahs

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