EF - Innsbruck
11.04.2008 | 15:0906.04.2008, P.M.K
In Zeiten von Last.Fm und MySpace rückt die Musikwelt immer näher zusammen, und so entgehen einem auch fantastische Geheimtipps wie die Post-Rock-Genies von EF nicht mehr. Eigentlich bin ich vor einer Woche nur zufällig auf diese Konzertankündigung gestoßen, und die Beschreibung der Band machte mich neugierig, was dank der eben genannten Seiten schnell zu einigen Hörproben führte - und der Entscheidung, dass diese Klänge mit Gänsehautfaktor auch live beeindrucken könnten. Sonntagabend im kleinen Innsbrucker P.M.K. versammeln sich um acht Uhr abends erst nur zehn Leute an der Bar, der Veranstalter beruhigt allerdings und kündigt den Beginn des Gigs in zwei Stunden an, genug Zeit also, um noch Essen und Bier zu konsumieren und sich dann gestärkt in einen Abend musikalischer Genialität zu stürzen - und das um faire acht Euro.
Mittlerweile ist das P.M.K. gut gefüllt, und die junge Supportband mit dem seltsam klingenden Namen GORDON'S TSUNAMI WEEK steht auf der Bühne und beeindruckt schon nach den ersten Takten mit einer atemberaubenden Darbietung. Passend zu EF zelebrieren die talentierten Münchner leidenschaftlich-emotionalen Post-Rock mit vielen Anleihen an bekannte Größen wie die RED SPAROWES, ohne jedoch in den Plagiatstopf zu geraten. Eine Geige unterstützt die bis zu drei Gitarren mit beeindruckend psychedelischen Sounds, auf Gesang wird gänzlich verzichtet, und der Stimmungsaufbau erfolgt durch eine Welle an Epik und Bombast, die schnell für erste erstaunte Gesichter im Publikum sorgt. Hier wird jeder Song zum wahren Ohrenschmaus, und die Kreativität der Musiker scheint keine Grenzen zu kennen. Immer wieder beeindruckt die Band durch frische Ideen, baut geschickt Klaviermelodien in die rockigen Passagen ein oder scheut sich auch nicht, völlig spacige Songstrukturen mit einer einseitigen Gitarre zwischen einem rockigen Gewitter einzubauen. Und wer jetzt ein Ohr riskieren will, kann sich die Mucke gratis auf Last.Fm runterladen.
Die Schweden von EF zeigen sich schon im Vorfeld sehr publikumsnah, stehen am Merchandise-Stand, reden mit den Fans und hinterlassen auch auf der Bühne einen sympathischen Eindruck, der vor allem durch die absolute Hingabe an die Musik verstärkt wird. Mit einem neuen Album im Gepäck, dem grandiosen "I Am Responsible" und einem neuen Tourbassisten (Emil von der Band IMMANU EL), der den ausgestiegenen Mikael ersetzt, sind die Schweden nicht mehr zu bremsen und ziehen ihr Ding durch - emotional, episch, rockig, leidenschaftlich! Die dezente Beleuchtung mit nur zwei Glühbirnen und zwei halb aufgedrehten Strahlern taucht die Göteborger in eine mystische Atmosphäre, und die circa hundert Anwesenden starren gebannt auf das, was jetzt mehr als eine Stunde lang zum bislang besten Konzert des Jahres 2008 werden soll:
EF sind absolute Meister der Melancholie, zelebrieren Post-Rock in all seinen wunderschönen Facetten und schaffen magische Songstrukturen mit unglaublich gefühlvollen, explosionsartigen Stimmungssteigerungen. Von einem langsamen, an SIGUR ROS erinnernden Songanfang spannt man plötzlich den Bogen zu rockigen, wabernden Riffattacken und sorgt so stets für Überraschungen in den meist überlangen Stücken. Besonders gelungen ist hier auch der Einsatz der dezent eingestreuten Vocals, die sich die Gitarristen Tomas und Claes teilen. Vom fast schon gesprochenen, ja geflüsterten Text, der sich im Rythmus der Musik steigert bis hin zu zweistimmig harmonischen "Aaahs", die wie Instrumente in die Songs eingebaut werden, decken EF eine Palette an Genialität ab, die für mich zum Beeindruckendsten gehört, was ich in letzter Zeit gehört habe. Da muss man eigentlich nicht noch extra unterstreichen, dass die instrumentalen Auftritte von E-Cello oder gar Trompete und Xylophon sich ebenso grandios in die Soundcollagen der Schweden einfügen, oder? Besonders beim mehr als sechzehn Minuten langen neuen Song 'Bear' steigern sich EF in einen Bombast, der mehr als nur eine Gänsehaut hinterlässt, die Gitarrenfraktion (bestehend aus bis zu drei Klampfern, da Jonatan neben Cello auch gerne mal in die Saiten greift) kniet teilweise nieder und wirkt wie hypnotisiert von der Musik - und diese Leidenschaft spiegelt sich auch schnell im Publikum wider, welches begeistert auf jeden emotionalen Musikausbruch reagiert. Dabei erstaunen die jungen Musiker immer wieder mit verrückten Ideen wie dem Gitarrespielen mit einem Geigenbogen (nicht neu, aber immer wieder gut) oder dem Einsatz einer Art elektrischer Mundharmonika. Der Kreativität ist hier kein Ende gesetzt.
Mit einem besonderen Dank für dieses erste Konzert in Österreich verabschieden sich die Schweden nach etwas mehr als einer Stunde und hinterlassen bei allen Anwesenden die Gewissheit, dass diese Band das nächste Mal garantiert in einer weniger familiären Atmosphäre spielen wird, denn bei so viel Talent steigt die Fanzahl sicher bald an, und EF werden sich wohl das nächste Mal in eine dreimal so große Halle stellen und ihren fantastischen musikalischen Kosmos ausbreiten.
- Redakteur:
- Caroline Traitler