DESERTED FEAR, KVAEN, FALL OF SERENITY und MESSTICATOR - Hannover
19.05.2025 | 16:2629.04.2025, Musikzentrum
Kein gewöhnlicher Dienstag ...
DESERTED FEAR entwickelt sich kontinuierlich weiter – nicht nur musikalisch, sondern auch hinsichtlich ihrer Reichweite und Bühnenpräsenz. Man spürt förmlich, dass der nächste große Schritt bevorsteht. Deshalb mein dringender Rat an alle Fans: Wenn ihr die Thüringer Ausnahmetalente noch einmal in einer vergleichsweise intimen Clubatmosphäre erleben wollt, solltet ihr euch sputen. Die Gelegenheit dazu könnte schon bald rar werden. Ein deutliches Indiz dafür: Der heutige Auftritt im MusikZentrum Hannover – eine Location, die schon zur gehobenen Clubliga zählt. Obwohl es "nur" ein Dienstagabend ist, ist der Saal überraschend gut gefüllt. Zwar nicht restlos ausverkauft oder bis zur Schmerzgrenze überfüllt, aber im Vergleich zu kleineren Venues, wie der Goldgrube in Kassel, zeigt sich hier ein klarer Sprung nach vorn. DESERTED FEAR ist auf dem besten Weg, sich aus dem Underground zu verabschieden und größere Bühnen zu erklimmen.
Bevor die Hauptband jedoch das Ruder übernimmt, gehört die Bühne zunächst MESSTICATOR. Die Nachwuchstruppe aus Hamburg eröffnet den Abend pünktlich und mit spürbarem Enthusiasmus. Für gut 30 Minuten bringen die Jungs eine ordentliche Mischung aus modernem Thrash- und Death-Metal auf die Bretter. Ziemlich energiegeladen, roh und direkt.
Auch wenn das Songwriting noch nicht ganz auf dem Niveau von den ersten Schritten von DESERTED FEAR rangiert, schaffen sie es dennoch, das Publikum in Bewegung und die Nackenmuskulatur auf Temperatur zu bringen. Natürlich ist da noch Luft nach oben – etwa in Sachen Bühnenpräsenz und Spielfluss. Zwischen den Songs schleichen sich immer wieder etwas zu lange Pausen ein, die der Dynamik des Sets einen kleinen Dämpfer verpassen. Eine gewisse Nervosität ist spürbar, aber absolut nachvollziehbar und keineswegs untypisch für junge Bands auf dem Weg nach oben. Wenn MESSTICATOR an diesen Stellschrauben arbeitet, steht ihr eine spannende Zukunft bevor. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden.
Setliste: Cvltkiller; Iron Messiah; One Shot Kill; High Ground; Unmask The Hypocrisy; The Tyrants Scepter
(Stefan Rosenthal)Nachdem die Hamburger Death Metaller MESSTICATOR das Feld geräumt und bei mir einen durchweg positiven ersten Eindruck hinterlassen hat, kommt mit FALL OF SERENITY die erste mir bekannte Band auf die Bühne. Nachdem ich die Jungs aus Thüringen und Sachsen bei der "Back To Times Of Splendor 20th Anniversary Tour" von DISILLUSION fotografiert habe, läuft der eine oder andere Song von ihnen regelmäßig bei mir auf den Kopfhörern. 2024 gab es jedoch leider in Leipzig ein paar technische Schwierigkeiten, weshalb nun für mich der erste vollständige Auftritt zu erwarten ist. Bei vier Bands am Abend sind die Timeslots eng getaktet und es geht Punkt 19:45 Uhr mit 'To Tear The Flesh' aus dem aktuellen Langspieler "Open Wide, O Hell" (von 2024) los.
Man merkt sofort, dass die Truppe echt Bock hat und hier das Publikum nicht geschont werden soll. Auf der Bühne ist auch ständig Bewegung und den Gästen in Hannover wird wirklich eine klasse Show geboten. Bedauerlicherweise sind diese aber noch relativ verhalten, was die Tanzbereitschaft angeht. An FALL OF SERENITY kann es nicht liegen, denn die geben wirklich alles. Einzig der Sound wirkt für mich etwas fad und zu flach. Da habe ich ihre Songs in Leipzig wesentlich druckvoller in Erinnerung und finde es schade, dass diese hier nicht so aus den Boxen kommen, wie sie es verdient hätten.
Nach 'Reaction' und 'I Don't Expect I Shall Return' kommt auch schon das erste große Highlight des Tages für mich: Die Ankündigung von 'Darkness, I Command'. Der Song ist nicht nur ein Brett, sondern für mich auch das Zugpferd der Band. Den fehlenden Druck aus den Lautsprechern kann man zwar nicht ersetzen, aber jetzt kommt auch im Publikum Bewegung ins Spiel. Sauber, was die Truppe um Frontmann John Gahlert hier auf die Bühne zaubert. Dieser schreit sich die Seele aus dem Hals und schafft es dabei stets, ein Lächeln in die Masse zu senden, was ich rein motorisch schon schwierig finde. Aber vielleicht ist es auch die Vorfreude, denn ihn werden wir heute noch einmal, an anderer Stelle, zu sehen bekommen.Musikalisch bleiben wir, bis auf 'Récreation' und 'Knife To Meet You' (beide vom Album "The Crossfire", von 2007) hauptsächlich beim aktuellen Album "Open Wide, O Hell" und so bildet 'Knife To Meet You' einen klasse Abschluss. Mit dem heutigen Auftritt hat die Band FALL OF SERENITY nicht nur gezeigt, dass sie live echt Spaß macht, sondern auch jede Menge zusätzliche Sympathiepunkte bei mir einfahren können.
Setliste: To Tear The Flesh; Récreation; I Don't Expect I Shall Return; Darkness, I Command; ... But Grim Will Follow; I Am The End; Knife To Meet You
(Norman Wernicke)Nimmt man das Wort des heutigen Main-Acts für bare Münze, dann verlief die Entdeckung von KVAEN denkbar unspektakulär: einfach mal gegoogelt und aufgrund der beeindruckenden Songqualität prompt als Support-Act verpflichtet. Doch gegen eine solch pragmatische Herangehensweise lässt sich wahrlich nichts einwenden. Im Gegenteil: Der Blackened Death Metal des schwedischen Ein-Mann-Projekts fügt sich nicht nur nahtlos ins Gesamtbilling des Abends ein, sondern überzeugt auch auf ganzer Linie. Spätestens mit dem aktuellen Album "The Formless Fires" hat sich KVAEN ein dickes Ausrufezeichen in der Szene gesetzt. Ein Werk, das in Sachen Qualität, auch bei wiederholtem Hören in Vorbereitung für den Abend, keinerlei Zweifel aufkommen lässt.
Zwar ist Mastermind Jacob Björnfot eindeutig im Black Metal verwurzelt, doch beweist er ein feines Gespür dafür, wie man selbst in düster-harschen Klanglandschaften Atmosphäre und Melodie miteinander verwebt. Besonders im Midtempo-Bereich gelingt es ihm, kraftvolle Riffs und eingängige Leads zu kombinieren, ohne dabei auch nur in die Nähe von Beliebigkeit oder gar Poppigkeit zu geraten – eine seltene Fähigkeit, die in diesem Genre Gold wert ist und perfekt zum aktuellen Soundgewand von DESERTED FEAR 2.0 passt.
Die Chemie auf der Bühne stimmt, und das spiegelt sich auch im Publikum wider. Die Stimmung im Musikzentrum ist inzwischen weit über dem Siedepunkt. Man spürt förmlich, dass einige Anwesende explizit wegen KVAEN angereist sind und diese sorgen gleich zu Beginn für das nötige Feuer, das sich rasch auf den gesamten Saal überträgt. Besonders bemerkenswert ist dabei die ausgewogene Songauswahl. Neben drei Stücken vom aktuellen Longplayer finden auch ältere Tracks aus den ersten beiden Alben ihren Weg ins Set. Eine echt klug gewählte Mischung aus melodisch packenden Midtempo-Hymnen und infernalischen Black-Metal-Attacken aus der Frühphase des Projekts. Diese stilistische Bandbreite verleiht dem Auftritt eine angenehme Dynamik und hält das Publikum bei Laune. Hervorzuheben sind zudem die präzise gesetzten Gitarrensoli, die mit technischer Finesse und emotionalem Tiefgang gleichermaßen glänzen. Sie sorgen nicht nur für wohlverdienten Szenenapplaus, sondern heben das Songmaterial noch einmal auf ein neues Level.
Wenn ihr mich fragt, kann die Reise für KVAEN nur in eine Richtung weitergehen: Der nächste logische Schritt ist eine eigene Headliner-Tour. Und die hätte sich dieses Projekt, nach einem solch eindrucksvollen Auftritt, mehr als verdient.
Setliste: Sulphur Fire; Tornets sång; In Silence; The Ancient Gods; The Formless Fires; The Funeral Pyre; Ensamvarg; Revenge by FireAuch DESERTED FEAR hat sich sichtlich Gedanken darüber gemacht, wie sie ihr Set dramaturgisch sinnvoll und musikalisch spannend gestalten und trifft damit ebenso ins Schwarze wie ihr heutiger Support. Jedes bisher veröffentlichte Album findet Berücksichtigung, was nicht nur die langjährigen Fans freut, sondern auch ein Gefühl von Kontinuität und Wertschätzung erzeugt. Besonders auffällig ist dabei, wie harmonisch sich die deutlich melodischeren Songs des aktuellen Albums "Veins Of Fire" in das Gesamtbild einfügen. Sie wirken keineswegs wie stilistische Ausreißer oder notwendiges Übel, sondern präsentieren sich vielmehr als dramaturgisch klug gesetzte Highlights innerhalb eines sehr ausgewogenen und dynamischen Programms. Ein Paradebeispiel für diese nahtlose Verzahnung ist die Kombination aus dem wuchtigen 'Follow The Light That Blinds', das nahtlos in das ungleich kantigere 'Blind' übergeht. In solchen Momenten darf man den Thüringern ruhig ein gewisses Maß an schelmischem Spieltrieb unterstellen und dieser augenzwinkernde "Lausbubenfaktor" zieht sich angenehm durch das gesamte Set und macht einen Teil des Live-Reizes von DESERTED FEAR aus.
Wenn im großen Finale schließlich der Titeltrack 'Veins Of Fire' Seite an Seite mit dem brachialen 'Bury Your Dead' vom Debütalbum "My Empire" das Publikum durchschüttelt, dann wird endgültig klar: Hier geht es nicht um kommerzielle Anbiederung oder stilistische Selbstaufgabe, sondern um eine authentische Weiterentwicklung, die den Wurzeln des Death Metal verpflichtet bleibt. Die Band bleibt sich selbst treu, ohne auf der Stelle zu treten und genau diese Balance gelingt nur wenigen. Es ist ein natürlicher Reifungsprozess, dem man gerne folgt.
Klanglich erinnert die neue Ausrichtung weniger an die Melodien von IN FLAMES zur "Colony"-Ära (nicht, dass das per se schlecht wäre), sondern eher an die episch angehauchte Wucht der Frühwerke von AMON AMARTH, jedoch mit deutlich eigenständiger Handschrift, versteht sich. Und selbst wenn man dem neueren Material zunächst skeptisch gegenüberstehen sollte: spätestens live zünden die Tracks gewaltig. Die durchdachte Setliste hebt auch ältere, härtere Kaliber wie 'The Carnage' oder 'Wrath On Your Wound' zusätzlich hervor und verleiht ihnen im neuen Kontext frische Schlagkraft.
Dass die Band den Wandel ernst meint und konsequent verfolgt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass man sich trotz der Tatsache, dass viele Gäste "Veins Of Fire" noch gar nicht vollständig verinnerlicht haben dürften, gleich für vier Songs aus dem aktuellen Werk entschieden hat. Das zeugt von Überzeugung und funktioniert. Besonders 'At The End Of Our Reign' entpuppt sich als hinterhältiges Hit-Monster, das selbst zurückhaltende Zuschauer mitreißt. Da sind sich dann tatsächlich alle einig.Und bei all der musikalischen Klasse muss man es eigentlich gar nicht mehr extra betonen, aber ich tue es trotzdem: DESERTED FEAR gehört nach wie vor zu den sympathischsten, bodenständigsten und auf ihre verschroben-humorvolle Weise unterhaltsamsten Bands des härteren Metal-Sektors. Es gibt wirklich nur wenige Acts, bei denen die Pausen zwischen den Songs genauso viel Freude bereiten wie die Songs selbst. Mir fällt da auf Anhieb nur OPETH ein. Also bitte – behaltet euch diesen Spirit, diesen ganz eigenen Charme, noch ewig bei. Die Szene braucht Bands wie euch.
Jetzt bleibt für mich nur noch eine Frage offen: Wie wird wohl die Setliste auf den kommenden Festivals aussehen? Und wie tief haben sich die neuen Songs bis dahin schon ins kollektive Unterbewusstsein der Fans eingebrannt? Wir sehen uns beim Rockharz – und bis dahin: “Bury Your Dead and I See Red.”
Setliste: The Truth; The Final Chapter; Follow The Light That Blinds; Blind, Part Of the End; Kingdom Of Worms; Wrath On Your Wound; The Carnage; Welcome To Reality; Funeral Of The Earth; At The End Of Our Reign; Zugaben: Veins Of Fire; Bury Your Dead
Text: Stefan Rosenthal, Fotocredit: Norman Wernicke
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal