DISTURBED und MEGADETH - München
23.10.2025 | 16:2917.10.2025, Olympiahalle
25 Jahre "The Sickness" wollen gefeiert werden.
Was für ein herrlicher Tag! Ausgewogenes, nicht zu kaltes, trockenes Wetter sowie eine schnelle, problemlose Anreise auf der A8 nebst Parken im allerersten Block nach der Einfahrt in der Parkharfe des Olympiaparks, versprechen einen tollen Konzertabend einzuleiten. Ich darf hier bereits schon vorweg spoilern: Es soll in allen Belangen ein solcher werden, lediglich mit kleinen Einschränkungen.Nach einem herrlichen Herbstspaziergang über das Olympiagelände, das für eine Biathlonveranstaltung am kommenden Wochenende vorbereitet wird, dem Vorab-Bezahlen meiner Parkzeche sowie der Begrüßung des Kollegen Vogt, der 2 Blöcke weiter parkt, marschieren wir zwei gegen 17:20 Uhr plaudernd zur Halle, die sich nur etwa 400m von uns entfernt befindet. Kollege Vogt muss wegen seiner Foto-Akkreditierung noch einmal um die Olympiahalle herumgehen, ich bleibe aufgrund der baldig erwarteten Öffnung gleich am vor mir liegenden Westeingang stehen. Etwa um 17:40 Uhr, also mit knapp 10 Minuten Verspätung werden die bereits friedlich Schlange stehenden Hundertschaften eingelassen.
Sogleich flaniere ich am T-Shirt-Stand vorbei, um festzustellen, das neben der erwarteten 45€, die fast alle großen Bands mittlerweile mindestens für ihren kurzärmeligen Oberkörper-Zwirn abrufen, eine famos abwechslungsreiche und mit tollen Motiven und Gestaltungen, sowie guter Qualität aufwartende Shirt- und Accessoire-Palette vor allem auf die ausgabewilligen Geldbörsen der DISTURBED-Fans wartet. Die dürfen sich über die Qual der Wahl aufgrund drei völlig unterschiedlicher Tour-Shirts und einen Tour-Hoodie (90€) freuen. Auch Longsleeves (60€) und Pullis (bis 120€) gibt es, von MEGADETH sogar einen Shape-Logo-Patch (15€). Lediglich die Base-Caps von DISTURBED (...und MEGADETH!) überraschen durch den Bogen für so etwas deutlich überspannende 50€. Diese kosten im UK-Shop der Band lediglich 35€. Da soll wohl der Umsatz im Internet angekurbelt werden... Auch das, wenn auch auf stabiles, sehr dickes Papier gedruckte, Tour-Poster der Mannen um David Draiman schlägt mit 35€ etwas zu heftig zu Buche.
Da ich meine Superfood-Riegel in die Halle mitnehmen durfte, bleiben mir Kosten für Essen erspart. Mit einem Getränk ausgestattet suche ich dann meinen Sitzplatz auf, für diesen bezahlte ich im Frühjahr bereits relativ günstige 65€. Die Sicht ins Rund meiner Lieblingshalle dieser Größenordnung ist wie fast von überall hier prächtig, und so warte ich meine Riegel mümmelnd auf den Beginn der Show.Um 18:58 Uhr geht auch schon das Licht aus, und "Zappzarapp" steht kurz darauf urplötzlich MEGADETHs Megadave im weißen Hemd fast aus dem Nichts inmitten seiner drei schwarzgekleideten Mitstreiter auf der Bühne und raspelt mit 'Skin O' My Teeth' los. Mann, Mann, Mann, leider ist der Sound dumpf und verwaschen! Keine völlige Katastrophe, aber halt nicht wirklich gut. Immerhin erkennt man die Lieder und die haben es in sich, wechselt unser Mustainscher Schelm auf dieser Tour doch jeden Abend einige Songs auf der Setliste aus und variiert somit auch die Anzahl der dargebotenen Stücke. Heute gibt es deren 12 auf die Lauscher.
'Wake Up Dead' folgt an zweiter Stelle, während die bereits munter ihren Bewegungsradius über die gesamte Bühnenbreite und den Steg mit kleiner Bühne im Publikum ausdehnenden Musiker an dritter Stelle mit 'Dread And The Fugitive Mind' vom "The World Needs A Hero"-Album überraschen. Mit 'Hangar 18' und 'Angry Again' wird der noch nicht völlig gefüllte Innenraum etwas mehr in Wallung gebracht. Spätestens nach einer kurzen Ansage und dem Appetit auf mehr machenden, neuen 'Tipping Point' sieht die Menschenmasse von oben endlich doch sehr eng geschichtet aus. Der Grund hierfür? Wahrscheinlich die nicht von allen gelesene Email des Veranstalters Ende September, dass der Konzertbeginn um eine halbe Stunde auf 19:00 Uhr vorverlegt wurde...Die sich momentan vermutlich in etwas verschnupfter Laune befindlichen Neuankömmlinge dürfen sich sogleich jedoch über das wie eh und je metallisch swingende und groovende 'Sweating Bullets' freuen. Mittlerweile kann man Mustaines Genuschel während der bekannten Liedtexte heute Abend sogar verstehen, bei seinen Ansagen habe ich aber immer noch Schwierigkeiten. Jetzt folgt der 'Tornado Of Souls', und spätestens nach 'The Four Horsemen', pardon-wir sind heute ja bei MEGADETH-'Mechanix' ist der Ärger der Zu-spät-Kommenden wohl endlich vergessen. Dave Mustaine setzt bei dieser Tour auf wenige Licht- und Bühnenelemente, die legendäre Musik seiner Band spricht überzeugend für sich. Ja wer sagt es denn: 'Peace Sells', die Sinfonie der Zerstörung, 'Symphony Of Destruction' und der unverwüstliche Rausschmeißer 'Holy Wars...The Punishment Due' lassen anschließend Zufriedenheit auf den Gesichtern der MEGADETH-Shirtträger aus dem Innenraum erkennen, die mir nach dem sechzigminütigen Gig in der Umbaupause in den Fluren der Halle entgegenkommen.
Setliste MEGADETH: Skin O' My Teeth; Wake Up Dead; Dread And The Fugitive Mind; Hangar 18; Angry Again; Tipping Point; Sweating Bullets; Tornado Of Souls; Mechanix; Peace Sells; Symphony Of Destruction; Zugabe: Holy Wars...The Punishment DueNach einer üppigen Umbaupause von 40 Minuten und meinen, trotz Hilfe von indisch-stämmigen Sitznachbarn erfolglosen Versuchen, den auf dem Bühnenvorhang abgebildeten, übergroßen QR-Code (Link zum Shop, wie sich später herausstellt) mit dem Handy zu scannen, geht es um 20:40 Uhr auch schon los.
Zum 25-jährigen Jubiläum ihres "The Sickness"-Debutalbum-Klassikers lässt sich DISTURBED wahrlich nicht lumpen! Nicht nur, dass eine extravagante Lightshow mit leuchtenden Folienelementen, die in einem vertikal halbrunden Gerüst montiert sind und tonnenweise Pyros während einer, für ihre Verhältnisse, extralangen Setliste aufgefahren werden. Man besinnt sich auch der damaligen spektakulären Bühnenshow! Daher lässt sich David Draiman abermals, wie Hannibal Lecter in einer Sackkarre und mit Mundschutz stehend, gefesselt auf die Bühne rollen und von seinen Roadies "freilassen", bevor Dan Donegan mit der Gitarre und John Moyer am Bass zu den Schlagzeug-Grooves von Mike Wengren den ersten Song jenes Albums, 'Voices' anstimmen. Die Band aus Chicago ist ab jetzt der Chef im Ring! In Sachen Intensität entfesselt sie für moderneren Metal eine bis in die obersten Ränge der Olympiahalle spürbare, kraftvolle und faszinierende Atmosphäre. Im Farbenrausch des Bühnenhintergrunds groovt man sich noch durch 'The Game', bevor mit dem von Draiman gemeinsam mit dem Publikum geradezu zelebrierten 'Stupify' der im Anschluss folgende Superhit eingeleitet wird: 'Down With The Sickness' lässt die Halle beben, während David den Steg entlang tigert und Dan mit John um die Wette post und springt. Ich hatte lang nicht mehr solchen Spaß an reinrassigem Nu Metal, der das Lied ja letztendlich ist!
Mit diesem Klassiker beginnt die Machtdemonstration, etwas anderes ist das bis jetzt von DISTURBED gezeigte nicht, erst richtig Fahrt aufzunehmen: 'Violence Fetish' und 'Fear' bringen Band und Fans in Extase. David Draiman hat sein Publikum voll im Griff, ruft ab, was er kriegen kann - und das ist gehörig viel, eben das ganze Programm an Publikumsaction. Springen, rhythmisch in die Luft schlagende Fäuste, Gesang, Schreie, er kitzelt wirklich alles aus den begeisterten Fans heraus. Bereits während dieser ersten Lieder sind die ästhetisch auf die Lightshow abgestimmten, immer zum Rhythmus der Songs passend abgefeuerten Leuchtkugeln neben den üppigen Feuersäulen ein toller Augenschmaus! 'Numb' nimmt etwas die Hektik raus und bringt vor allem dem Innenraumpublikum etwas Zeit zum Verschnaufen, das auch während 'Want' und dem wieder mächtig drückenden, numetallischen 'Conflict' in Sachen "Teilhabe" noch nicht wieder dort ist, wo es bereits war. Doch David und seine im besten Sinne und namentlich "gestörten" Mannen haben noch die legendäre Coverversion 'Shout' von TEARS FOR FEARS in der Hinterhand, die nun mit viel Licht und Leuchtkugeln in Szene gesetzt wird und die Halle erneut zum Brodeln bringt. Diese phänomenale Rockkonzertstimmung wird von 'Droppin Plates' bis zum ersten Abschied der Band gehalten.
Zum folgenden Showteil gehen die Meinungen nach dem Konzert meilenweit auseinander: Alte Fans feiern ihn, so mancher Zuschauer findet das Erlebte jedoch geschmacklos. Einige Minuten lang tobt die Halle, während die Lichtanlage eine düstere Regenstimmung simuliert. In diese hinein wird der jetzt in einen orangefarbenen Sträflingsanzug gekleidete David Draiman wieder von seinen "Betreuern" nach vorne auf die kleine Bühne im Publikum gebracht, wo er auf einen dort aufgebauten elektrischen Stuhl fixiert wird. Es folgt ein längeres Intro mit Sounds und eingesprochener Stimme, das in der sehr realistisch und visuell fesselnden, gespielten Hinrichtung Davids gipfelt. Die EKG-Neonspur über der Lichtanlage an der Hallendecke leuchtet nun rot, wird nach einigen Ausschlägen jedoch wieder grün. Dazu passend zynisch beginnt die Band, ebenfalls in Sträflingsanzügen mit 'Meaning Of Life'. David, erneut frei, dirigiert die Halle auf dem elektrischen Stuhl stehend, und nachdem das Lied visuell und musikalisch die Darbietung des "The Sickness"-Albums triumphal beschlossen hat, verschwinden die vier Musiker und ein großer Vorhang verkündet in großen Lettern, dass man in 20 Minuten wieder zurück sei.
Das war die Kür, nun folgt das Schaulaufen! Acht Lieder vom Feinsten, die DISTURBED zu bieten hat, glühen die Olympiahalle während der weiteren 40 Minuten vollends durch. "The Guy" das Bandmaskottchen, welches sich im Laufe der letzten drei Jahrzehnte vom schemenhaften, verstörten Strichmännchen-Gesicht zum schattenhaften, muskelbepackten Gevatter-Tod-Lookalike entwickelt hat, thront als riesige, aufblasbare Bühnenfigur leicht schwankend mit feurig leuchtender Brust zwischen dem Lichtgerüst und dem Drumkit von Mike Wengren.
Mit 'I Will Not Break' macht DISTURBED klar: Hier ist noch nicht Schluss! 'Ten Thousand Fists' setzt den Triumphzug fort, und die Halle singt zu abertausenden frenetisch mit!
Der Grammy-nominierte 'Bad Man' vom letzten Album "Divisive" groovt das Publikum auf eine der in meinen Ohren besten Coverversionen aller Zeiten ein, 'Land Of Confusion', im epochalen Original von GENESIS erdacht. Die Halle und nicht zuletzt ich stehen vor Freude fast Kopf, doch der "Abriss" geht weiter mit 'Indestructible'. So mancher Altersgenosse und so manche Altersgenossin jenseits der 50 Jahre im Innenraum kommen sich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht mehr vollständig unzerstörbar vor, daher gibt es nun etwas für das Herz.
In meinen Ohren und Augen - Vorsicht, sehr subjektive Meinung - den einzigen Schwachpunkt des Sets! Die zwar mit Streichern, brennendem Flügel auf der kleinen Bühne, Percussionisten und ich weiß nicht was allem präsentierte und aufgemotzte Liveumsetzung ihrer Superhit-Coverversion 'The Sound Of Silence', im Original von SIMON & GARFUNKEL, wird hektisch und lustlos heruntergenudelt. Davis Draiman trifft zudem zu Beginn in der Tat einige Töne nicht richtig. Das modern-poppige 'The Light' trägt die Radiohit-Vibes zwar weiter, wandelt sie aber wieder in tanzbare gute Laune-Grooves um. Der Handy-Licht-Trick, den Draiman dem Publikum sehr motivert schmackhaft macht, wird von den Menschen in der fast ausverkauften Olympiahalle toll in ein Lichtermeer umgesetzt - mitgesungen und getanzt wird mittlerweile sowieso. Zum noch ein letztes Mal alle Kraftreserven einfordernden Schlusstrack 'Inside The Fire' gibt es dann genau das: Feuer allerorten auf der Bühne, Feuersäulen, Feuerfontänen, die geschmackvollen Leuchtkugel-Buketts, es ist ein Fest für die Augen und die Ohren!
Um 22:45 Uhr mache ich mich auf den diesmal herrlich kurzen Weg zu meinem Auto und fahre bereits 10 Minuten später wieder in Richtung A8 von dannen, die Playlist von DISTURBED im Ohr und den tollen Konzertabend im Kopf. Bleibt zu hoffen, das die Band mit dem kommenden, offenbar bereits aufgenommenen, Album wieder mehr altes Feuer bei ihren Fans entfachen kann, als mit dem etwas zahmen Vorgänger 'Divisive'. Mit dieser spektakulären Jubiläumstournee ist ihnen genau das zumindest in live-technischer Hinsicht auf der ganzen Ebene durchschlagend gelungen.
Setliste DISTURBED: The Sickness - Voices; The Game; Stupify; Down With The Sickness; Violence Fetish; Fear; Numb; Want; Conflict; Shout (TEARS FOR FEARS); Droppin' Plates; Meaning Of Life - Greatest Hits - I Will Not Break; Ten Thousand Fists; Bad Man; Land Of Confusion (GENESIS); Indestructible; The Sound Of silence (SIMON & GARFUNKEL); The Light; Inside The Fire
Text: Timo Reiser
Photo Credit: Michael Vogt
- Redakteur:
- Michael Vogt