Dark Decadence Tour 2011 - London
16.04.2011 | 20:5301.04.2011, Electric Ballroom
THE 69 EYES, HARDCORE SUPERSTAR, CRASHDIET - der Untergang aus dem Norden!
Was für ein Line Up! CRASHDIET, HARDCORE SUPERSTAR und THE 69 EYES. Seit Wochen sind die Londoner ganz aus dem Häuschen und wittern diesem großartigen, skandinavisch-finnischen Abend entgegen. Freitag, 1. April 2011 in London. Schauplatz: Electric Ballroom auf der Camden High Street. Eine leere Akte voller Erwartungen tut sich auf, darauf wartend, mit arschkickenden Details gefüllt zu werden.
Dass CRASHDIET in London ordentlich für Furore sorgen, zeigten sie ja schon im Oktober im Underworld. Heute degradiert zum ersten Support der Dark Decadence Tour muss man schon frittiertes Hühnchen geraucht haben, um zu glauben, dass im Electric Ballroom nicht gleich die Bretter krachen werden. Hairmetal wie er visuell auffallender nicht sein könnte; sleazig, wie es auch MÖTLEY CRÜE nicht viel besser hinkriegen könnten, hauen die schwedischen Kunstköpfe auf die Kacke. Die Meute tobt, die Irokesen pieksen, das Bier fließt in Strömen und 'Generation Wild' knallt aus den Boxen. Hatte die Band doch in Vergangenheit einige Probleme damit, ihre jeweiligen Sänger beisammen zu halten, waren und sind die Fans fernab von Depression, wenn diese Combo die Stadt unsicher macht. Haltet eure Glam tails fest, Leute (so nennt man hier die Rockertücher, die fesch von der Hose baumeln), das wird heute ein Gig der Extraklasse!
Eine lange rutschig schleimige Spur macht sich auf dem Boden breit. Hat irgendjemand Jussi von THE 69 EYES gesehen und es nicht mehr ausgehalten? Ach, quatscht doch mal alle nicht. Noch mehr Sleaze steht jetzt auf dem Menü und gemäß Pawlowscher Regel explodieren die Speicheldrüsen. Als die schwedischen Delikatessen HARDCORE SUPERSTAR auf die Bühne gerannt kommen - allen voran Eyecatcher Frontmann Jocke - zerschmettert das Plexiglas des Stimmungsbarometers. 'Sadistic Girls' als Opener? Nichts anderes hätten wir erwartet, denn der erste Track der aktuellen Scheibe "Split Your Lip" ist ein musikalisches Fleischfest und Ohrenschmaus für alle, die auf deftige Musik stehen. Mit Ausdruck und Charme, einer Stimme zum Haare schwingen und einem Lächeln, das Mädels schwach werden lässt, ist man bereits nach dem zweiten Song feucht wie dänische Salami. Ein glamiger Potpourri aus den fetzigsten Stücken ihrer bisherigen Werke wurde hier zusammengestellt.
Doch bei 'Here Comes That Sick Bitch', einem der emotionalsten Werke der Jungs überhaupt, welches von Vic, der übrigens schon seit einiger Zeit oben ohne agiert, - Gott, ist es heiß hier drinnen - auf der Akustikgitarre begleitet wird, fängt der nervöse Engländer an, sich halb zu schlagen. Leute, reisst euch zusammen! Doch rechtzeitig wickelt Jocke wieder alle um den Finger, als er Londons größtes Problem anspricht - die Sperrstunde. "The next song is about alcohol. Naah, not this fucking shit (auf sein Wasser zeigend)": 'Last Call'. Schon haben alle wieder ihre größte Gemeinsamkeit gefunden. Die Liebe zum Alkohol lässt im Ballroom die flüssige Hölle ausbrechen. Nach dem legendären 'Someone Special', bei dem der Drumtech die Ehre an der Schießbude selber übernimmt, rotzen wir uns in die letzte Runde mit Überflieger 'Don't Celebrate Sundays'
"Screeeeam for me London!" Die Jungs bekommen, was sie verdienen, und das ist ein ohrenzerreißender Applaus. Mich beschleicht das Gefühl, dass die finnischen Kollegen an dieser Stelle nur noch verlieren können, denn mehr Aufmerksamkeit und Jubel können sie nicht mehr absahnen. Recht sollte ich behalten, womit sich HARDCORE SUPERSTAR als extravaganter Hauptgang des Abends erweisen sollte.
Setlist HARDCORE SUPERSTAR:
01. Sadistic Girls
02. Guestlist
03. Liberation
04. My Good Reputation
05. Dreamin' In A Casket
06. Here Comes That Sick Bitch
07. Wild Boys
08. Last Call For Alcohol
09. Moonshine
10. Someone Special
11. We Don't Celebrate Sundays
Zeit für eine kühle Brise aus Finnland. Zum Unglück für THE 69 EYES stimmt das sogar wörtlich, da sich die Anzahl der Leute im Publikum plötzlich auffällig verringert. Ein großes Fressen wurde ehrlich gesagt mit 'Devils' noch nie - und auch heute nicht - eingeleitet. Gelassen stehen die Jungs auf den Brettern mit typischer Lederkluft, nur minimalen Bewegungen und aufgesetzt lockerem Gesichtsausdruck. Nur anscheinend kommt diese coole Rocker-Attitüde heute Abend überhaupt nicht gut an, sondern lässt den prickelnd heißen Sandsturm im Land der Stimmung zu einem lauen Lüftchen verblassen.
Doch Jyrki macht gute Miene zum bösen Spiel: "It's good to be back in Camden. I wrote this song for you and you and you..." Wer englischen Kleidungsstil und damit einhergehend wenig versteckte Cellulite kennt, dem wird auffallen, dass diese Einleitung zum Song 'Perfect Skin' unpassender nicht hätte sein können. Um die Finnen in Schutz zu nehmen, muss man ihnen zu Gute halten, dass sowohl Livedarbietung als auch die Stücke des aktuellen Albums "Back In Blood" rocken wie eh und je. Nur muss man sich im direkten Vergleich zu beiden Supports eingestehen, dass ihr selbstgenannter "Goth 'n' Roll" einfach weniger energiegeladen ist und insofern nur suboptimal in diese Runde als Headliner der Dark Decadence Tour passt.
'Kiss Me Undead' lässt die Hüfte wackeln, das Herz Seil springen und das Köpfchen verliebt auf die Schulter absacken, während man sich im anschließenden 'The Chair' vom guten alten Album "Blessed Be" schon sehr leicht in den Abgründen der dreckigen Psyche verlieren kann und es auch sicherlich tut. Hätte sich die morbid-fröhliche Stimmung, welche todesmutig und dennoch mit Leichtigkeit daher galoppiert, konstant durch den ganzen Auftritt gezogen, hätten wir an diesem Abend nur Sieger gehabt. Ein letztes Mal suhlt sich die Kombination aus Punks, Goths und Glamrockern in einem melancholischen Bad der Emotionen und Bierfahnen.
Scream for them!
Setlist THE 69 EYES:
01. Devils
02. Ghettoway Car
03. Dead 'n Gone
04. Dance D'Amour
05. Perfect Skin
06. Kiss Me Undead
07. Crashing High
08. The Chair
09. Never Say Die
10. Dead Girls Are Easy
11. Brandon Lee
12. Lost Boys
- Redakteur:
- Nadine Ahlig