Corvus Corax - Köln

12.01.2003 | 08:37

19.12.2002, Live Music Hall

Die Kölner Woche hatte Mittelalter zu bieten, und nicht zuwenig davon. Der mittelalterliche Markt and er Schokoladenfabrik hat wie jedes Jahr seinen Reiz, und bot die Möglichkeit mal durch die alte Zeit zu schlendern, und sich inmitten der Medienhauptstadt Köln von eben dieser zu erholen.
Des weiteren stand der neue 'Herr Der Ringe' vor der Tür, und bombardierte uns quer durch Köln mit grimmig guckenden Aragorns, milde lächelnden Gandalfs oder ängstlich verschreckten Frodos. Das gespannte Warten auf 'Die Zwei Türme' ließ sich kaum mehr ertragen.
Und dann natürlich noch das Corvus Corax Konzert, was Frau mir geschenkt hatte.
Wir machten uns also um halb Acht auf den Weg zur S-Bahn Station unseres Vertrauens, und wurden sofort von einem Schienendefekt in Kenntnis gesetzt, der die Bahnen unregelmäßig erscheinen ließ. Als wir dann endlich in Ehrenfeld waren, das nächste Problem: Wo zum Teufel war die Live Music Hall? Passanten fragen brachte uns nicht wirklich weit, nach 10 Minuten hatten wir 4 verschiedene Wegbeschreibungen. Als wir dann endlich die Lichtstraße gefunden hatten, traf uns die Erkenntnis eines RIESEN Umwegs wie ein Faustschlag ins Gesicht, nun, für SOULFLY im Februar weiss ich auf jedenfalls bescheid!

Der Lärm aus dem Konzertgebäude ließ Böses ahnen, wie viel zu spät waren wir?
Zwanzig Minuten spielten sie nun schon, sagte man uns. Also nichts wie rein. Beim Eintreten in die Konzerthalle offenbarte sich das, was man in der Schule noch 'Overkill an visuellen Eindrücken' nannte, hier nenne ich das einfach nur cooles Bühnenoutfit.
Kein Wunder dass es keine Vorband gab, die Bühne aufzubauen muss Äonen gedauert haben. Zwischen riesigen Gongs, Drumkits, abgestellten Schalmeien und anderen Blasinstrumenten zeigte sich die Kunstfertigkeit der Band, welche die Instrumente schließlich alle selber zusammenbaut. Das ganze noch mit Bannern, Hörnern und Verzierungen versehen, mit simplen, aber gerade deshalb so faszinierend wirkenden, Lichteffekten präsentierte mir das wirklich perfekteste und schönste Bühnendesign was ich jemals gesehen habe.
Perfekt eingestimmt auf das Bühnendesign waren auch die Kostüme der Bandmitglieder. Vom feuerroten Magierdress des Frontmanns Teufel über das asiatisch angehauchte Kostüm des Drummers No. 3 Hatz bis zur Söldnerrüstung des Ardor Vom Venushügel (origineller Name) bot sich hier eine bunte Schar von Musikern, die jeder für sich eine Augenweide darstellten.
Nachdem ich mich allmählich an das sich bewegende Farbenuniversum auf der Bühne gewöhnt hatte, traf mich schon der nächste Schlag, die Musik. Die Energie der Musik, die die Könige der Spielleute dort oben produzierten, war gigantisch.

Da ich zuhause leider nur die "Mile Passe Anni Sunt" im CD Regal stehen habe, und ausser diesen Liedern quasi nichts von Corvus Corax kannte, war der Wiedererkennungswert für mich gleich Null. Auf jedenfall schlugen mich die Jungs sofort in ihren Bann. Melodie, Gefühl, Energie und verdammt viel Rhythmus sind seit Jahr und Tag das Rezept mit dem man mich begeistert, und diese Band trieb dieses Rezept in die Perfektion. Ich war begeistert, wie die Band sich zu ihrer eigenen Musik im Takt bewegten oder gar tanzten, mit dem Rhythmus immer schneller wurden, immer wilder ihre eigene Musik feierten, und dann urplötzlich eine Pause ankündigten.
Gut, nachdem sich die Band in ihre Gefilde jenseits der Augen von Fan und Fanatiker zurückgezogen hatte, wartete der nächste Kampf. Einer ziemlich verwirrten Bardame klarzumachen, dass mit 'Met' nicht 'Milch' gemeint ist, nahm so seine Zeit in Anspruch. Als ich dann endlich zu hören bekam das sie keinen Met hätten, entschloss ich mich dann doch für ein Kölsch, was ich nach dem ersten Schluck sofort wieder bereute. Nichts gegen Köln und seine Menschen, aber Bier brauen können sie einfach nicht.

Der Marktstand Stand war recht simpel aufgebaut, das Angebot an die Wand gehängt und das war es dann auch, bis auf den prächtig gekleideten Menschen der den Laden hütete. Das Angebot war simpel, von den CDs der Spielleute über T-Shirts über deren Qualität sich streiten lässt bis zu Tourpostern, wovon ich mir dann auch sofort eins in Beschlag nahm.
Ein Blick ins Publikum ließ mich grübeln. Es waren Menschen aus allen Klassen und Szenen da, vom Punk zum Blackmetaller, vom Gothic zum Mittelalterfan, von Karrierefrau zu Familienmutter. Alle waren sie da, alle freuten sich da zu sein, und alle hatten einen Mordsspaß an der Musik. Obwohl die Live Music Hall nicht voll war, war sie gefüllt, an die 300 Menschen hatten ihren Weg zu Corvus Corax gefunden.
Diese betraten auch langsam wieder die Bühne, was dazu führte, dass das Publikum sich wieder auf die Hälfte der Fläche zusammenballte. Aus der von Castus Rabensang voran gegangenen Aufforderung sich zu besaufen und die Fetzen fliegen zu lassen wurde leider nichts, die Preise für die Getränke ließen nicht mehr als ein Antrinken zu.

Die Spielleute ließen es nicht darauf ankommen, und fegten sofort mit einem Reisser los, der die Stimmung im Raum im nu wieder ansteigen ließ. Feines Schalmeiengedudel und großes Blashorngeschmetter ließen kaum einen in der Halle unberührt, der Rhythmus war unwiderstehlich, mitgehen unmöglich zu verhindern. Dass ich nicht mehr Lieder von ihnen kannte, bereute ich sofort, aber das Ungewisse machte das Konzert umso spannender, während meine Begleiterin vor sich hin grinste.

Der weitere Verlauf des Konzerts war bombastisch, jeder der Bandmitglieder war für sich eine Ein-Mann-Show, und alle zusammen ein fantastischer Anblick. Zum Rhythmus tanzend, mal alleine, mal alle synchron verzauberten die Spielleute das Publikum und ließen es nicht mehr los, seichtes zum Takt bewegen war das mindeste was man als Zuschauer machen konnte, es war relativ egal, ob man sich zum oder gegen den Takt bewegte, Hauptsache man bewegte sich. Das gegen den Takt tanzen war seltsamerweise ziemlich populär im Zuschauerraum, völlig losgelöste Gestalten zappelten völlig gegen den Sinn und trieben mir ein breites Grinsen ins Gesicht, den Vogel schoss jedoch jemand ab, der absolut ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen mit weit ausgebreiteten Armen auf und nieder sprang, und das mit erstaunlicher Ausdauer.
Der Rest der Zuschauer begnügte sich vorerst mit simplen Kopfnicken oder taktvollem mitbewegen, jedoch steigerte sich dies mit der Zeit parallel zu dem Spieltempo von Corvus Corax. Diese ließen sich von ihrer eigenen Musik auch nicht unberührt, schunkelten und wippten heftigst mit dem Rhythmus, und präsentierten mir auf der Bühne eine einfach spektakuläre Bühnenshow, in der eine Band ihre Musik nicht nur abspielt, sondern abfeiert und abtanzt. Dazu trug jeder der Bandmitglieder seinen eigenen Part hinzu, vom herumtänzelnden Teufel, zum manisch lächelnden Kalauer oder dem gutgelaunt um die Bühne springenden Castus Rabensang. Die Percussionabteilung wirbelte auf ihrem eigenen Areal dauernd um die eigene Achse, um die verschiedensten Felle oder Bleche zu bearbeiten, die Abteilung um den Teufel und Rabensang flog quasi zur Melodie auf der Bühne hin und her. Ein fantastischer Anblick.
Dazu kam, dass Rabensang das Publikum völlig im Griff hatte, schnell merkte er, dass es den Text nicht ganz auswendig konnte, und motivierte es zu lauten mitsummen, wobei er sich als Dirigent erstaunlich erfolgreich zeigte, wenn es darum ging, Lautstärke und Tonlage zu beeinflussen.
Obwohl nur knapp 300 Menschen da waren, bebte die Live Music Hall bei den begeisterten Rufen der Zuschauer.
Nachdem CORVUS CORAX anderthalb Stunden NACH der Pause gespielt haben, also eine komplette Spielzeit von etwa 2 Stunden, verabschiedeten sie sich unter dem begeisterten Beifall des Publikums. Eben dieses ließ nicht locker und holte die Band durch beständiges Rufen wieder auf die Bühne, um 3 weitere Stücke zu spielen, bei dem sich die Könige der Spielleute fast verausgabten. Das Farbenspektakel kam auf die Bühne zurück, und es wurde augenblicklich still. Nicht nur ich musste überrascht bemerken dass ich mit weit aufgerissenen Augen und Mund dastand und einfach nur überwältigt staunte.
Nach diesen Drei Stücken machten sich die Spielleute wieder von der Bühne, um augenblicklich wieder durch 300 begeisterte Kehlen wieder zurückgeholt zu werden. Das letzte Stück dieses Abends war etwas ruhigeres, wo jeder der Musiker noch einmal seine Stärken vortragen durfte, ein gewaltiges Stück, ganze 7 Minuten lang.
Diesmal verabschiedete sich die Band für den Rest des Abends, und schickten einen Techniker nach vorne, an den Instrumenten rumzubasteln um zu zeigen dass Schicht im Schacht war.

Ein phänomenales Konzert, was sich schwerlich beschreiben lässt wenn man vorher kaum was von der Band zu hören bekam. Deshalb keine Setlist und keine Songbeschreibung, einfach nur ein Hinweis darauf dass sich hinter CORVUS CORAX eine der besten Livebands der Welt versteckt.

Redakteur:
Michael Kulueke

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