Caliban - Oberhausen
14.03.2006 | 14:0611.03.2006, Turbinenhalle
Die Busse prall gefüllt mit perfekt gestylten und geschminkten Teenies, vereinzelte Kreischorgien sind vernehmbar - ganz klar, man fährt zum Metalcore-Konzert. In diesem Fall stimmte dies aber nur zum Teil, denn die meisten minderjährigen Fans wollten wohl doch lieber zu TOKIO HOTEL, die am selben Abend in der Arena Oberhausen spielten.
In der Turbinenhalle dagegen hatten CALIBAN zur Releaseparty des neuen Albums "The Undying Darkness" geladen, und alle waren sie da. Die gesamte deutsche Szeneprominenz war angereist, um zu gratulieren und das Publikum aufzuheizen.
Den Auftakt machten ZERO MENTALITY, aber zu dieser unchristlichen Tageszeit (16 Uhr) war ich noch irgendwo auf der Anreise und hörte mir unaufgefordert vorgetragene A-Capella-Versionen von 'Durch den Monsun' an. Laut Augenzeugen habe ich dadurch aber nicht allzu viel verpasst.
Danach übernahmen die Münsteraner mit dem komplizierten Bandnamen NEAERA die Bühne und forderten zum Tanz. Zu hören gab es sowohl Songs vom letztjährigen Metal Blade-Debüt als auch vom in Kürze erscheinenden "Let The Tempest Come". Große Unterschiede gab es leider nicht zwischen den Stücken. Passabler Metalcore mit der nötigen Portion Schweden und eingängigen Moshparts, die vom sehr jungen Publikum begeistert aufgenommen wurden. Auf mich wirken diese Karate-Freistil-Übungen mitten in der Halle zwar eher befremdlich, aber man kann sich ja ein wenig an die Seite stellen und den Fans aus sicherer Entfernung beim Prügeln zusehen. Immerhin war dort deutlich mehr Action als auf der Bühne. Die Band schien festgefroren zu sein, mit Ausnahme von Sänger Benjamin Hilleke, der zumindest den Kontakt zu den Fans suchte.
Als nächstes kündigte sich dann das erste Highlight des Abends (oder besser des Nachmittags) an, denn die deutschen Senkrechtstarter FEAR MY THOUGHTS waren an der Reihe. Und sie enttäuschten keineswegs. Die Truppe brachte ihre technisch anspruchsvollen Songs auch live gekonnt rüber und hatte sichtlich Spaß am eigenen Auftritt. Die Reaktionen fielen überwiegend positiv aus, jedoch im Vergleich zu NEAERA ein Stück weit verhaltener. Wahrscheinlich fehlten einigen Anwesenden die simplen Breakdowns, stattdessen kamen die ebenfalls zahlreich anwesen Metaller besser auf ihre Kosten. Als besonderes Schmankerl spielte die Band als Zugabe den Klassiker 'The Great Collapse' vom vorletzten Album, das stilistisch noch eher an AMON AMARTH erinnerte. Ein gelungener Auftritt, das konnte man auch am anschließenden Andrang auf den Merchandisestand sehen.
Mit den belgischen Veteranen LIAR war nun die einzige internationale Band des Tages dran. Allerdings klemmte ich mir den Auftritt und hörte nur mit einem Ohr von der Theke aus zu. Und das Gehörte trieb mich nicht unbedingt zu Begeisterungsstürmen, zu gleichförmig und beliebig war der Metalcore aus dem Pommesland. Dem großen Rest hat's aber gefallen, also hatten LIAR durchaus ihre Berechtigung im Billing.
Und jetzt freute ich mich auf meine Lieblingsband des Tages, doch HEAVEN SHALL BURN steckten im elenden Schneegestöber irgendwo auf der Autobahn fest und konnten erst deutlich später als geplant anreisen. So kam es dazu, dass der etatmäßige Headliner eher auf die Bühne musste und quasi den Anheizer für die ostdeutschen Kollegen mimte. Nach einer endlos langen Umbaupause formierte sich erst mal die gesammelte Groupiebande am hinteren Bühnenrand, um ihre Lieblinge aus der Nähe anhimmeln zu können. Putzig. Irgendwann ging es dann aber doch mal los und das Intro lief vom Band. Natürlich lag der Schwerpunkt auf den neueren Songs und vor allem auf dem neuen Album. Wie das Album so war auch die Show hauptsächlich eines: perfekt. Die Band war hundertprozentig aufeinander abgestimmt, die Fans fraßen ihr aus der Hand und der Sound war der beste des ganzen Abends. So weit, so gut, aber bei aller Perfektion etwas fehlte: Leidenschaft oder wenigstens Abwechslung. Mittlerweile sind CALIBAN so festgefahren, dass man meint, jeden Song schon mal gehört zu haben und ganz falsch liegt man damit nicht. Die Lieder sind fast alle nach dem gleichen Schema aufgebaut und die cleanen Refrains wirken äußerst aufgesetzt und blass. Und nach der anfänglichen Begeisterung über das tighte Zusammenspiel macht sich auch hier Ernüchterung breit. Ich hatte fast den Eindruck, einer seelenlosen Maschine zuzusehen und nicht einer begeisterten Band, die vor ihren treuesten Fans zockt. Schade, CALIBAN waren mal die Speerspitze des deutschen Metalcore. Mittlerweile schielt man meiner Meinung nach einfach zu sehr auf den kommerziellen Erfolg und liefert nur noch Belangloses ab. Trotz allem war der Auftritt für die Band ein wahrer Triumphzug, die Reaktionen waren äußerst euphorisch, vielleicht auch angestachelt durch die Tatsache, dass die Band die Show für eine irgendwann geplante DVD filmen ließ.
Setliste:
Intro (Undying Darkness)
I Rape Myself
The Revenge
My Little Secret
Tyranny Of Small Misery
The Beloved & The Hatred
Intro (Shadow Hearts)
Forsaken Horizon
Nothing Is Forever
I've Sold Myself
Intro (Small Boy And A Grey Heaven)
Arena Of Concealment
It's Our Burden To Bleed
Certanity... Corpses Bleed
Moment Of Clarity
Fire Of Night
Room Of Nowhere
Goodbye
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One More Lie
Stigmata
Nach dieser kleinen Enttäuschung folgte dann aber endlich der ersehnte Höhepunkt. HEAVEN SHALL BURN waren endlich vor Ort und übernahmen das Geschehen. Und wie! Schon auf Platte überzeugen die Thüringer restlos, aber live sind sie eine Macht! Bereits der Opener 'Unleash Enlightment' von der letztjährigen Split-EP mit CALIBAN sorgte dafür, dass sich die Fans nochmals völlig verausgabten. Die Band war sichtlich begeistert und dankte mehrmals für die "tolle Entschädigung". Egal, ob neuere Songs wie 'The Only Truth' vom letzten Album "Antigone" oder alte Kamellen ('The Seventh Cross') - die Hütte brannte. Sänger Marcus rannte wie wild über die Bühne, sprang ins Publikum und schrie sich nebenbei in einen Rausch. Auch ohne Clean Vocals kann man das Publikum zum Mitsingen animieren, vor allem beim genialen Refrain von 'Voice Of The Voiceless'. Nach etwa 50 Minuten und zwei Zugaben war dann endgültig Schluss, da nebenan auch der Discobetrieb losgehen musste. Es bleibt zu hoffen, dass das noch diesen Sommer erscheinende neue Album halten kann, was dieser energische Auftritt versprochen hat. Alles in allem eine prima Veranstaltung, die sogar Schmusesänger Marc Terenzi anlockte. Wenn das mal kein Erfolg ist!
Setliste (ohne Gewähr):
Unleash Enlightment
The Only Truth
The Seventh Cross
The Weapon They Fear
Voice Of The Voiceless
No One Will Shed A Tear
Intro
To Harvest The Storm
Architects Of The Apocalypse
The Worlds In Me
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Behind A Wall Of Silence
Partisan
- Redakteur:
- Kilian Fried