DREAM THEATER - Mainz
22.07.2019 | 21:0020.07.2019, Zitadelle
Trotz guter Show der Band bleibt leider ein fader Beigeschmack.
Im Rahmen der "Distance Over Time: The Summer Festivals" – Tour spielt DREAM THEATER auch einige Shows in Deutschland. Da mich die aktuelle Scheibe komplett überzeugen konnte und die Band generell zu meinen absoluten Favoriten zählt, war für mich schnell klar, dass ich mir zumindest eine Show dieser Tour ansehen muss. Mainz ist zwar nicht ganz in der Nähe, jedoch ist der Termin am besten mit meinem vollen Kalender vereinbar, also mache ich mich am frühen Samstagnachmittag auf den Weg durch die längste Baustelle der Welt (im allgemeinen Volksmund auch A3 genannt) nach Mainz. Glücklicherweise gibt es auf der Autobahn keine bösen Überraschungen und ich komme mehr als pünktlich an und habe sogar noch Zeit, mir die Location etwas genauer anzusehen. Die Zitadelle existiert bereits seit 1660 und war Bestandteil der Festung Mainz. Das Areal ist schön gelegen und von Bäumen umgeben, als ich jedoch sehe, dass der Bereich vor der Bühne komplett bestuhlt ist, frage ich mich, ob ich hier wirklich richtig bin oder ob ich eventuell nicht doch irgendwo falsch abgebogen bin.
Die nächste Überraschung wartet am Merchstand, denn die Tourshirts schlagen mit satten 35 Euronen zu Buche und sind damit gleich einen Zehner teurer geworden als bei der letzten Tour. Und dabei sind die nicht mal aus originalen Barthaaren von John Petrucci oder Jordan Rudess gewebt. Sauerei. Nach einiger Überlegung entscheide ich mich doch dafür ein Shirt mitzunehmen, auch wenn dieser Preis eigentlich schon meine persönliche Schmerzgrenze darstellt. Mittlerweile ist es auch 19 Uhr und auf der Bühne beginnt das Vorprogramm. Der Sänger und Songwriter Tarq Bowen aus London steht mit seiner Klampfe auf der Bühne und gibt seine Songs zum Besten. Schlecht ist er nicht und erntet dafür vom Publikum auch ordentlich Applaus. Nach 25 Minuten verabschiedet er sich dann bereits wieder vom Mainzer Publikum und wünscht den Anwesenden viel Spaß mit DREAM THEATER.
Um Punkt 20 Uhr ist es dann endlich soweit, begleitet von den Klängen eines Intros wird der Bühnenbanner von DREAM THEATER langsam nach oben gefahren und wenig später betritt die Band unter lautem Beifall auch schon die Bühne. Als Opener gibt es passenderweise 'Untethered Angel', welcher auch die aktuelle Scheibe "Distance Over Time" eröffnet. DREAM THEATER gibt direkt Vollgas und präsentiert sich äußerst spielfreudig. Besonders überraschend finde ich John Myung, der für seine Verhältnisse schon fast zur Rampensau avanciert und sich so bewegungsfreudig zeigt, wie ich ihn zuvor noch nie gesehen habe. Vielleicht hatte er aber auch einfach einen Kaffee zu viel. Doch auch der Rest der Truppe scheint großen Spaß daran zu haben, wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Es scheint, als ob der frische Wind bedingt durch den Tapeten- beziehungsweise Labelwechsel und die durchwegs guten Kritiken für "Distance Over Time" der Band richtig gutgetan hat.
So richtig ausgelassen will die Stimmung im Publikum anfangs jedoch noch nicht werden, woran sicher die Bestuhlung nicht ganz unschuldig ist. Tatsächlich ist das mein bisher erstes Metalkonzert, bei dem der Zuschauerbereich komplett bestuhlt ist. Zudem ist es noch hell und somit geht leider auch ein Großteil der Magie der Lichteffekte verloren. James LaBrie lässt die Fans wissen, dass sich DREAM THEATER bereits seit sieben Wochen auf Tour befindet und im kommenden Herbst und Winter mit einem knapp dreistündigen Set wiederkehren wird. Während der Ansagen hat man den Eindruck, dass er leicht heiser oder erkältet ist, bei seinem Gesang ist davon jedoch glücklicherweise nichts zu merken. Gelegentlich ist zwar mal ein schiefer Ton dabei, aber trotzdem alles noch im grünen Bereich. Die Gitarre ist für meinen Geschmack allerdings etwas zu laut abgemischt, weshalb der Gesang leider manchmal etwas untergeht. Sonst gibt es am Sound aber nichts auszusetzen.
Bereits nach den ersten Songs hat sich dann auch das Publikum mit der ungewöhnlichen Situation so langsam arrangiert und es gibt zusätzlich zum normalen Jubel die ersten stehenden Ovationen. Diese werden immer mehr und bald wird jedes Solo der einzelnen Musiker ausgiebig gefeiert. Den Höhepunkt erreicht das Ganze bei 'The Dance Of Eternity', dem Song, bei dem jeder Musiker sein ganzes Können eindrucksvoll unter Beweis stellen darf. Bis auf James, der muss hinter die Bühne, denn der Track ist leider rein instrumental. Wie sich bei der Nummer die Herren Petrucci, Myung und Rudess gegenseitig duellieren und zu Höchstleistungen anstacheln, ist immer wieder eine wahre Freude. John Myung zupft ganz nebenbei die Saiten seines Basses schneller, als mancher Gitarrist zu spielen vermag. Und die Soloeinlage von Jordan Rudess in dem Song zählt sicherlich auch zu seinen größten Momenten bei DREAM THEATER, von denen es nicht wenige gibt. Über den Master himself, John Petrucci, brauche ich wohl nichts zu sagen, der zockt seine Soli wie immer mit aller Lässigkeit runter, als ob es nichts Besonderes wäre. Ein verschmitztes Grinsen kann er sich dann aber doch nicht verkneifen, als er dafür von den Fans mit lautem Beifall überschüttet wird.
Erfreulich finde ich die Tatsache, dass es so viele Songs von "Distance Over Time" in die aktuelle Setliste geschafft haben. Andererseits bleibt dafür dann so mancher Klassiker auf der Strecke. Von "Images And Words" wird leider nicht ein Song gespielt. Sehr schade, aber das Album gab es ja dafür auf der letzten Tour in voller Länge zu hören. Nach 'Pale Blue Dot' gibt es schließlich noch die Zugabe 'As I Am', dann verabschiedet sich DREAM THEATER nach knapp 90 Minuten auch schon vom Mainzer Publikum. Es wird noch für ein gemeinsames Foto posiert und bei den Fans werden die "Zugabe"-Rufe laut. Viele haben wohl gedacht, hier eine drei Stunden Show zu sehen. Entsprechend enttäuscht ist daher auch ein großer Teil der Zuschauer, vor allem da für die Eintrittskarten in den vorderen Reihen 90 € und mehr veranschlagt wurden. Ein Preis, der schon fast MANOWAR-Niveau erreicht. Die Band selbst hat jedenfalls überzeugt, auch wenn es nur ein kurzes Gastspiel war.
Setliste: Untethered Angel; A Nightmare To Remember; Fall Into The Light; Peruvian Skies; Barstool Warrior; In The Presence Of Enemies, Part I; The Dance Of Eternity; Lie; Pale Blue Dot; As I Am;
Obwohl die Show von DREAM THEATER richtig gut war, kann man leider nicht von einem rundum gelungenen Konzertabend sprechen. Dass es sich hier nur um eine 90 Minuten Show handelt, hätte vielleicht vom Veranstalter im Vorfeld besser publik gemacht werden sollen. Zudem hätten weitere Bands gebucht werden können, damit die Zuschauer wenigstens auf ihre Kosten kommen. Noch zwei weitere Kapellen, die jeweils eine Stunde spielen und fertig ist der Lack. Nichts gegen Tarq Bowen, aber den hätte man sich getrost ebenso sparen können, die 25 Minuten haben es leider auch nicht rausgerissen. Und eine vollständige Bestuhlung der Zuschauerreihen auf einem Metalkonzert passt einfach mal überhaupt nicht, schon gar nicht bei einem Open Air Event. Für die Stimmung ist das alles andere als zuträglich. Dass viele ihren Unmut über die angesprochenen Dinge in den sozialen Netzwerken kundtun, kann ich voll und ganz verstehen. Etwas Lob muss ich dem Veranstalter trotzdem aussprechen, denn bis auf die bereits erwähnten Punkte war das Ganze gut organisiert und sowohl die Sicherheitskräfte als auch das sonstige Personal war stehts freundlich und hilfsbereit. Die kommende Tour von DREAM THEATER werde ich natürlich wieder besuchen, dann hoffentlich ohne Vorklampfer und in voller Länge im Stehen.
- Redakteur:
- Hermann Wunner