Die Apokalyptischen Reiter - Wörgl (AT)

06.10.2006 | 06:59

22.09.2006, Komma

Reitermania und exotisch skandinavische Klänge an einem Abend? Dazu noch ein bisschen Schweden-Death aus Österreich und was unbekanntes Finnisches? Die Mischung macht's, und weil nicht nur DIE APOKALYPTISCHEN REITER, sondern auch TYR und vor allem die heimischen LORDS OF DECADENCE einen Namen haben, ist das Komma in Wörgl dementsprechend gut gefüllt. Irgendwie war mir das REITER-Publikum aber nicht mehr ganz so jung in Erinnerung, und schon auf dem Weg vom Bahnhof in den Club fühle ich mich verdammt alt zwischen einer Schar an angetrunkenen Teenies. Aber schön zu sehen, dass auch der Metalnachwuchs seinen Spaß an so hochklassigen Konzerten hat, und einzig und allein die Tatsache, dass Mancher in so jungen Jahren die Wirkung von Alkohol nicht ganz einschätzen kann und sich dementsprechend daneben benimmt, trübt gerade bei TYR ein wenig die Stimmung. Aber dazu später mehr.

Eröffnet wird der Abend von den LORDS OF DECADENCE, die mit neuem Album im Gepäck, tollen melodischen Death-Metal-Melodien und einer amtlichen Fangefolgschaft punkten können. Auch wenn die Wiener viel zu früh auf der Bühne stehen und sich der Saal erst langsam füllt, schaffen es die Jungs schon nach kürzester Zeit, einen wahren Orkan an guter Laune, geilen Songs und Ohrwürmern zu entfesseln. Genial! Dazu fangen auch die ersten Fans an, einen kleinen Moshpit zu bilden, und egal ob neue oder alte Stücke, die Stimmung ist durchgehend bestens und ich freue mich, die neuen Songs auch mal mit gutem Livesound zu hören. Am Ende sind die LORDS OF DECADENCE überglücklich über die positiven Reaktionen im Westen Österreichs und bekommen massenweise Zuspruch von neuen und alten Fans.

Da haben es LET ME DREAM aus Finnland schon etwas schwerer und kämpfen ein wenig mit Zuschauerschwund. Ehrlich gesagt ist die wenig originelle Mischung aus AMORPHIS-Sounds-meets-Power-Metal auch nicht gerade der Bringer und viele, die sich zuerst der Neugierde halber vor die Bühne wagen, verschwinden nach einigen Songs wieder an die Bar. Man muss den Jungs aber immerhin attestieren, dass ihr Auftritt spieltechnisch völlig okay ist und der Bassist mit dem NEVERMORE-Shirt beweist wenigstens einen guten Musikgeschmack. ;-)

Auf TYR bin ich dann besonders gespannt, denn die Herren von den Faröer Inseln habe ich noch nie live gesehen ... und ich werde nicht enttäuscht! Mit dem Opener 'Dreams' schaffen es Sänger Heri und seine Gefolgschaft im Kettenhemd zumindest sofort die Herzen jener zu erobern, die das grandiose Werk "Eric The Red" ihr Eigen nennen oder generell etwas mit tollen, düsteren Wikingersounds anfangen können. Vor allem die mehrstimmigen Gesänge und die epischen Passagen verursachen eine Gänsehaut nach der anderen, und als dann noch das Cover von 'The Wild Rover' angestimmt wird, ist auch das noch etwas schüchterne Publikum überzeugt. Es wird geschunkelt, mitgesungen und getanzt. Wir bereits erwähnt trüben während des TYR-Auftritts leider einige völlig betrunkene Gäste die Stimmung mit Stinkefinger und "Italia"-Gesängen (in Anlehung an Fußball?) und bringen dabei Heri fast aus dem Konzept, vor allem als die Jungspunde in der ersten Reihe noch an seinem Mikro rütteln und seine Monitore verschieben. Der unschöne Zwischenfall ist zum Glück schnell vergessen und TYR lassen geben weiter Gas mit ihren "Eric The Red"-Stücken. Für die Fans gibt's am Ende noch einen dänischen Folksong im Metalgewand, und TYR hinterlassen zumindest bei mir einen großen Eindruck. Lustiges Ereignis am Rande: Nach dem Auftritt fragt mich Heri, ob ich Fußball mag, und auf meine völlig verwunderte Miene schiebt er sofort nach, dass die Faröer-Inseln Österreich beim Fußball ja mal geschlagen hätten, und er das fast in seiner Ansage gebracht hätte. Lustig, dass er sich in Wien anscheinend doch noch getraut hat, diesen Tiefpunkt der österreichischen Fußballgeschichte zu erwähnen ...

Als DIE APOKALYPTISCHEN REITER endlich die Bühne betreten, ist die Halle bereits am Toben. Es herrschen subtropische Temperaturen gemischt mit bester Feierlaune und "Reiter"-Chören. Frontman Fuchs flitzt wie wild über die Bühne, springt, singt, hat Spaß und beweist mehr als nur einmal eine Riesenportion Humor. Ein REITER-Gig ist eben mehr als nur Musik, das ist pures Entertainment und eine einzige große Party. Denn Fuchs und Co. wissen, wie man mit den Fans zusammen feiert, und wer die Hüpfburg auf der Bühne während des Gigs am Summer Breeze 05 gesehen hat, der weiß was ich meine. In Clubs geht so was zwar leider nicht, doch hat man heute Keyboarder Dr. Pest in einen Käfig gesperrt und wieder mit einer bizarren SM-Maske versehen, und auch die Fans kommen dabei nicht zu kurz. Nach einem absolut krachenden Einstieg mit 'Friede sei mit Dir' und 'Riders On The Storm' setzen DIE APOKALYPTISCHEN REITER ein Hitfeuerwerk fort, das Seinesgleichen sucht. Bei 'Revolution' wird eine Dame auf die Bühne gebeten, die mit Fuchs tanzen soll, und dieser sucht sich zielsicher ein Mädel mit "Böses Mädchen"-Shirt aus, welches "geläutert" werden soll. Die Dame hat aber sichtlich Spaß daran, auf der Bühne rumzuhüpfen und auch als Fuchs mit ihr tanzt und seine Hände gern mal auch am Hintern zupacken, ist die Gute nicht aus der Ruhe zu bringen.

Der Überkracher 'We Will Never Die' oder die Bandhymne 'Reitermania' bringen das Komma zum Kochen und als dann noch Dr. Pest freigelassen wird, ist die Stimmung am Siedepunkt angelangt. Fuchs bittet nämlich ein paar Freiwillige auf die Bühne, die sich von Dr. Pest auspeitschen lassen. Sofort sind auch einige Freaks da oben und lassen sich freudig mit der kleinen Lederpeitsche bearbeiten, so dass Fuchs sichtlich wirklich verwundert fragt "Warum wollt ihr das denn? Das tut doch weh!". Ein besonderes Highlight ist auch der Gute-Laune-Song 'Die Sonne scheint', bei dem ein Fan auf die Bühne stürmt um seine Sonne "scheinen" zu lassen - und nicht nur, dass er den blanken Hintern entblößt, nein, er zeigt uns gleich alles. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich sehen wollte ... und Fuchs kann sein Lachen nicht unterdrücken, herrlich! DIE APOKALYPTISCHEN REITER kommen nach einem Mörderset noch mal für drei Zugaben auf die Bühne und verabschieden sich mit 'Dschinghis Khan' von einem völlig ausgepowerten, aber glücklichen Publikum, das soeben Zeuge einer der außergewöhnlichsten Bands der Metalwelt wurde. Ein REITER-Konzert ist eben immer mehr als "nur" ein Konzert.

Redakteur:
Caroline Traitler

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