Der W - Frankfurt

05.05.2009 | 23:15

27.04.2009, Ballsporthalle

Frank Sinatra, eine rote Karohose, Streicher und viele Emotionen: Ex-ONKEL Stephan Weidner alias DER W rockt gemeinsam mit D.A.D. die Ballsporthalle.

Eine volle Halle, unendliche Bierdosenreste davor, Filmkameras und eine Live-Übertragung im Radio: Die Bühne ist bereitet für das Abschlusskonzert der W-Tour. Doch ausgerechnet in seiner Frankfurter Heimat kratzt die Stimme von Stephan Weidner nach 24 Konzerten, und dabei ist die Ballsporthalle auch noch der größte Auftrittsort der Tour. "Stephan Weidner!"-Chöre haben die alten "Onkelz!"-Rufe abgelöst, und der Ex-ONKEL hat sich Großes vorgenommen. Wie er es im Laufe des Abends noch ausdrücken wird: "Ihr gebt mir mit euren Emotionen so viel zurück." Da will er natürlich auch nicht hinten an stehen. Zunächst dürfen aber D.A.D ran, eine seiner persönlichen Lieblingsbands.
[Carsten Praeg]

Keine zweieinhalb Stunden vor Showbeginn hat Zweisaiter Stig noch von den Bedingungen auf der DER W-Tour und Stephan Weidner geschwärmt, schon werden die Vorschusslorbeeren um Punkt 20.00 Uhr zurückgegeben: Bevor D.A.D. auf die Bühne stürmen, werden sie von Stephan persönlich angesagt, wobei allein seine Präsenz wahre Begeisterungsstürme in der Halle entfacht. Danach zelebrieren die Dänen eine schwitzige Show, die mit allerhand knackigen Rocksongs gespickt ist. Natürlich dürfen Tracks des aktuellen Outputs “Monster Philosophy” wie 'Money Always Takes The Place Of Life' und der mit einem tanzbaren Beat unterlegte Titeltrack nicht fehlen. Daneben kommen Highlights aus der fünfundzwanzigjährigen Karriere wie 'Reconstrucdead' (“Helpyourselfish”), 'Bad Crazyness' (“Riskin' It All”) und 'Jihad' (“No Fuel Left For The Pilgrims”) zum Tragen.

Die Band ist bestens aufgelegt, wobei insbesondere Bassist Stig mit seinem Fledermauskostüm zu Beginn der Show und seinen wechselnden Bässen [geile Rakete! - augenzwinkernd, Carsten] neben Jesper Binzer die Blicke auf sich zieht. Jacob Binzer werden auf der anderen Seite genügend Freiräume zum Solieren und Brillieren gelassen, die er im Scheinwerferkegel bestens zu nutzen weiß. Drummer Laust Sonne ist immer im richtigen Takt und verausgabt sich bis zur letzten Minute.

Immerhin gehen die Songs fast nahtlos ineinander über, um die knappe Zeit nur mit Musik zu füllen. Die Stimmung vor der Bühne ist ausgelassen, wobei man schon sagen muss, dass das Gros der Fans mit seinen Kräften zu haushalten weiß, um beim Headliner später nicht an die Reserven zu müssen. Nichtsdestotrotz hat das Quartett eine gute Duftmarke gesetzt. Wer die Jungs in der Festivalsaison auf dem Plan hat, sollte sie nicht verpassen. Ansonsten steht im Herbst noch eine Clubtour mit HEAVEN'S BASEMENT auf dem Plan. Mein Tipp: hingehen!
[Tolga Karabagli]

Der Abschluss der Tour scheint unter dem großen Motto "Pünktlichkeit" zu stehen, wobei die Bässe des Headliners sogar schon vor Startschuss 21.15 Uhr die Halle zum Beben bringen. Überschwängliches Frohjauchzen bis in die letzte Reihe der hohen Tribünen, als Stephan Weidner zu 'Der W Zwo Drei' die Bühne stürmt – zu seinem Heimspiel in Schale geworfen mit passender roter Krawatte zur Karohose.

DER W ist richtig gut drauf, immer wieder huscht ihm ein breites Grinsen übers Gesicht. Von seinen Stimmproblemen ist nichts zu merken, er rennt von einem Bühnenende zum anderen und hält das Mikrofon in Richtung der mitsingenden Fans. "Danke, dass ihr mich nicht vergessen habt", ruft Stephan ihnen zu. Hinter ihm ragt ein überdimensionaler Stacheldraht-Lorbeerkranz in die Höhe, LEDs bilden wahlweise Feuer, Equalizer oder zwei große Ws. Und im Gegensatz zum Ex-Kollegen Gonzo greift Stephan nicht auf ONKELZ-Songs zurück, sondern setzt ausschließlich auf eigene Songs. Zu 'Angst' kommt erstmals eine Gruppe Streicherinnen auf die Bühne, während sich die Saitenfraktion um Rupert Keplinger einen abrockt. "Frankfurt, schwenkt die Hüften", feuert Stephan die feiernde Menge an und fügt hinzu: "Es tut gut, Heimatluft zu schnuppern."

Dann wird es ernster: 'Zwischen Traum und Paralyse' wird dem verstorbenen Frankfurter Techno-DJ Markus Löffel alias Mark Spoon gewidmet. Anschließend fällt es Stephan sichtlich schwer, den Übergang zum nächsten Song zu schaffen, auch wenn der ebenso ernsthaft ist: "Ich kann es nicht mehr ertragen, wie wir uns gegenseitig auf die Fresse schlagen, nur weil wir eine andere Kutte, Frisur oder Hautfarbe haben." Das Ergebnis ist das bisher unveröffentlichte 'Komm schon'. Und dann der erste große Höhepunkt des Abends: Stephan begrüßt die ehemaligen ONKELZ Kevin und Pe auf der Bühne, die sich alsbald nicht mehr vor Blitzlichtgewitter und einer riesigen Fantraube um sich herum retten können. Unter den Applaus mischen sich aber doch ein paar Pfiffe, als Stephan noch einmal die Richtigkeit der Bandauflösung unterstreicht und 'Asche zu Asche' nachschiebt. Zum letzten Song des regulären Sets holt er sich Rockröhre Nina C. Alice auf die Bühne, um mit ihr gemeinsam 'Bitte töte mich' zu schmettern.

"Zugabe!"-Rufe schallen durch die Halle, ehe die Band mit 'Geschichtenhasser' auf die Bühne zurückkehrt. "Steht ihr auf Fußball?", fragt Stephan lautstark ins weite Rund und beantwortet die rethorische Frage selbst mit einer rockigen Version von 'Gewinnen kann jeder' seines Sideprojekts NORDEND ANTISTARS. Dann lässt er sich einen Hut und einen farblich zu seiner Hose passenden Schal reichen. Warum? FRANK SINATRAs 'I Did It My Way' wird kurzerhand in 'Mein W' umbenannt. Und da Stephan gerade in Cover- und Umdicht-Laune ist, wird aus der Ballade 'Pass gut auf dich auf' das schnellere 'Passt gut auf euch auf', während dessen Gitarren- und Schlagzeugsolo wird die Band ausgiebig vorgestellt. Stephan verspricht noch ein zweites Album und eine nächste Tour, dann wird es zum Abschluss voll auf der Bühne: Der große D.A.D.-Fan Weidner lässt es sich nicht nehmen, mit seinen Lieblingen ihren größten Hit 'Sleeping My Day Away' zu trällern. "Zwei Schlagzeuger, zwei Bassisten, drei Gitarristen und zwei unheimlich geile Sänger, was wollt ihr eigentlich mehr?", fragt ein freudestrahlender Stephan, und D.A.D.-Frontman Jesper setzt mit dänischem Akzent den Lacher des Abends oben drauf: "Ich möchte mit diesem Mann die ganze Nacht schlafen!"
[Carsten Praeg]

Setlist:
Der W Zwo Drei
Liebesbrief
Waffen und Neurosen
Schatten
Mein bester Feind
Angst
Stille Tage im Klischee
Du kannst es
Und wer hasst dich
Ein Lied für meinen Sohn
Heiß
Tränenmeer
Zwischen Traum und Paralyse
Komm schon
Asche zu Asche
Bitte töte mich
----
Geschichtenhasser
Gewinnen kann jeder
Mein W
Pass gut auf dich auf
Sleeping My Day Away

Redakteur:
Carsten Praeg

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