Dream Theater - Offenbach
28.10.2000 | 09:2101.04.2000, Stadthalle
Heute abend kommen also DIE Prog-Metal-Götter schlechthin nach Offenbach. Mit ihrem letzten Album \"Scenes from a Memory\" erschufen die Jungs um John Petrucci nichts geringeres als ihr absolutes Meisterwerk, eine CD, die an musikalischer Perfektion kaum mehr zu überbieten ist. Demzufolge war auch der Ansturm auf dieses Konzert. Die Stadthalle war mit über 5000 Leuten restlos ausverkauft.
Pünktlich um 19.00 Uhr war der Einlass und man begab sich sofort zur Bühne. Mit einem Platz in der dritten Reihe konnte ich noch zufrieden sein. Bemerkenswert war, daß deutlich mehr kurzhaarige als langhaarige Metaller anwesend waren (Ok, ich gebs zu, bin selbst kurzhaarig). Auf der Bühne war bereits alles für die Show der Vorgruppe Spocks Beard vorbereitet. Die Jungs geben sich mit nicht weniger als 4 Keyboards zufrieden. Die Halle wurde zunehmend voller und die ersten \"Spocks Beard\"-Rufe erschallten. Ich gebe es gleich zu: Von dieser Band habe ich nie zuvor ein Lied gehört. Aber wer mit Dream Theater auf Tournee geht und außerdem zu deren Lieblingsbands gehört, kann eigentlich nur gut sein.
Die Halle verdunkelte sich, das Publikum jubelte und die ersten Musiker kamen auf die Bühne. Man könnte sie von ihrem Auftreten her wohl am ehesten mit Edguy vergleichen. 5 Kasper erobern die Bühne, albern herum und schneiden Grimassen. Bemerkenswert ist hierbei der japanische Keyboarder Ryo Okumoto, der sich teilweise mit beiden Armen auf die Tasten warf oder zwischendurch immer wieder einen Sumoringer imitierte, was zu zahlreichen Lachern im Publikum führte. Seine Bandkollegen waren aber nicht minder gut drauf und animierten das Publikum ständig. Zur Musik muss ich folgendes sagen: Sie lässt sich am besten mit Progressive-Pop bezeichnen. Nicht jedermanns Ding. Ich konnte mit dieser Musikrichtung absolut nichts anfangen, aber es hat einfach nur Spaß gemacht, Spocks Beard einmal zu sehen. Beim Publikum kamen sie wunderbar an, es gab sogar einige Leute, die nur wegen Spocks Beard gekommen sind und Dream Theater als eher uninteressant ansahen.
Bei Lieder wie \"Day for night\", \"Gibberish\" oder \"The Doorway\" war das Publikum mehr als begeistert und liess sich sehr gut animieren. So auch ein großes Riesenbaby, das mich durch wild tanzende Bewegungen, gepaart mit unangenehmen Körpergeruch veranlasste, meinen Platz in der dritten Reihe aufzugeben. Zu bemängeln ist bei Spocks Beard teilweise der Sound gewesen, der deutlich zu Bass-lastig war. So begann bei jedem Anschlag der E-Saite der gesamte Boden zu vibrieren. Dies ging natürlich auf die Kosten den bedauernswerten Gitarristen Alan Morse, der trotz großer Anstrengungen der PA nicht mehr als ein Fiepen entlocken konnte. Am überzeugensten waren wohl die 5-stimmigen Choräle, die die Band durchführte. Hier zeigte sich deutlich, daß hier professionelle Musiker stehen, egal, was man von ihrer Musikrichtung hält. Als Überraschung kam kurzzeitig der Dream Theater Drummer Mike Portnoy unter großem Jubel auf die Bühne und setzte sich hinter das Schlagzeug. Nach 45 Minuten war die Show fertig und trotz zahlreicher \"Zugabe\"-Rufe wurde die Bühne wieder abgebaut und die Jungs unter einem großen Applaus verabschiedet.
In der nun folgenden halbstündigen Aufbauzeit für Dream Theater wurde die Halle immer voller und mit fielen endlich 2 große Bildschirme am Ende der Bühne auf, sowie zahlreiche Kameras, die so plaziert waren, daß das Spiel der Musiker auf die Bildschirme übertragen werden konnte. Nun war es soweit. Die Halle verdunkelte sich. Wer das letzte Dream Theater Album \"Scenes from a memory\" kennt, weiss, daß es sich hierbei um ein Konzeptalbum handelt mit fliessenden Übergängen zwischen den Liedern. Es liegt also nicht näher, als das knapp 80-minüte Meisterwerk an einem Stück durchzuspielen. Die Bildschirme gingen an und man sah einen Hypnotiseur, der im Takt eines Pendels die folgenden Worte sprach \"Close your eyes and try to relax...\" Aber daran dachte das Publikum im Traum nicht. Erst recht nicht, als Gitarrengott John Petrucci auf die Bühne kam um das Anfangsriff des ersten Songs zu spielen. Die Vocals kamen anfangs noch nicht live sondern von dem Video, das nun James LaBrie, den Sänger, auf dem Behandlungssofa des Hypnotiseurs zeigte. Das änderte sich jedoch schnell und der Rest der Band konnte die Bühne unter einem riesigen Jubel erobern. Während die Jungs ihr Album von vorne bis hinten durchspielten gab es auf den Bildschirmen im Hintergrund ständige Videos und Animationen zu sehen.
Was nun folgte war der reinste Wahnsinn. Ob man sich nun auf den Bassisten John Myung konzentrierte, dessen Finger über seinen 6-saitigen Bass so schnell flitzten, daß man sie nicht mehr sah, auf John Petrucci, der ein Solo nach dem anderen hinlegte, auf Mike Portnoy, der die Drumsticks in den absurdsten Rhythmen wirbelte, auf Jordan Rudess, der so schnell das Keyboard bediente, daß man dachte er bricht sich gleich die Finger oder aber James LaBrie, der in absoluter stimmlicher Höchstform war: Diese Band leistet sich keinen Ausrutscher ist wohl das Professionellste, was man sich überhaupt nur ansehen kann. Garniert wurde die Show mit zahlreichen Lichteffekten und den besagten Animationen auf den Bildschirmen. Die Stimmung im Publikum begann zu kochen und sich somit der Temperatur in der Halle anzugleichen. Überraschungen gab es immer wieder, so zum Beispiel ein knapp 10-minütes Keyboardsolo, bei dem Jordan Rudess bewies, daß er der wohl beste Keyboarder ist, den Dream Theater je hatten. Was hier geleistet wurde grenzte schon fast an das Unmögliche. Nach diesem einfach göttlichen Spiel konnte man auf den Bildschirmen die Nachricht \"Jordan is also available for parties and weddings\" lesen, was wiederum zu Gelächter führte. Den Höhepunkt erhielt die Präsentation des Albums bei Songs wie \"The Spirit carries on\" oder \"Finally free\", die vom gesamten Publikum mitgesungen wurden.
Die Präsentation des Albums war nun fertig, mit einem enormen Applaus wurde die Leistung der Musiker quittiert, die jetzt mit \"Mirror\", \"Caught in the web\", \"Pull me under\", \"Fortune in Lies\" und \"Take the time\" ihre besten alten Songs spielten, die vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurden. Aber auch für Dream Theater war es nach sage und schreibe über 2 Stunden Spielzeit fertig, sie verliessen die Bühne, der Applaus hielt noch lange an und das Publikum war mehr als zufrieden über diesen Abend. In punkto musikalischer Perfektion dürfte dieses Konzert wohl der Höhepunkt des Jahres 2000 gewesen sein. Wer die Möglichkeit besitzt, Dream Theater live zu sehen, sollte diese Chance unbedingt wahrnehmen. Dieses Konzert gehört mit zu dem Besten, was ich je gesehen habe und wird mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Mein Konzertnachbar fasste das ganze abschliessend mit \"Die kann man nur vergöttern\" zusammen. Und dem ist nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen, zudem die Jungs einen perfekten Sound hatten. Jedes Detail kam sauber und kraftvoll aus der PA.
- Redakteur:
- Christian Debes