DEEP PURPLE und JEFFERSON STARSHIP - Mannheim
08.11.2024 | 10:3722.10.2024, SAP Arena
Wenn Rocklegenden für richtig gute Stimmung sorgen.
DEEP PURPLE auf "= 1"-Tour, passend zum gleichnamigen Album. Ich gebe es zu, als klar ist, dass ich diese Kultband tatsächlich live sehen werde, steigt die Aufregung und Nervosität doch ein wenig an. Noch dazu, wo ich vom neuen Album "= 1" ziemlich angetan bin. Nun kann ich also etliche Songs daraus live erleben.
Als Support ist JEFFERSON STARSHIP dabei, die Band ist unter diesem Namen auch schon 50 Jahre zusammen. In ihrer wechselvollen Geschichte hieß sie mal JEFFERSON, mal JEFFERSON AIRPLANE, die es sogar noch länger gibt. Das ist übrigens irgendwie auch der Name, unter dem sie bei mir abgespeichert ist.
Doch vor dem Konzert kommt die Anfahrt nach Mannheim, meinem absoluten Endgegner, die Stadt der Quadrate des Todes... und die Autobahn dorthin. Ohne Stau dorthin zu kommen, ist immer ein Glücksspiel. Dieses Mal haben wir gewonnen, sind überpünktlich vor Ort und haben nach einiger Sucherei auch den Ort gefunden, an dem unsere Karten auf uns warten. Jetzt muss ich sofort einmal ein Loblied auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arena singen. So zuvorkommend, hilfsbereit und kompetent sind wir - und soweit ich das sehen konnte, auch alle anderen Besucher - selten behandelt worden. Irgendwie haben alle ein Lächeln im Gesicht und ein freundliches Wort auf den Lippen.
Wir müssen uns noch etwas gedulden, bis uns die Pressedame abholt und vor die Bühne geleitet. Dann entführt uns JEFFERSON STARSHIP mit neun Songs ganz tief in die Zeit von Ende der sechziger bis zum Ende der achtziger Jahre. Ich gestehe, dass ich jetzt mit der Bandgeschichte nicht so richtig vertraut bin, aber bei einigen Songs werden doch direkt Erinnerungen wach. Insbesondere natürlich bei 'Nothing's Gonna Stop Us Now' und 'We Built This City'. Offensichtlich nicht nur bei mir, denn ich sehe in meinem näheren Umfeld viele textsichere Besucher und viele mit einem Grinsen im Gesicht.
Ein bisschen lustig ist es ja schon, wenn JEFFERSON STARSHIP einige Songs der eigenen Vergangenheitsbands covert. Aber das ist der guten Laune nicht abträglich und ich erwische mich, wie ich zumindest bei den beiden schon genannten Songs auch fröhlich mitsinge. Ja, es macht Spaß, in diesem Fall zu den "Oldies" zu gehören. Apropos "Oldies": Ich möchte hier mal erwähnen, dass Ur-JEFFERSON-Gitarrist David Freiberg mittlerweile 86 Jahre alt ist! Das nötigt einem schon sehr großen Respekt ab. Dem Gitarrenspiel und auch dem Gesang merkt man davon nichts an. Obwohl das Publikum ordentlich mitgeht, werde ich trotzdem das Gefühl nicht los, dass alle eigentlich nur auf den Headliner des Abends warten. Aber natürlich wird JEFFERSON STARSHIP mit dem gebührenden Applaus verabschiedet. Auf jeden Fall sorgt die Band schon einmal für einen gelungenen Start in den heutigen Abend.
Setliste: Find Your Way Back; Stranger; Sara (STARSHIP cover); Nothing's Gonna Stop Us Now (Albert Hammond cover); Miracles; White Rabbit (JEFFERSON AIRPLANE cover); We Built This City (STARSHIP cover); Jane; Somebody To Love (The GREAT SOCIETY cover)
Dann heißt es wieder, ein bisschen warten, bis es endlich soweit ist. Riesige Video-Bildschirme mit "= 1" und anderen Logos kündigen unübersehbar an, wer gleich auf der Bühne stehen wird: DEEP PURPLE. Sobald das Intro 'Mars, The Bringer Of War' ertönt, bricht lautstarker Jubel los und die Musiker betreten die Bühne. Übrigens, um das schon einmal vorwegzunehmen, die Video-Bildschirme und die Lichtshow sind einfach genial und geben dem Auftritt den letzten Schliff und dem Publikum beste Einblicke in das Geschehen, insbesondere, was sich beim Keyboard so tut! Aber dazu später mehr.
Endlich ertönt das erste Riff und die sprichwörtliche Luzi geht ab! Als dann Mr. Gillan auf der Bühne erscheint, eskaliert das Publikum noch etwas mehr und der 'Highway Star' von 1972 nimmt Fahrt auf. Es ist unfassbar, mit welcher Kraft, ja Wucht DEEP PURPLE diesen Abend eröffnet. Es geht nahtlos in 'A Bit On The Side' über, einer der sechs Songs aus dem neuen Album, die die Band heute Abend zum Besten gibt. Anschließend werden wir direkt wieder ins Jahr 1970 und 'Into The Fire' katapultiert – wir erinnern uns an das Album "Deep Purple in Rock"? Hier zeigt Ian Gillan, was stimmlich auch mit 79 (!) Jahren noch immer in ihm steckt. Unfassbar. Genau so sieht es auch das Publikum, das direkt wieder einen riesigen Applaus spendet.
Der Applaus erstreckt sich auch auf Gitarrero Simon McBride, quasi das Küken in der Band, der ein Gitarrensolo zum Niederknien hinlegt und dabei wirklich frenetisch vom Publikum gefeiert wird. Auch dafür liebe ich die übergroßen Videowände, weil man da seine Fingerfertigkeit extrem gut beobachten kann. Während 'Uncommon Man' als eine Hommage an Jon Lord gedacht ist, kann ich auch zum ersten Mal richtig bewundern, was Don Airey mit seinem Keyboard anstellt.
Schön, dass es auch einer meiner Lieblingssongs vom neuen Album nach Mannheim geschafft hat: 'Lazy Sod'. Hier MUSS ich einfach die kleine Anekdote einfügen, wie es angeblich zu diesem Song kam.
Auf die Entstehung des Songs angesprochen, erklärte Frontmann Ian Gillan in einem Interview (Zitat): "Kürzlich fragte mich eine junge deutsche Journalistin, wie viele Songs ich denn wohl geschrieben hätte in meinem Leben. Ich antwortete: Das letzte Mal, als meine Sekretärin vor zwanzig Jahren gezählt hat, waren es über 500. Ich war selbst ein bisschen beeindruckt von mir und dachte: Gar nicht schlecht. Und dann sagte sie nur, Dolly Parton hätte über 5.000 geschrieben. Dazu meinte die Journalistin: Dann bist Du also ein fauler Sack ("lazy sod"). Ich habe höflich zugestimmt und dieses Erlebnis sofort in meinem Notizbuch festgehalten." (ROCKS, Juni 2024)
Auch wenn ich der Sache mit dem faulen Sack nicht zustimme, ist es doch schön, dass daraus so ein toller Song entstanden ist. Aber zurück zum Auftritt. Mit 'Now You're Talkin' darf dann weiter fetzig abgerockt werden, bevor ein Highlight kommt, das ich so nicht auf dem Schirm hatte: ein Keyboard-Solo von Don Airey!
Ich liebe Instrumental-Soli, insbesondere Drum-Soli. Aber das, was Don Airey hier und heute abliefert, ist einfach nur... WOW! So sieht es auch das Publikum, das wieder einmal frenetisch applaudiert und herzhaft lacht, als sich Don mitten im Spiel mit einem kleinen Schlückchen Wein stärkt. Nun ja, mit 76 ist das meiner Ansicht nach völlig in Ordnung. Anschließend geht es mit 'Lazy' und 'When A Blind Man Cries' wieder in die 1972er "Machine Head"-Zeit zurück, bevor es mit 'Portable Door' einen weiteren Knaller aus dem neuen Album gibt. Angekündigt wird der Song von einem gut gelaunten, schelmisch grinsenden Ian Gillan, der uns darüber aufklärt, welche Erfindungen er schon im Laufe seines Lebens gemacht hat. Dabei spielen ein Banküberfall ("I was short of money") und der Besuch eines Bordells ("for obvious reasons") eine Rolle. Dies hat ihn dazu inspiriert "the portable door" zu erfinden. Ich kann da nur sagen: sehr zu unserer Freude. Seine Erklärungen lösen naturgemäß bei den Besuchern größeres Gelächter aus. Übrigens mein zweiter Lieblingssong.
Nicht ganz so weit zurück, nämlich nur ins Jahr 1993, führt uns die Geschichte von 'Enya', bei der Ian gesangstechnisch wieder richtig brilliert und das Publikum erneut zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Die direkt weitergehen, weil Don Airey sein Können noch einmal mit einem weiteren Keyboard-Solo zeigen kann. Ja, auch da starre ich wieder fasziniert auf die Videowand, damit mir ja keine Aktion der Flitzefinger entgeht. Er leitet dann auch gleich sehr spektakulär das rasante 'Bleeding Obvious' vom neuen Album ein, das live noch einmal in einer ganz anderen Dimension, mit einem ganz anderen "Drive" daherkommt. Dass er noch ganz viel Luft in den Lungen hat, beweist Ian bei 'Space Truckin', auch so ein "Oldie-but-Goldie-Stück". Die Show neigt sich langsam ihrem Ende zu, aber Ermüdungserscheinungen sind bei den Protagonisten auf der Bühne nicht zu merken.
JETZT ist er endlich da, DER Moment, auf den mit Sicherheit alle hingefiebert haben, DIE DEEP PURPLE-Hymne schlechthin: 'Smoke On The Water'! Ja, ich gebe es gerne zu, auch für mich ist das ein Highlight, endlich mal das Original vom Original gespielt, nein zelebriert, zu hören! Es ist mein erstes und vermutlich gleichzeitig mein letztes DEEP PURPLE-Konzert und ich verspüre tiefe Dankbarkeit, diese Ikone wirklich einmal leibhaftig sehen zu können. Natürlich werden weder die Band, noch wir enttäuscht. Kaum sind die ersten Akkorde zu hören, tobt die Arena und es wird beim Mitsingen richtig laut! Gänsehautfeeling pur!
Leider läutet der Rauch auch das Ende des Konzerts ein. Naja, fast, immerhin gibt es noch drei Zugaben. Eingeleitet wird der Dreierblock vom rockigen 'Old‐Fangled Thing', ebenfalls vom neuen Album, und einem strahlenden, gut gelaunten Ian Gillan. Dann gibt es natürlich noch das JOE SOUTH-Cover von 'Hush' auf die Ohren, das mit einem irren Schlagabtausch zwischen Keyboard und Gitarre aufwartet, ebenfalls erfreut, lautstark vom Publikum begleitet wird und auch mich richtig begeistert. Als unweigerlich letzter Titel steht 'Black Night' auf dem Plan und ein großartiger Konzertabend geht zu Ende.
Wer jetzt denkt, da fehlen doch noch zwei Namen, der hat natürlich recht. Da gibt es selbstverständlich noch Mr. Ian Paice, der einen fantastischen Job am Schlagzeug macht und leider das Los der meisten Schlagzeuger teilt, eigentlich nur zu hören zu sein. Außer, wenn er groß auf die Videowand projiziert wird. Von ihm bin ich natürlich genauso beeindruckt wie von Bassmann Roger Glover. Der ist natürlich nicht "versteckt", sondern sehr unaufgeregt-präsent, hat praktisch den ganzen Abend ein strahlendes Lächeln im Gesicht und erscheint mir ein bisschen wie der ruhende Pol der Truppe. Wobei er allerdings nicht wirklich ruhig agiert. Auch an ihn geht ein ganz großes Lob. Noch ein Wort zu Simon McBride und seinem Gitarrenspiel. Da ich keinen seiner Vorgänger live gesehen habe, kann ich nicht beurteilen, ob und was er eventuell anders macht. Dass er ein Könner an den Saiten ist, steht für mich allerdings außer Frage. Auch von ihm bin ich schwer beeindruckt.
Ein fantastischer Abend mit vielen Höhepunkten ist zu Ende, die Menschen verlassen nur langsam die Arena, sind in Gespräche vertieft und ich sehe überall strahlende Gesichter. Die Songauswahl hat überzeugt, die Band ebenso und ich? Ich bin rundum glücklich! Für den Fall, dass DEEP PURPLE nochmal auf Tour geht, hoffe ich, dass ich wieder die Gelegenheit habe, dabei zu sein.
Setliste: Intro: Mars, The Bringer Of War (GUSTAV HOLST song); Highway Star; A Bit On The Side; Into The Fire; Guitar Solo (Simon McBride); Uncommon Man (dedicated to Jon Lord); Lazy Sod; Now You're Talkin'; Keyboard Solo (Don Airey); Lazy; When A Blind Man Cries; Portable Door; Enya; Keyboard Solo; Bleeding Obvious; Space Truckin'; SmokeOn The Water; Zugaben: Old‐Fangled Thing; Hush (JOE SOUTH cover); Black Night
Text und Fotocredit: Hanne Hämmer
- Redakteur:
- Hannelore Hämmer