D-A-D und THE HOT DAMN - München
11.12.2024 | 22:4728.11.2024, Backstage - Werk
Gourmet-Hardrock vom Allerfeinsten!
Gegen 18:30 Uhr stehe ich an diesem Donnerstag, dem 28. November 2024 mit Blumi und Bernd, meiner heutigen Fotobegleitung, in der Warteschlange auf dem Gehweg neben dem Backstage in München und huste vor mich hin. Nach dem geilen D-A-D-Konzertspektakel in Kopenhagen hatte mich ausgangs der Folgewoche eine fiese Erkältung gepackt, die sich auch noch ewig zieht. So lutsche ich ein Hustenbonbon nach dem anderen, schwelge in großartigen Erinnerungen an den 01. November in Dänemark, begrüße einige alte Bekannte und warte schlotternd mit meinen Kumpels auf den Einlass. Obwohl mir klar ist, dass der Rahmen heute wieder der übliche eines D-A-D-Konzerts in Deutschland sein wird, also wesentlich kleiner, wollte ich mir die Möglichkeit, die Band dieses Jahr noch einmal zu erleben, trotz leicht angeschlagener Gesundheit nicht entgehen lassen.
Der Einlass erfolgt ziemlich genau um 19:00 Uhr. Innerhalb der nächsten halben Stunde baue ich mir erst einmal etwas zu essen ein, danach stelle ich mich zu den anderen beiden. Bernd checkt schon einmal die Funktionen von Mahonis Fotoapparat, der ihm in ein paar Minuten vorne im Bühnengraben vor THE HOT DAMN gute Dienste leisten wird. Ich sichte kurz den Merch-Stand, die Preise sind ein wenig moderater als in Dänemark, das Angebot allerdings deutlich üppiger: mehr Patches, mehr Shirts, mehr Weihnachtsbaumkugeln (!). Macht sogar Sinn: In der Royal Arena war jeder eigentlich sowieso nur am Event-Shirt interessiert. Das Backstage hat übrigens ausverkauft gemeldet, im Laufe des Abends stellen wir jedoch fest, dass wir alle das Werk schon einmal voller erlebt haben. Egal, wenn es nicht gar so voll gepfercht ist, sind die Konzerte sowieso angenehmer. Es ist nun kurz vor 20:00 Uhr, Bernd stapft in Richtung Fotograben von dannen.
Die vier Britinnen von THE HOT DAMN legen mit ihrem äußerst poppigen Hardrock flott los. In bunten Anzügen und jeden Winkel der Bühne rampensau-like füllend, fokussieren sie so ziemlich jeden Blick im Werk des Backstage ziemlich schnell auf sich. Ja, auch wenn die mitunter am AOR-Hardrock orientierte Musik nicht grundsätzlich meine Sache ist, kann ich mich der druckvollen, augenzwinkernden Darbietung der leidenschaftlich drauflos rockenden Damen von der Insel nicht entziehen. Man bemerkt, dass diese nicht erst seit gestern Instrumente in den Händen halten, der Auftritt ist sehr professionell und man spielt sich in einen kleinen Rausch, so scheint es. Die "heißen Verdammten" haben es schon gut raus, das Publikum für sich zu vereinnahmen, sei es musikalisch, durch ihr energetisches Stage-Acting, oder durch den typischen Lady-Charme, den britische Frauenbands gerne mal auf der Bühne einsetzen. Eine gute Voraussetzung, um nicht ewig Support-Slots auf Touren etablierter Bands annehmen zu müssen.
Gegen die Ansage der Frontfrau, man spiele zum ersten Mal in Deutschland, legt Blumi mir ins Ohr brüllend gleich Veto ein: "Auf dem Sinner-Rock Festival in Altgronau hätten sie doch dieses Jahr schon gespielt." Ein paar Lieder weiter wird dann von der Bühne aus noch ergänzt, dass es gerade das erste Deutschland-Konzert der gemeinsamen Tour mit D-A-D ist. Zwischendurch fällt mir auf, dass die Schlagzeugerin wie ein schlanker, brünetter und besser aussehender Mikky Dee an ihrem Schlagzeug sitzt und ähnlich dem alten Schweden vor sich hin ackert. Der 'Merch Song', in dem schelmisch, geschäftstüchtig und dennoch gut zur Melodie von 'Mercedes Benz' von JANIS JOPLIN gesungen, auf die T-Shirt-Auslage von THE HOT DAMN hingewiesen wird, leitet die letzten beiden recht fetzigen, eigenen Songs der Show ein, namentlich 'Goin Down' und 'I Didn't Like You Anyway', beide vom neuen Album "Dancing On The Milky Way".
Setliste THE HOT DAMN: Fizz Buzz Crash; Dance Around; About Last Night; Jukebox On The Radio; Live Laugh Love; Loud And Clear; Merch Song; Going Down; I Didn't Like You Anyway
Das völlig geniale, dreidimensional wirkende neue Backdrop des aktuellen D-A-D-Albumcovers von "Speed Of Darkness" passt leider nicht vollständig an die Rückwand der Werk-Bühne. Trotzdem, was für eine visuelle Wirkung, ich bin begeistert! Es wird nach einigen Minuten wieder enger um uns herum, das Werk im Backstage ist jetzt prall gefüllt mit vorwiegend älteren und mittelalten Rockfans, Connaisseuren der guten Rockmusik abseits der ganz großen Namen, zu denen unsere vier Helden, außerhalb Skandinaviens zumindest, immer noch nicht gehören. Die Stimmung steigt minütlich, alles strahlt um uns herum. Als endlich das Licht ausgeht ist die Reaktion ähnlich enthusiastisch, wie in der Royal Arena. Die Band startet, nachdem sie sich auf die Bühne quetschen konnte, wieder mit 'Jihad' und los geht's erneut mit einem Abend voller großartiger Rock-Perlen, nein, Rock-Juwelen, oder von mir aus auch beidem, die eigentlich viel mehr Musikfans kennen sollten, wenn es nach mir ginge!
Um es mir einfach zu machen und dabei noch ein paar Klicks für meinen Kopenhagen-Bericht zu generieren: Es gibt 19 Lieder zu hören, also sechs an der Zahl weniger als beim Jubiläumskonzert. So spielt man heute nicht mehr 'Soft Dogs', 'Something Good', 'Call Of The Wild', 'I Won't Cut My Hair', 'Isn't That Wild' und 'Marlboro Man'. Ansonsten ist die Setliste identisch. Die vier Jungs sind vor 800 Leuten genauso motiviert, wie vor 17000 Menschen und es macht auch in diesem Rahmen wieder große Freude, Kracher wie 'Evil Twin', 'Rim Of Hell'. 'Reconstrucdead' und, und, und zu genießen und abzufeiern! Nach seinen drei Liedern im Fotograben stößt auch Bernd wieder zu Blumi und mir, begeistert dem Geschehen folgend. Neu im Vergleich zum Konzert in Dänemark sind natürlich die deutschen Ansagen, die Jesper wie immer unvergleichlich drollig zusammenstammelt.
Eine Dreiviertelstunde weniger Spielzeit als beim Jubiläum, dennoch bringen es die Jungs auf gute 100 Minuten! Das liegt nicht zuletzt auch an den viel üppiger aus Jakobs Gitarre ertönenden, herrlichen Melodie-Soli, die bei kürzerem Set offenbar großzügiger von ihm ausgeschenkt werden. Welch Ohrenschmaus, welch Hörvergnügen, ich bin bei einigen Liedern geradezu hellauf begeistert, was es da wieder Feines zu genießen gibt! Im kleinen Club sieht man natürlich auch die körperliche Anstrengung viel deutlicher, vor allem Stig ackert wieder wie ein Berserker auf seinen selbstgebauten, an Originalität nicht zu überbietenden Zwei-Saitern herum, dass ihm der Schweiß nur so den Körper und die blonde Mähne heruntertropft. Bei der genialen Uralt-"Schote" 'Jonnie', sowie beim Hit 'Riding With Sue', brilliert er zudem gesanglich. Doch auch die anderen drei geben alles, keine Unterschied zur großen Bühne und zum großen Publikum.
Der Sound ist hingegen etwas "clubbiger", bassiger, lauter, ein klein wenig unausgegorener. Dazu muss ich aber schon erläutern, dass der am 01. November 2024 gebotene Klang in der Royal-Arena als "vom Feinsten", sozusagen mit "Ado-Goldkante" zu bezeichnen war. Dennoch ist der heutige Sound für die Location-Größe gut, teils sehr gut und wir freuen uns weiterhin über die tollen Lieder. Ja, auch die neuen Songs passen hervorragend in die Setliste. Von den weiterhin fünf gespielten Liedern des aktuellen Albums "Speed Of Darkness" gefallen mir die poppige Rocknummer 'Keep That Mother Down' und auch der deutlich AC/DC huldigende Boogie 'God Prays to Man' derart gut, dass ich mir beide nach dieser Album-Promotion-Tour weiterhin in der Setliste vorstellen kann. Nach einem identischen Zugabenteil mit eben letztgenannter Nummer, 'Sleeping My Day Away', 'Laugh 'N' A 1/2' und dem obligatorischen 'It's After Dark' - die letzteren drei diesmal nur mit deutscher Mitsing-Begeisterung und ohne aus voller Brust alles gebende dänische Fischer-Chöre - ist das erneut sehr schöne Konzert zu Ende. Immer wieder gerne!
Setliste D-A-D: Jihad; Evil Twin; 1st, 2nd & 3rd; Rim Of Hell; Point Of View; The Ghost; Grow Or Pay; Jonnie; Riding With Sue; Speed Of Darkness; Keep That Mother Down; Reconstrucdead; Everything Glows; Monster Philosophy; Bad Craziness; Zugaben: God Prays To Man; Sleeping My Day Away; Laugh 'n' A 1/2; It's After Dark
Das Backstage ist ziemlich aus dem Häuschen muss ich zugestehen. Damit hatte ich in dieser Begeisterungsstärke gar nicht gerechnet. Überhaupt freue ich mich derzeit sehr darüber, dass D-A-D offenbar in Deutschland etwas an Popularität zugelegt hat, wie diese mancherorts ausverkaufte Tour beweist. Sofort nach dem Erstrahlen des Hallenlichts im Werk erinnert mich mein Husten daran, dass er auch noch da ist und wird prompt mit einem Bonbon beruhigt. Wir stapfen sogleich zum Auto und düsen auf die Autobahn, schließlich ist morgen Freitag, und wir müssen alle drei leider arbeiten.
Bericht: Timo Reiser
Photo-Credit: Bernd Scheifale
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- Timo Reiser