Dream Theater / Pain Of Salvation - Hamburg

04.02.2002 | 03:39

03.02.2002, Docks

Konzerte im Docks starten gerne mal mit einer Band namens Pain In The Ass. Sprich, die auf der Karte angegebene Anfangszeit – in diesem Fall 20:00 – wird ein wenig nach vorn verlegt. Das saugt!
So würde ich hier nun gern über den kompletten Gig von PAIN OF SALVATION berichten, was mir aufgrund der Tatsache, daß wir erst um 19:30 in der Halle waren und die Band schon ca. 20 min. gespielt hatte, nicht möglich ist. Shit happems.
Wir, in diesem Fall noch Kollege Peter im Schlepptau, erlebten beim Eintreten noch die Schlußakkorde von „Ashes“. Welche Songs bereits zum Besten gegeben worden waren, ließ sich leider nicht ermitteln, da die Befragten offensichtlich alle nicht mit dem Material der Band vertraut waren. Schade eigentlich. Ob sich das nach dieser Tour ändern wird, bleibt abzuwarten. An den Qualitäten der Band – konserviert und livehaftig – sollte es nicht liegen.
Schon der erste optische Eindruck der Fünf Skandinavier entbehrt nicht einer gewissen Komik. Während die Gebrüder Gildenlow – Daniel (voc./gt.) und Kristoffer (bs.) – eher hünenhaft wirken, zwergelt Johan Hallgren derwischartig über die Bretter. Extrem entertaining. Und wenn Daniel, wie bei „Inside“ vom Album „One Hour By The Concrete Lake“ geschehen, auch noch die Klampfe ablegt und wie ein Psycho über die Bühne hampelt, dann ist der Prog Zirkus perfekt.
Nebenbei fabrizieren die Jungs auch noch den wohl abgefahrensten und innovativsten Progmetal der Neuzeit. Da werden FAITH NO MORE Passagen in relaxte PINK FLOYD Strukturen eingeflochten. Da wird mal geradeaus abgerockt, mal verschachtelt abgefrickelt. Und alles mit einer Spielfreude, die einfach ansteckt und mitreißt.
Da die Songauswahl – außer den genannten Songs durften wir noch „Undertow“ und „Beyond The Pale“ erleben – exzellent war, gibt es von meiner Seite schon mal drei Daumen aufwärts. Mehr davon und zwar ganz arg bald und ganz arg viel länger. Bitte, bitte.

Kommen wir nun zum Headliner. Irgendwie war es klar, daß sie mit „The Glass Prison“ eröffnen würden. Und das war auch gut. Der Song ballert einfach dermaßen riffmonsterig daher, daß man einfach unverzüglich mitgerissen wird. Auffällig war, daß urplötzlich der Sound weitaus dynamischer klang, und daß James La Brie diesen Song mit all seinen Tiefen auch live sehr gut umsetzen konnte. Über die musikalischen Fähigkeiten der anderen Herren muß ich wohl nichts sagen. Es folgte „6:00“, welches die ziemlich harte Marschrichtung fortsetzte. Zur allgemeinen Überraschung extrahierten sie nun einen Song aus dem überragenden „Scenes From A Memory“ Konzept und spielten „Strange Deja Vu“. Cool. Als sie nachfolgend „Wait For Sleep“ anstimmten, mußte ich wieder Gänse häuten, wurde aber durch das anknüpfende „Surrounded“ dabei ein klitzekleines bißchen gestört. „Learning To Live“ wäre halt schöner gewesen. Trotz allem ein toller Song, der lange Zeit nicht in der Setlist war und somit gern gehört wurde. Durch neue Akzente von Jordan Rudess an den Keyboards entpuppte sich „Burning My Soul“ dann im nachfolgenden auch noch als hörbare Nummer, wobei ich mich immer wieder frage, warum sie überhaupt Songs von diesem Album spielen müssen. Nun ja, halt Geschmacksache. Immerhin gelang es DREAM THEATER mit einer schönen Jam-Einlage im Mittelpart zu erfreuen. Ob es sich hierbei eventuell um einen LIQUID TENSION EXPERIMENT Song handelte, entzieht sich meiner Kenntnis, da mir diese Scheiben partout nicht im Ohr hängen bleiben wollen. In der Livesituation funktioniert das allerdings ganz ausgezeichnet. Vor allem, wenn, wie am heutigen Abend, die einzelnen Musiker extrem gut aufgelegt sind. Vor allem John Petrucci wirkte für seine Verhältnisse sehr extrovertiert und bangte sich zeitweise die kurz frisierte Matte vom Schädel. Nun kam, was viele erhofften: Einer der wohl besten Songs der 80er: „The Killing Hand“ vom überragenden Debut „When Dream And Day Unite“. Hallelujah, was für ein Monument ! Und die heute gebotene Version, mit veränderten Arrangements, war musikalisch einfach niederschmetternd gut. ABER... spätestens hier kamen kurzzeitige Mordgelüste in Richtung Stimmbandakrobat auf. Wann zum Henker merkt der gute Mann, daß er nicht SO hoch singen kann? Aua. Bevor ich mich jetzt noch mal aufrege, lege ich gleich zu Besänftigung mal das Original in den Player.
Beim nachfolgenden „Misunderstood“ vom aktuellen Release hatte ich auf verschärfte Schrägheit im Endteil gehofft. Leider blieb es beim kurzen Noiseinferno, welches durch Stroboskoplicht optisch perfekt untermalt wurde. Mike Portnoy spielte hierbei ein zweites Drumkit. Da ich mich nicht besonders gut mit Tontechnik auskenne, vermute ich mal, daß dieses anders abgenommen wurde und so schön spacig klang. Das anschließende „Lie“ wurde wiederum mit einer kleinen Jamsession verziert, bevor man mit „The Great Debate“ zum neuen Silberling zurückkehrte. Hier verstand dann auch der Sänger wieder zu überzeugen. Kein Wunder bei den tiefergelegten Gesangsmelodien, die er ganz offensichtlich weitaus besser beherrscht als sein bevorzugtes Terrain. Schön hierbei auch das, dem Song angemessene, kühle Blaulicht während der gesampelten Sprachparts. Zur Entspannung aller beteiligten Musikanten folgte das gradlinige „Peruvian Skies“. Nett. Bereits der erste Akkord des folgenden Songs sorgte für frenetischen Applaus – „Pull Me Under“! Einer der wenigen Standards in der überraschenden Songauswahl, der aber natürlich als Bandhymne auch nicht fehlen darf. Brachial instrumentiert quälte nur wieder James mit ohrenfeindlichen Höhen die Gemüter. Erwartungsgemäß endete hier der offizielle Part, hatten wir auch bereits gut 100 Minuten abgeschwitzt.
Der fett beklatschte Zugabenpart wurde mit dem fantastischen „Home“ bravourös eingeleitet. Diese orientalisch anmutende Einleitung sorgt bei mir jedes Mal für Begeisterung. Mit „The Spirit Carries On“ verweilte man noch einen Moment lang auf dem Album, bevor „Take The Time“ den Rausschmeisser markierte. Wie lang hatten sie diesen Knaller nicht mehr live gespielt? Seit der „Images“ Tour? Egal, auf alle Fälle viel zu lange nicht, wie sich beim Genuß der hier dargebotenen Fassung herausstellte. Hiernach verließ nun James die Bühne, um den vier Instrumentalisten noch ein paar Minuten Zeit für verspielt-fröhliches Abrocken zu lassen. Schräger Abschluß für eine eh` schon schräge Setlist, die mich aber absolut überzeugen konnte. Gut, auf den ein oder anderen „Falling“ Song hätte man gern verzichten können – also auf beide eigentlich. Aber das nur am Rande.
Fazit: DREAM THEATER vermögen, vor allem mit diesem Keyboarder, musikalisch auf der Bühne immer noch Begeisterung zu versprühen und schaffen es nach langen Jahren sogar mit neuen Ideen zu überraschen. An nicht wenigen Stellen kam in mir allerdings die Frage auf, ob mich ein Sängerwechsel ernstlich stören würde... hm.
Komisch, daß meine Gedanken dabei mehrfach nach Österreich wanderten...

Setlist:
The Glass Prison
6:00
Strange Deja Vu
Wait For Sleep/Surrounded
Burning My Soul
The Killing Hand
Misunderstood
Lie
The Great Debate
Peruvian Skies
Pull Me Under

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The Spirit Carries On
Take The Time
Jam Session

Redakteur:
Holger Andrae

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