DEF LEPPARD und MÖTLEY CRÜE - München
06.06.2023 | 17:2427.05.2023, Königsplatz
DEF LEPPARD und MÖTLEY CRÜE haben den Münchener Königsplatz gerockt.
Hallo und Grüße aus München. Normalerweise stehe ich hauptsächlich im Fotograben und versuche den einen oder anderen Künstler ins rechte Licht zu rücken. Aber an diesem sonnigen Samstag ist das anders. Vor fast 40 Jahren habe ich DEF LEPPARD zum ersten Mal live erlebt. Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass das ZDF im Rahmen der Reihe "Rock Pop in Concert" eine "Heavy Metal Night" aufzeichnete und später ausstrahlte. Im Dezember 1983 gaben sich in der Dortmunder Westfalenhalle 1 Bands wie IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, SCORPIONS und eben DEF LEPPARD die Klinke in die Hand. Der öffentlich-rechtliche Sender hat im Februar 1984 eine vierstündige Zusammenfassung gesendet. Auf einer bekannten Videoplattform sind diese zeitgeschichtlichen Dokumente noch zu finden. Keine Frage also, dass ich diese Band unbedingt noch einmal live sehen muss.
Natürlich habe ich die Band im Laufe der Jahrzehnte hin und wieder gesehen, aber diese Möglichkeit wird mit zunehmendem Alter der Protagonisten immer seltener. Zu viele gute Musiker sind entweder nicht mehr unter uns (Lemmy, Ronnie) oder können wie Ozzy aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr touren. Also heißt die Devise: mitnehmen, was noch geht. So landen die Tickets schnell im Einkaufskorb, selbst die 152 Euro für den Bereich "Front of Stage 1" direkt vor der Bühne schrecken mich nicht ab. Normalerweise verfluche ich diese Preisgestaltung und die Aufteilung des Innenraumes in verschiedene Bereiche. Aber okay, einmal... Nennt mich scheinheilig.
Ungefähr 14406 Tage später stehe ich also auf dem Münchener Königsplatz, um einige Idole meiner Jugend wieder zu sehen. Da die Show laut Ticket um 18:30 Uhr beginnen soll, bin ich gegen 16:00 Uhr am Einlass. Reibungslos und zügig geht es auf das Open-Air-Gelände der bayerischen Landeshauptstadt. Schnell wird klar, dass ich mit meinen 56 Jahren nicht der Älteste im weiten Rund bin. Viele der anwesenden Metalheads sind längst im Rentenalter. Drei Generationen wollen hier heute eine geile Party feiern.
Ein befreundeter Fotograf schickt mir die Running Order. Was auf dem Ticket als Beginn aufgedruckt ist, entpuppt sich als Warm-up-Show einer DJane, die versucht, die Menge auf Betriebstemperatur zu bringen. Bei den sommerlichen Temperaturen komme ich auch ohne Einheizen auf Betriebstemperatur und beschließe, mich ein wenig umzuschauen und mir ein kühles Getränk zu holen.
Letzteres erweist sich als schwieriges Unterfangen. Am ersten Bierstand geht die Kohlensäure aus und keiner der dort Arbeitenden scheint eine Idee zu haben, wie man das Problem lösen könnte. Nach 20 Minuten gebe ich auf und suche mir eine andere Quelle, wo ich dann über eine Stunde auf ein Bier warte. Da ich mir dieses Theater kein zweites Mal antun will, bestelle ich statt einer halben gleich die doppelte Menge. Durfte ich vor ein paar Wochen bei SABATON in der Olympiahalle noch 6 Euro für 0,5 Liter hopfenhaltiges Getränk bezahlen, liegt der Preis heute noch 50 Cent höher. Nach oben sind den Preisen offensichtlich keine Grenzen gesetzt.
Meine Stimmung ist etwas gedrückt. Das ändert sich auch nicht, als ich die Preise am Merchstand sehe. Shirt: 45 Euro, Bandana: 20 Euro, Tourposter: 40 Euro, dasselbe mit Autogrammen: 80 Euro. Sorry, aber wo soll das noch hinführen? Klar, alles wird teurer und von den Plattenverkäufen können die Bands schon lange nicht mehr leben. Aber das Ganze nimmt Ausmaße an, die sehr bedenklich sind.
Genug gegrollt, Zeit für MÖTLEY CRÜE. Zugegeben, die amerikanische Glam-Metal-Band ist bei mir eigentlich immer unter dem Radar geflogen und konnte mich nicht wirklich begeistern. Dennoch liefert das Quartett um Sänger Vince Neil in München eine ordentliche Show ab und begeistert die anwesenden Fans. Bis auf Drummer Tommy Lee nutzt die Band die riesige Bühne komplett für sich und lässt sich immer wieder auf dem weit in den Innenraum ragenden Laufsteg blicken. Der erst in diesem Jahr hinzugekommene Gitarrist John 5 fügt sich perfekt in die Truppe ein und harmoniert hervorragend mit Bassist Nikki Sixx.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bands nutzt MÖTLEY CRÜE die Tour nicht, um ein aktuelles oder kommendes Album zu promoten. Kein Wunder, schließlich ist der letzte Longplayer "Saints Of Los Angeles" bereits 2008 erschienen. Folgerichtig kündigt Neil unter großem Jubel an, dass es an diesem Abend viel "old shit" geben wird. Songs wie 'Girls, Girls, Girls' und 'Shout At The Devil' werden lauthals mitgesungen. Das "Best-of" aus bisher neun veröffentlichten Alben trifft den Nerv des Publikums.
Doch auch für das Auge wird einiges geboten. Neben den beiden spärlich bekleideten Damen, die MÖTLEY CRÜE mit Backing Vocals unterstützen, werden auf den großen Leinwänden zahlreiche Videoeinspielungen mit Live-Aktionen von der Bühne gemischt. Einzig die Beleuchtung verfehlt angesichts der frühen Stunde ihre Wirkung. Alles in allem eine gute Show, die nach insgesamt 16 Songs endet und eine glückliche Fanschar in die Pause schickt.
Der Countdown auf der Leinwand zeigt an, dass die Show von DEF LEPPARD in fünf Minuten beginnt. War der "FOS 1"-Bereich bei MÖTLEY CRÜE schon nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, tun sich beim zweiten Act noch weitere Lücken auf. Mir kann es recht sein, habe ich doch so ordentlich Bewegungsfreiheit und eigentlich durchgehend einen hervorragenden Blick auf die Bühne.
Zu 'Take What You Want' aus dem aktuellen Album "Diamond Star Halos" betritt das britische Quintett endlich die Bühne. Zwar ist der Song noch nicht unbedingt ein Gassenhauer, aber die Vorfreude auf das, was noch kommen mag, steigt schon jetzt ins Unermessliche. Sänger Joe Elliott beweist bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, dass er stimmlich verdammt gut drauf ist. Nach einer kurzen Begrüßung geht es mit 'Let's Get Rocked' und 'Animal' weiter. Immer wieder sorgen zahlreiche Animationen und Bilder aus der frühen DEF LEPPARD-Ära auf den Leinwänden für Aha- und Gänsehautmomente.
Mit Vollgas geht es durch die Setlist. Sowohl die Band als auch das Publikum zeigen sich von ihrer besten Seite. Es wird mitgesungen und mitgeklatscht, alle sind bestens gelaunt und haben eine Menge Spaß. Mit 'Love Bites' gibt es die erste Verschnaufpause des Abends. Inzwischen ist es dunkel geworden und das Licht sorgt zusammen mit den eingesetzten Lasern für eine tolle Atmosphäre auf dem Münchener Königsplatz. Die Saitenspieler Phil Collen, Vivian Campbell und Rick Savage können auch stimmlich überzeugen. Immer wieder unterstützen sie Elliott mehrstimmig bei den Refrains. Der sehr gute Sound vor Ort trägt zum positiven Gesamtbild bei.
Mit 'This Guitar' vom aktuellen Album gibt es eine weitere Ballade. Vier Mikrofonständer sind auf der Bühne aufgebaut und bis auf Drummer Rick Allen wird der Song von allen Musikern gesungen. Die hier gespielte Version, bei der auch der Leadsänger Gitarre spielt, ist definitiv ein Highlight des Abends.
Aber auch Allen hat "seinen" Moment. Zu 'Switch 625' legt er ein Drumsolo vom Feinsten aufs Parkett. Wenn man bedenkt, dass der Schlagzeuger 1984 bei einem Unfall seinen linken Arm verlor und vieles am Drumset mit den Füßen ausgleicht, ist diese Leistung nicht hoch genug einzuschätzen. Immer wieder zeigen Videos auf den Screens die enorme Beinarbeit, die Rick an unzähligen Pedalen leistet. Den anschließenden tosenden Applaus hat er sich mehr als verdient.
Mit 'Hysteria' biegt DEF LEPPARD langsam aber sicher auf die Zielgerade ein. In der XL-Version des Songs geben die Fans noch einmal alles und singen lauthals mit, was Elliott ihnen vorgibt. In der Hoffnung, dass dies nicht der letzte Auftritt der Band sein wird, den ich miterleben darf, wird ein wenig Wehmut verdrängt und weiter gefeiert. Eines steht jetzt schon fest: Dieser Abend wird nicht nur mir im Gedächtnis bleiben.
'Rock Of Ages' und 'Photograph' setzen dann den Schlusspunkt unter ein Konzert, das noch Stunden hätte dauern können. Unter tosendem Applaus verabschiedet sich die Band aus München, die sicher jederzeit wieder herzlich willkommen ist. Mit vielen Eindrücken und Erinnerungen endet auch für mich der Abend und es geht durch die mittlerweile kühle Nacht Richtung Heimat. Im Auto läuft natürlich DEF LEPPARD.
- Redakteur:
- Andre Schnittker