EXODUS - Essen
28.06.2015 | 21:2517.06.2015, Turock
Good Friendly Violent Fun!
In der Vergangenheit war das Turock stets eine Festung für die härtere Musik. Egal ob sich nun TANKARD, DEATH ANGEL, DESTRUCTION, ONSLAUGHT, SACRED REICH oder HEATHEN hier bereits die Ehre gegeben haben, stets war der Laden mitten in der Essener Innenstadt rappelvoll, bot einen tollen Sound, eine passende Atmosphäre und präsentierte sich stets von seiner vorbildlichen Seite.
Von ihrer vorbildlichen Seite zeigten sich auch jüngst die Bay-Area-Veteranen von EXODUS auf "Blood In, Blood Out", ihrer zehnten Studiodampfwalze, das Quasi-Comeback von Steve 'Zetro' Souza, der nach rund einer Dekade wieder zu seinen alten Kumpanen stieß. Gründe genügend also, um dem Turock am gemütlichen Mittwochabend einen Besuch abzustatten und dem Ruhrgebiet eine "lession in violence" zu lehren. Zwar kehrt EXODUS ohne Bandchef Gary Holt zurück in das Herz des Ruhrgebiets, aber dafür mit einem bestens aufgelegten Frontmann, den Death-Thrashern von DEW-SCENTED und ARCANIA aus Frankreich.
Die Konversationen kommen langsam zum Ende, jeder hat sein kühles Blondes in der Hand und seinen Platz eingenommen? Dann können wir ja mit 15-minütiger Verspätung und lautem Franzosen-Thrash den Abend beginnen. ARCANIA ist in der Heimat schon eine anerkannte Größe, außerhalb Frankreichs jedoch noch recht unbekannt. Ob es an der Tatsache liegt, dass die Jungs innerhalb von 15 Jahren nur zwei Studioalben auf den Markt bringen konnten oder ihre Mixtur aus Bay-Area und Teutonen-Thrash zwar rasant, aber doch etwas monoton aus den Boxen dreschte, ich weiß es nicht. Fest steht jedoch auch, dass einigen Zuschauern "Big Music – Heavy Music"-Songs wie 'Dreams Are Dead' und 'Face In The Mirror' durchaus gefallen und in der Vergangenheit bereits Vorgruppen im Turock herumlärmten, die deutlich größere Lücken im Publikum ertragen mussten.
Einige Headbanger und Luftgitarren-Virtuosen hier, gemütliche Fußwipper und Kopfnicker dort, ARCANIA dürfte nach dem heutigen Abend einige Fans dazugewonnen haben. Dabei liegt dieser Erfolg zum Großteil an Bassmann Guillaume Rossard, der auf der Bühne quasi den obercoolen Alleinunterhalter spielt, während sich seine eher statischen Mitspieler aufs Wesentlichste konzentrieren. Doch sei's drum, nach 'No End' und einer knappen halben Stunde ist ARCANIA am Ende angekommen, erntet anständigen Applaus ein und macht Platz für deine deftige deutsch-niederländischen Köstlichkeit.
Und die Burschen von DEW-SCENTED haben einen richtig guten Tag erwischt: Koen trommelt sich die Seele aus dem Leib, Marvin mimt die Non-Stop-Headbanging-Fraktion, Joost und Rory zupfen bzw. riffen sich cool wie eine Hundeschnauze die Pfoten wund und dass Fronthühne Leif ein geborener Entertainer ist, weiß man bei DEW-SCENTED seit 1992. Alles cool also bei den Jungs? Und ob, der Sound ist druckvoll, leichte technische Probleme, wie ein kaputtes Drumpedal, werden für Ansagen genutzt, bei denen Leif nicht genug betonen kann, wie dankbar er ist, für EXODUS eröffnen zu dürfen, und "Impact"-Songs wie 'Soul Poison' und das wahnsinnige 'Cities Of The Dead' locken auch den letzten Besucher aus seinem Versteck.
Das Turock ist jetzt schon mehr als ordentlich gefüllt und die Stimmung kurz vor dem Kochen. Da überrascht es auch nicht, dass ein Fan seine alte KREATOR-Kutte Leif in die Hände schmeißt, die ersten Stagediver und Crowdsurfer die Sau rauslassen und neue Songs wie 'On A Collision Course' oder 'Affect Gracity' richtig gut ankommen. Als zusätzliches Present hält die Death 'n' Thrash-Dampfwalze ihr neues Album "Intermination", welches erst seit wenigen Tagen erhältlich ist, für läppische 10 Kröten parat. Die Fans danken es ihr, applaudieren fleißig und fressen den Burschen auch beim Liebessong 'Never To Return' und dem abschließenden 'Acts Of Rage' aus der Hand. Jungs, auch wenn ihr die Körper für EXODUS lediglich ölen wolltet, aber das habt ihr ganz fein gemacht! Erstaunlich, was so viele EXODUS-Shirts auf einem Haufen ausrichten können, nicht wahr, Leif?
Und dann schlägt es 22:45 Uhr, die Bude ist proppevoll und das “Blood In, Blood Out“-Intro ertönt. Darauf hat das Turock gewartet, EXODUS erstürmt die Bühne und legt einen unglaublich starken Start hin. Generell wird die Legende aus der Bay Area den Abend zu ihrem machen, obwohl nicht einmal Mastermind und Coolnessfaktor 10 Gary Holt mit von der Partie ist. Doch EXODUS kann auch ohne, gibt dem Publikum trotzdem mit dem Intro von 'Raining Blood' einen kleinen Tipp, wo er stecken könnte. Trotz seiner SLAYER bedingten Abstinenz haben Alt- und Neufronter Steve 'Zetro' Souza, Holts Tourersatz Kragen Lum und Co. die Menge von Beginn an fest im Griff. 'Black 13', das neue Titelstück und 'Iconoclasm' wissen von Beginn an zu überzeugen, der verlorene Sohn ist zurück! Der Sound derweil im Turock von Fleck weg eine Wonne, die Crowdsurfer und Stagediver geben sich im minutentakt die Ehre und DEW-SCENTED hat anscheinend bei der Operation "Einstimmen auf EXODUS" alles richtig gemacht. 'Children Of The Worthless God', der neuste Brecher 'Salt The Wound' und der unnachahmliche Klassiker 'Piranha' runden den Blitzstart ab und sorgen für noch mehr Euphorie. Die Riffs fliegen im Sekundenabstand in die Menge, Altus und Lum liefern sich die rasantesten Duelle und meine Herren, was macht das für einen enormen Spaß? Generell drücken vor allem die "Bonded By Blood"-Songs heute wie die Sau: 'Metal Command', Nomen est omen 'Another Lesson In Violence' und natürlich die Titel gebende Abrissbirne werden mit einer ungeheuren Wucht und fabelhaften Spielfreude vorgetragen, sodass selbst mir die Spucke wegbleibt. Publikum und Band spielen sich gegenseitig die Bälle zu und bangen um die Wette. Doch bei aller Freude darf 'take care of each other', was Zetro noch einmal ausdrücklich betont, sowie ein dickes 'Thank You!' für die jahrelange Unterstützung nicht unerwähnt bleiben. Fleissig und von Herzen bedankt er sich auch für die herzliche Wiederaufnahme seitens des Publikums. Als Gegenleistung habe ich Songs wie 'Pleasures Of The Flesh' oder 'The Toxic Waltz' selten derart abgebrüht und druckvoll gehört, Rampensau Tom Hunting und seine Vordermannschaft machen am heuten Mittwochabend alles richtig. Zu meiner großen Freude wird auch das letzte Bollwerk der Zetro-/EXODUS-Kooperation von 2004 mit dem mächtigen 'Blacklist' und 'War Is My Shepherd' berücksichtigt. Nach rund 100 Minuten wilder Thrash-Exstase stimmt EXODUS letztendlich 'Strike Of The Beast', ohne das die Band eh nie die Bühne verlassen darf, an und sorgen noch einmal für eine ordentliche und gut einstudierte wall of death.
Setliste: Black 13, Blood In, Blood Out, Iconoclasm, Children Of A Worthless God, Piranha, Salt In The Wound, Pleasures Of The Flesh, Body Harvest, Metal Command, The Last Act Of Defiance, Blacklist, A Lesson In Violence, Bonded By Blood, War Is My Sheperd, The Toxic Waltz, Strike Of The Beast
So strahlt am Ende das gesamte Turock vollkommene Zufriedenheit aus: EXODUS hat in jeder Minute unmissverständlich klar gemacht, wo der Frosch die Locken hat, und das Publikum hab ich das letzte Mal bei SACRED REICH derart abgehen sehen. Zetro hat sich von seiner allerbesten Seite gezeigt, strahlte eine ungeheure Kraft aus und wenn Gary Holt, wann immer das auch sein mag, wieder mit von der Partie ist, versichere ich euch, dass EXODUS in dieser Verfassung, mit dieser Songauswahl und dieser mächtigen Besetzung unzerstörbar sein wird. Für den heutigen Abend hat die Leistung des Holtersatzes aber vollends gereicht, das war "Good Friendly Violent Fun" vom Allerfeinsten. Chapeau, meine Herrschaften!
- Redakteur:
- Marcel Rapp