Dick Dale - Berlin

11.03.2004 | 05:43

03.03.2004, SO36

Während der King of Rock'n'Roll ja derzeit keine Livekonzerte gibt (wie jedes Kind weiss hat Elvis einen Angelladen in Minnesota und kann dort während der Saison nicht weg) hielt stattdessen der King of Surf Guitar Audienz in Berlin: DICK DALE, vielen Menschen bekannt durch 'Misirlou' vom Pulp Fiction- (und für die Kids: vom 3 Engel für Charlie-) Soundtrack gab sich im SO 36 die Ehre. Doch bevor der Mann, gegen den Mick Jagger ein junger Hüpfer ist, die Bühne betrat, gab es zunächst noch zwei Vorbands zu bestaunen.

Als ich im SO eintraf, waren “THE CRYBABIES” bereits mitten in ihrem Set. Die Truppe hat für sich, dass sie sowohl echter berliner Underground als auch echte Amis sind: mindestens drei viertel der Gruppe sind in Berlin ansässige Amerikaner, die mit ihrer Mucke an der Grenze zwischen Country und Rockabilly voll überzeugten. Es gibt in diesem Bereich leider viel zu wenige Bands mit weiblicher Beteiligung, so dass die CRYBABIES schon allein durch ihre – noch dazu wunderschöne – Sängerin, Marke Großstadt-Cowgirl, hervorstachen. Der Teil des Sets den ich mithörte bestand aus eigenen Stücken und ein paar Covern von Country-Standards, was in einer echt genialen Uptempo-Version von 'Blue Moon Of Kentucky' gipfelte. Hinzu kam das die CRYBABIES wie es sich für eine anständige Rockabilly-Truppe gehört eine echten Kontrabass haben, was natürlich einen endlosen Sound-Vorteil nach sich zog. Es ist kein Wunder, daß der Engländer nicht von einem “E-Bass”, sondern von Base Guitar, also Bassgitarre spricht, so ein Elektro-Ding ist halt ein Zwitter ohne richtigen Sound.
In Sachen Sound sollte ich an dieser Stelle auch gleich anmerken, dass die Veranstalter, die Jungs und Mädels meines Lieblingsclubs, des Wild at Hearts, auch ihren legendär guten Soundmann mitgebracht hatten, der die CRYBABIES mit eine Sahne-Sound versorgte und somit nicht unwesentlich zu Gelingen ihres Auftrittes beitrug.

In jedem Fall machte dieser Opener richtig Appetit auf mehr, so dass ich die Umbaupause zu LOS BANDITOS in heisser Erwartung verbrachte. An den Mischern gab es eine Ablösung und kaum hatte ich mir ein neues Bier gekauft, ging es auch schon weiter.

Die Idee mit dem Mischerwechsel war allerdings keine gute, der Sound kam signifikant schlechter rüber und auch die Songauswahl wirkte auf mich sehr unausgegoren. Während die ersten Stücke zwischen Rock'n'Roll und Surf pendelten und zu erfreuen wussten, wurde als drittes oder viertes Stück eine Intelligenzrock-Ballade mit deutschem Text gegeben, die beinahe vermuten ließ, TOCOTRONIC seien ohne Vorwarnung wieder auferstanden.
Kurzer Blickkontakt mit der Fotocrew reichte um zu beschliessen, dass dieser Auftritt im SO36-Cafe, wo man nichts hört, besser zu ertragen ist. Wie LOS BANDITOS im Folgenden abschnitten, ob sie nun Rocker oder Surfer oder doch traurige Intellektuelle sind habe ich somit nicht herausgefunden.

Final aber kehrte ich rechtzeitig zu DICK DALE's Auftritt in die Halle zurück, und was Mr. Dale uns bot, war eine Sahneleistung.
Zunächst einmal muss ich dazu sagen, dass DICK DALE zu den wenigen Gitarristen gehört, die als Linkshänder eine “normal” besaitete Gitarre spielen, das heisst, auf seiner Klampfe ist das tiefe E unten und dementsprechend. Das führt dazu, dass der dies nicht gewohnte Zuschauer permanent Probleme hat, die Auge/Ohr-Koordination hinzubekommen, geschweige denn Luftgitarre zu spielen.
Zum anderen ist als Vorbemerkung anzubringen, dass ähnlich wie wir das klassische Marshall-Verstärkerdesign direkt dem Wunsch von THE WHO's Pete Townshend nach immer lauteren Amps zu verdanken haben, der Fender-Verstärker wie wir ihn heute kennen darauf zurückzuführen ist, dass DICK DALE Leo Fender immer und immer wieder um größere Amps bat, um “das Brüllen des Ozeans” mit seiner Gitarre in Musik umsetzen zu können, was ihn in seinem Drang nach Lautstärke auch in einer gewissen Art und Weise zum Urvater aller Metal-Gitarristen macht.
Somit war klar, es würde laut werden. Und es wurde Laut. Knalllaut, aber mit glasklarem Sound brachte DICK DALE neben dem unvermeindlichen 'Misirlou' weitere Klassiker aus seiner Laufbahn, geile Coverversionen im Surf-Stil wie unter anderen 'Ghost Riders In The Sky', ein Song, der auch ein dankbares Objekt für solche Experimente ist, sondern brachte zwischendurch mit Songs wie 'House Of The Rising Sun' von ERIC BURDON und den ANIMALS auch einige Bluesklassiker an, die er nicht ver-surfte sondern vielmehr nutzte, um zu beweisen, dass er auch eine klasse Singstimme hat.
Zu alledem kam auch noch, dass DICK DALE wie ein junger Hüpfer mit seiner Gitarre poste, sautight mit seiner Band zusammespielte und trotz grauen langen Haaren und Halbglatze in klassischen Outfit mit Lederjacke und Stirnband einen Wahnsinnseindruck auf der Bühne machte und vor Spielfreude nur so strotzte – hier hatte Mr. Jagger schon 1998, als die STONES noch bezahlbar waren, deutlichere Defizite...
...abgesehen davon but DICK DALE auch noch fast zwei Stunden Spielzeit, was ebenfalls etwas ist, dass man von den wenigsten Bands noch erwarten darf, am allerwenigsten aber bei einem Gitarrenhelden von immerhin 67 Jahren – der Mann ist noch älter als Bob Dylan!

Alles in allem ein weiterer großer Sieg für den Underground, ein Wahnsinns-Konzert und eine wunderbare Nacht!
Fotos gibt es in kürze auf Powermetal.de zu besichtigen, also schaut nochmal nach!

Redakteur:
Philipp von dem Knesebeck

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